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Workshop „Widerständige Subjektivierung“
Workshop "Widerständige Subjektivierung"
Am 09. und 10. Februar veranstaltete BGHS-Mitglied Ragna Verhoeven den internationalen Workshop „Widerständige Subjektivierung“, der von der BGHS finanziert wurde und zu dem sie Forschende aus Deutschland und Österreich eingeladen hatte. Gemeinsam wurde darüber nachgedacht, inwiefern Widerständigkeit im Prozess der Subjektivierung eine entscheidende Rolle spielt. Sechs Vortragende gaben Input-Referate und regten dadurch die gemeinsame Diskussion an.
Michaela Bstieler stellt ihr Forschungsprojekt vor, in dem sie Figuren des Unwohnlichen untersucht: die Weltlosigkeit (Hannah Arendt), die Verlassenheit (Emmanuel Lévinas), die Desorientierung (Frantz Fanon) und „Being Stopped“ (Sara Ahmed). Mit dem methodischen Rüstzeug der politischen Phänomenologie nähert sie sich diesen verschiedenen Figuren des Unwohnlichen. Sie geht davon aus, dass immer gewohnt wird, selbst im Lager, dadurch, dass es Alltagsroutinen gibt oder sich im Schutze der Nacht Geschichten erzählt werden. So gibt es selbst an den vermeintlich unwohnlichsten Orten „kleine Revolutionen“ der Widerständigkeit.
Anna Weithaler interessiert sich aus radikaldemokratischer Perspektive für Demokratiebildung und fragt sich, inwiefern es dafür widerständige, demokratische Subjekte braucht. Immer wieder bemühen Radikale Demokratietheoretiker*innen die Formel des Politischen „von unten“, aber unklar bleibt, was dieses „von unten“ eigentlich bedeutet. Deswegen schlägt sie vor den Blick genauer auf die Repräsentation zu lenken. Das heißt darauf, inwiefern widerständige Subjekte im radikaldemokratischen Sinne repräsentiert werden können bzw. sich selber repräsentieren.
Ragna Verhoeven befasst sich mit dem Spannungsverhältnis von Konflikt und Verbindendem in Demokratien. Mit dem Begriff des Verbindenden arbeitet sie einen spezifischen radikaldemokratischen Begriff heraus, der sich von anderen demokratietheoretischen Begriffen des Konsenses oder der Gemeinschaft abgrenzt. Der Begriff des Verbindenden lädt in besonderem Maße Widerständigkeit, Brüche und kritische Infragestellungen ein und ermöglicht es dadurch produktiv über Widerständigkeit nachzudenken.
Henrike Bloemen unterstreicht in ihrem Input die (Be-)Ständigkeit im Widerständigen. Sie operiert mit Gramscis Begriff des Alltagsverstandes, den sie als vergeschlechtlichte Subjektivierungsweise versteht. Elemente des Widerständigen sind nach ihr in den Routinen des Alltags verborgen und erfahren dadurch eine Beständigkeit. Sie blickt dabei auf die „kleinen Widerständigkeiten“, die bewusst und unbewusst Teil unseres alltäglichen Lebens sind.
Im Zentrum des Vortrags von Viktoria Hügel steht die „Body Politic“. Sie lenkt ihren Blick auf die Präsenz von Körpern im (demokratischen) Raum. In diesem Zusammenhang beschäftigt sie sich mit künstlerischen sowie aktivistischen Performances, beispielsweise „Eviction“ von Omer Krieger. Dabei diskutiert sie, wie Körperpraktiken in künstlerischen Performances widerständig sein können.
Mareike Gebhardt bringt Schwarze Feminismen, radikaldemokratische Perspektiven und Migrationsforschung zusammen. Sie stellt heraus, dass der Begriff der Flucht Phänomene umfänglicher in den Blick bekommt als der Begriff der Migration, beispielsweise die Flucht aus der Sklaverei. Indem sich Sklav*innen Geschichten gelungener Fluchten erzählen, unternehmen sie kleine widerständige Ausbrüche aus ihrem Leben.
© Maria del Carmen Mayer
In spannenden Diskussionen wurde deutlich, dass die Teilnehmenden, obwohl sie zu sehr unterschiedlichen Themen forschen, das Interesse am und Verständnisse vom Widerständigen teilen. In diesem geteilten Verständnis ist Widerständigkeit beständig und deutet zugleich auf eine Wandel- und Veränderbarkeit hin. Sie schließt relationale Aspekte mit ein, genauso wie Konfliktäres. Das heißt, dass diese Verbindungen, die sie schafft, nicht homogenisierend wirken, sondern Heterogenität, Differenzen und Diversitäten mit einlädt. Im Prozess der Subjektivierung ist Widerständigkeit ein zentraler Bestandteil, auch wenn diese im verborgenen, vermeintlich unsichtbaren Raum im Sinne „kleiner Widerstände“ passiert.
Es war bereits der zweite Workshop, in dem sich die Forscherinnen über den Begriff der Subjektivierung ausgetauscht haben. Und die Arbeit geht weiter.