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Wort des Tages - Lat
Lateinisch
Nativitas
Geburt
In der lateinischen christlichen Antike ist mit diesem Wort insbesondere die Geburt Jesu, also unser „Weihnachten“ gemeint. In den meisten romanischen Sprachen lebt dieses lateinische Wort als Bezeichnung für Weihnachten bis heute fort: spanisch: Navidad, portugiesisch: Natal, italienisch: Natale, französisch: Noël.
Die frühchristlichen
Theologen hatten mit der Geburt Jesu vor allem zwei Probleme: die
Jungfrauengeburt, d.h. die Empfängnis ohne einen Vater, und die Frage
nach der wahren Natur Jesu: Ist Jesus Mensch oder Gott? Augustinus
findet eine Antwort, indem er aus der irdischen Jungfrauengeburt ohne
Vater komplementär auf eine himmlische Geburt durch den Vater ohne
Mutter schließt. So wird Jesus von der irdischen Mutter als Mensch in
die Zeit, und vom himmlischen Vater als Gott in die Ewigkeit „geboren“.
In der einen Geburt finden zwei Geburten statt, Jesus hat eine
Doppelnatur.
Augustinus war nicht nur ein scharfsinniger Denker, sondern auch ein geschliffener Stilist und großer Rhetoriker. So verbindet er in folgender Predigtstelle prägnant Reduktion mit Redundanz: Reduziert ist der Gedanke in eine einfache morphologisch-syntaktische Struktur, redundant und rekurrent ist darin das bedeutungstragende Merkmal der komplementären Zweiheit:
debemus enim fide catholica retinere duas esse nativitates domini:
unam divinam, alteram humanam; illam sine tempore, hanc in tempore.
ambas autem mirabiles: illam sine matre, istam sine patre.
„Wir müssen nämlich nach katholischem Glauben festhalten, dass die Geburt des Herrn zweifach ist:
Die eine göttlich, die andere menschlich; jene außerhalb der Zeit, diese in der Zeit.
Und dass beide ein Wunder sind: jene ohne Mutter, diese ohne Vater.“
(Sermo 190,2)
Laeta nativitas! Feliz Navidad! Feliz Natal! Buon Natale! Joyeux Noël!
Fröhliche Weihnachten!
Text und Foto (aus dem Münster zu Basel): Peter Prestel