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Abt. Geschichtswissenschaft

14.01.21 Wulf Kansteiner (Aarhus) Transnationales Ressentiment und marktkonforme Zirkulation: Das Theoriegebäude der Memory Studies

Veröffentlicht am 5. Januar 2021, 11:24 Uhr

14.01.2021 | 16-18 Uhr | Anmeldung per Mail

Die Memory Studies haben ein anderes Verhältnis zur Medialisierung der Vergangenheit als die Geschichtswissenschaft. Geschichtswissenschaft ist eine anti-immersive mediale Praxis zum Begreifen der Vergangenheit, während Memory Studies die immersiven Qualitäten von Erinnerungsmedien und Erinnerungskulturen ausdrücklich schätzt. Außerdem sieht sich die Memory Studies einem konstruktivistischen Wissenschaftsverständnis verpflichtet, der vielen Historikern fremd bleibt. Daraus ergeben sich spezifische Theoriebedürfnisse für die Memory Studies, aber auch ein ethisches Dilemma. Die konstruktivistische Toleranz gegenüber real existierenden Erinnerungskulturen reduziert den analytischen Abstand zu den empirischen Untersuchungsobjekten der Memory Studies. Forscher haben sich deshalb wiederholt an transnationalen Normen wie z.B. globalen Menschenrechtskonzepten orientiert. Aber diese Strategie hat weder auf der Ebene der Erinnerungskulturen noch der Ebene der Memory Studies die gewünschten Ergebnisse produziert, z.B. wenn es darum geht, eine politisch effektive Abgrenzung von moralisch suspekten Erinnerungsbeständen zu markieren. Mehr noch, die Wertschätzung transnationaler Normen führte bisweilen zu einer unreflektierten Nähe zu neoliberalen Ordnungsdiskursen einerseits und der summarischen Distanzierung von nationalen Erinnerungsbeständen andrerseits. Die neusten Theorieansätze, die helfen sollen diese Probleme zu beheben, haben große politische Relevanz im Zeitalter von Umwelt-, Me-too und Black-Lives-Matter Aktivismus. Und sie bleiben, wie die Memory Studies im Allgemeinen, erfrischend selbstreflexiv und instabil.

Teilnahmeanfragen verwaltet Frau Schwengelbeck per Mail (anke.schwengelbeck@uni-bielefeld.de)

Gesendet von Ingo Pätzold in zthf-veranstaltungen
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