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Porträt Alona Shevchenko
Interview mit Alona Shevchenko, Ukrainisch-Dozentin
Nach einem Interview-Leitfaden von Myriam Goupille geführt von Agata Kotowska
Liebe Alona, woher kommst du genau?
Ich komme aus Charkiw, einer der größten Städte der Ukraine. Es ist meine Heimatstadt, wo ich aufgewachsen bin, studiert und gearbeitet habe. Dort habe ich an der Karasin-Universität meinen Abschluss in Philologie gemacht.
Wie und wann bist du nach Bielefeld gekommen?
Ich bin im März 2022 nach Bielefeld gekommen, als der Krieg mich dazu zwang, die Ukraine zu verlassen. Gemeinsam mit meiner Tochter und meiner Mutter haben wir hier Schutz gefunden. Auch meine beiden Schwestern sind nach Bielefeld gezogen, sodass wir als Familie wieder vereint sind, auch wenn wir weit weg von zu Hause sind. Unsere Familie ist sehr kreativ: Meine Schwester ist Künstlerin, meine Mutter singt wunderschön. Oft verbringen wir gemeinsam Zeit mit Kunst oder Musik.
Gibt es etwas, aus Ukraine, was du hier vermisst? Und etwas, was du hier in Deutschland besonders schön findest?
Natürlich vermisse ich meine Arbeit, meine ukrainischen Freunde und vor allem unsere reiche und einzigartige Kultur. Hier in Deutschland schätze ich die Ordnung, die Sicherheit und die Möglichkeit, interessante Menschen zu treffen. Ich vermisse meine Arbeit und die besondere Atmosphäre von Charkiw – die Märkte, die kleinen Cafés, das lebendige Treiben der Stadt. Aber was mich hier in Deutschland fasziniert, ist die Geschichte und die Architektur. Jedes Gebäude erzählt eine Geschichte, und die Liebe der Deutschen zu ihren Denkmälern und Altstädten inspiriert mich. Ich entdecke gerne die Parallelen und Unterschiede zwischen der ukrainischen und deutschen Kultur – es ist, als würde ich eine neue Welt erkunden.
Hast du immer unterrichtet? Wenn nicht, was hast du vorher gemacht?
Ja, der größte Teil meines Lebens ist mit dem Unterrichten der ukrainischen Sprache und Literatur verbunden. Ich habe 10 Jahre lang in der gymnasialen Oberstufe gearbeitet. Aber ich habe immer nach neuen Herausforderungen gesucht: Ich hatte Webinare in Psychologie, insbesondere zum Thema 'Kommunikative Verbindungen in der modernen Welt', sowie Kurse im Bereich Human Resources-Management erfolgreich abgeschlossen. Darüber hinaus habe ich Erfahrungen im Bereich Copywriting gesammelt. Für mich ist das ein Weg, mit den aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten und mich weiterzuentwickeln.
Kannst du uns eine Anekdote über deine (ehemaligen) Studis oder Schüler erzählen? Es kann etwas Lustiges oder leicht Peinliches sein, das jedem von uns passieren kann.
Oh, natürlich! Einmal war ich erkältet und hatte meine Stimme verloren, sodass ich nur flüstern konnte. Am letzten Schultag des Tages haben meine Schüler (10. Klasse) die Situation in die Hand genommen: Einer spielte die Rolle des Lehrers, andere halfen, gaben Aufgaben, kontrollierten Arbeiten und vergaben sogar Noten. Ich saß hinten in der Klasse und lachte, wie sie meine Gesten, Mimik und Intonation imitierten. Es war eine besondere Erfahrung, sich selbst mit den Augen der Schüler zu sehen. Das war sehr nett!
Was hat dir am Unterrichten besonders gefallen?
Es war für mich immer inspirierend, wenn meine Schüler die ukrainische Literatur analysierten. Unsere Werke haben eine reiche Geschichte, die aufgrund der Zensur in der Sowjetzeit oft nur unzureichend erforscht wurde. Jeder Literaturunterricht war für mich und meine Schüler eine Entdeckung. Es begeistert mich, dass sich heute sogar Menschen aus dem Ausland für die klassische und zeitgenössische ukrainische Literatur interessieren. So erfuhr ich beispielweise, dass es in Bielefeld seit fast 15 Jahren einen deutschsprachigen ukrainischen Leseclub gibt.
Was möchtest du unseren Studierenden und Lehrkräften mit auf den Weg geben?
Ich wünsche allen, immer offen für neues Wissen, für andere Kulturen und für die persönliche Weiterentwicklung zu sein. Jede Sprache ist eine Tür zu einer neuen Welt, und ich freue mich, Teil davon zu sein, wie Menschen die Welt der Ukraine entdecken. Ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann, Brücken zwischen der Ukraine und Deutschland zu bauen – durch Sprache und Kultur.