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Von Architektur und Politik
Von Architektur und Politik
Sara Núñez Izquierdo (Foto: usal.academia.edu)
Vom 6. bis 10. Mai war Sara Núñez Izquierdo, Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Salamanca, zu Gast in der Abteilung Geschichtswissenschaft. Am 7. Mai hat sie eine Veranstaltung in der BGHS gehalten, bei der sie zunächst Forschungsprojekte von zwei BGHS-Promovierenden kommentierte und danach ihre eigene Forschungsarbeit zur Architektur in der Franco-Zeit in Spanien präsentierte.
Zwei BGHS-Mitglieder nutzten die Chance, ihre Arbeiten mit Sara zu diskutieren. Jacob Krusche stellte sein Projekt zu Praktiken der Legitimierung von Gewalt im ländlichen Mexiko vor. Dabei konzipiert er Gewaltakteure als Organisationen, die grundlegende Kontroll- und Schlichtungsfunktionen jenseits staatlicher Zuständigkeit ausüben. Jacob konnte insbesondere von Saras Erfahrung mit der Methode der oral history profitieren und plant bereits einen Aufenthalt an der Universität Salamanca. Anschließend präsentierte Anastasia Serikova ihr Projekt zur Darstellung von Hungersnöten in Museen in Irland und Kasachstan. Sie geht der Frage nach, welchen Einfluss die politischen Systeme – das demokratische System in Irland und das autoritäre System in Kasachstan – auf die Präsentation von Hungersnöten als ‚difficult heritage‘ in Museen haben. Auch dazu konnte Sara mit ihrer museologischen Erfahrung und Expertise hilfreiche Tipps geben.
Alcalá Street (Madrid). 1959 Spanish Cultural Heritage Institute. Ministry of Culture. 1959. Photo: Juan Miguel Pando Barrero
In ihrem eigenen Vortrag mit dem Titel „New Politics, New Architecture. Spanish Architecture during the Francoism (1939-1975)“ nahm Sara das Publikum mit in ihre Heimatstadt Salamanca, deren Architektur stark von der Zeit der Franco-Diktatur (1939-1975) geprägt ist. Sie berichtete von den Schwierigkeiten, die ihr zunächst bei ihrer Forschung begegneten, weil vor ihr noch niemand auf die Idee gekommen ist, sich die Franco-Zeit durch die prägende Architektur zu erschließen. Salamanca bot sich besonders dafür an, da dort, anders als in anderen spanischen Städten, während des Bürgerkriegs kaum Bomben fielen. Man kann also auch heute noch viele Zeugnisse der Franco-Diktatur finden, wie die von Sara präsentierten Fotos zeigten. Unter Franco sollte eine neue Architektur entstehen, die vor allem historische Merkmale aufwies und nicht von der zeitgenössischen Architektur in anderen Ländern beeinflusst werden sollte. Und so kann man von Salamanca den Eindruck gewinnen, dass manche Gebäude sehr alt sind, obwohl sie tatsächlich erst seit den 1940er Jahren gebaut wurden.
Sara wies darauf hin, dass viele Bewohner*innen Salamancas die Zeugnisse der Franco-Ära als selbstverständlich hinnehmen. Erst allmählich entwickelt sich ein Verständnis, dass es sich dabei um Zeugnisse eines brutalen Regimes handelt, die der Einordnung in den historischen Kontext bedürfen. Und dazu leistet Saras Arbeit einen wichtigen Beitrag.
Die Veranstaltung mit Sara Núñez Izquierdo war sehr gelungen, weil sie viele ungewohnte, spannende Aspekte in den Blick brachte und die aktuelle Relevanz von historischer Forschung verdeutlichte. Sara ist auch Prodekanin für Internationalisierung an der Fakultät für Geografie und Geschichte und Erasmus-Koordinatorin in der Abteilung Kunstgeschichte an der Universität Salamanca. Wer Interesse an einem Aufenthalt in Salamanca hat, bekommt mehr Informationen bei Bettina Brandt (bettina.brandt@uni-bielefeld.de).