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#Teil 4 :: im Job :: in der BGHS :: im Gespräch

Veröffentlicht am 24. September 2019, 14:18 Uhr

Außeruniversitäre Karrieren #Teil 4

:: im Job :: in der BGHS :: im Gespräch

Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen im Sommersemester mit Promovierenden, die bereits während ihrer Arbeit an der Dissertation Berufserfahrungen außerhalb der Universität sammeln. Filiz Kutluer hat mit uns über ihre Tätigkeit für die von Bodelschwinghschen Stiftungen in Bethel gesprochen.


Filiz Kutluer und Ulf Ortmann im Gespräch. Foto: Hannah Grüneberg

Filiz, Du arbeitest in einer „Fachstelle“ der von Bodelschwinghschen Stiftungen. Wo arbeitest Du genau?

Filiz Kutluer: Die „Fachstelle für Migration und Behinderung“ ist an die Regionalleitung angebunden und hat eine Brückenfunktion zwischen Basismitarbeitenden und den Klient*innen. Das heißt, ich bin erstens dafür zuständig, zu beraten und zu vermitteln. Dabei kommt es zum einen darauf an, zu erfassen: Welche Probleme haben die Menschen mit Behinderung aus Zuwandererfamilien? Welche Schwierigkeiten haben ihre Angehörigen? Haben sie Zugang zum Hilfesystem? Wenn nicht, woran liegt das? Und wenn sie im System drin sind: Welche Probleme haben sie dort? Zum anderen erfasse ich die Perspektive der Beschäftigten: Welche Erfahrungen haben die Mitarbeiter*innen mit dieser Zielgruppe? Von welchen Problemen berichten die Beschäftigten in diesem Zusammenhang? Zweitens arbeite ich an der Entwicklung passender Konzepte für meine Organisation: Wir haben eine Zielgruppe, die schwer zu erreichen ist und die Schwierigkeiten im Hilfesystem hat – was können wir dafür tun, um diese Schwierigkeiten zu lösen bzw. damit umzugehen?

Wie sieht Deine Arbeit konkret aus?

Filiz Kutluer: Die Arbeit ist vielfältig. Ich bin ja erstens dafür zuständig, zu erheben, wie die Mitarbeiter*innen, Klient*innen und Angehörige miteinander arbeiten und welche Bedarfe sie haben. Zweitens vernetze ich mich und versuche auf dem Laufenden zu bleiben: Wie gehen andere Organisationen und Träger, wie die AWO oder die Caritas etc. mit diesem Thema um? Was wird dazu in anderen Städten in Deutschland oder im Ausland gemacht? Drittens verfasse ich Konzepte zur interkulturellen Öffnung von Einrichtungen und begleite ihre Umsetzung in Bethel. Dazu gehören auch Mitarbeiterfortbildungen zu interkulturellen Kompetenzen. Und viertens übernehme ich die Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Thema, und halte dazu Vorträge oder schreibe Artikel für Fachzeitschriften. Also, es kann sein, dass ich an einem Tag erst mit einer/einem Klient*in beschäftigt bin, dann mit einer/einem Mitarbeiter*in, dann mit der Regionalleitung und zum Ende des Tages mit einem Bericht.

Was sind die beiden wichtigsten Aufgaben, die Du erledigst?

Filiz Kutluer: Eine der wichtigsten Aufgaben besteht darin: Wenn es in einer Einrichtung zwischen Mitarbeitenden, Klient*innen mit Migrationshintergrund und ihren Angehörigen Schwierigkeiten gibt, mit denen die Mitarbeitenden nicht klar kommen, dann werde ich gerufen. Also, als Beispiel: Angehörige kommen in die Einrichtung, ohne sich vorher anzukündigen. Dann versuche ich, zunächst das Problem zu erfassen: Wie verstehen die Angehörigen die Arbeit, die in der Einrichtung läuft? Kennen sie die Regelungen zu Essenszeiten oder Abholzeiten? Wissen sie, dass sie sich als Angehörige anmelden müssen, bevor sie die Einrichtung besuchen? Und dann ist es meine Aufgabe, den Angehörigen die Arbeitsweise in der Einrichtung auch zu erklären. Etwa: „Ihre Tochter hat hier eine Tagesstruktur; und wenn Sie hier unangemeldet hinkommen, geht diese Struktur verloren.“

Die Erfahrung, die ich bei solcher fallbezogenen Arbeit mache, bereite ich schließlich auf und entwickle passende Konzepte sowie Empfehlungen, die ich meinem Dienstvorgesetzten vorlege. In diesem Zusammenhang geht es darum, interkulturelle Kompetenzen zu stärken. Und diese Konzepte setzen genau daran an: Zum Beispiel bei Verständigungsproblemen, wie ich sie gerade geschildert habe, bringt es nichts, alleine Wörter zu übersetzen. Vielmehr müssen Sprachmittler*innen die Einrichtung und das Hilfesystem kennen, bevor sie dolmetschen können. Zum Beispiel: Warum ist es für ein Förderkind wichtig, ein Dreirad zu benutzen? Aus der Perspektive von Angehörigen kann das Dreirad unwichtig sein; aber aus der Perspektive von Erzieher*innen ist das entwicklungsfördernd und daher sehr wichtig.

Welches Wissen und welche Kompetenzen bringst Du als Sozialwissenschaftlerin bei Deiner Arbeit ein?

Filiz Kutluer: Zum einen geht es bei meiner Arbeit sehr viel darum, zu strukturieren. Denn mir werden Probleme aus verschiedenen Perspektiven geschildert und meine Aufgabe ist es, diese Perspektiven miteinander in Beziehung zu setzen – und das dann an die Beteiligten weiterzugeben: Ich versuche sozusagen, die von den beiden Seiten (Erzieher*innen und Angehörigen) geschilderten Problembereiche zu sortieren und zum besseren Verständnis eine Struktur zu geben – das habe ich im Studium gelernt und das mache ich heute noch gerne.

Zum anderen ist zum Beispiel Arbeitsteilung ein großes Thema, wenn ich zwischen Mitarbeiter*innen und Angehörigen vermittle. Denn Arbeitsteilung ist in Deutschland das A und O; in der Türkei beispielsweise weiß jeder über alles Bescheid. Für die einen ist Arbeitsteilung selbstverständlich: „Das ist jetzt meine Aufgabe; und wenn Sie dieses oder jenes brauchen, dann gehen Sie zu jemand anderem, und zwar dort hin!“ Für die anderen stellt sich Arbeitsteilung als Dschungel dar, in dem sie verloren gehen: „Ich kann nicht rechts und links gucken und bin nur für diesen Bereich hier zuständig; wenn Sie jenes brauchen, dann gehen Sie woanders hin!“ Und meine Aufgabe ist es, dass die Beteiligten trotzdem miteinander ins Gespräch kommen. Denn ohne diesen Dialog besteht die Gefahr, dass Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund keinen Zugang zum Hilfesystem finden.

Welche Tipps hast Du für Kolleg*innen, die in Deiner Branche einen Einstieg suchen?

Filiz Kutluer: Es macht, denke ich, Sinn, zu fragen: Was machen diejenigen, die in Organisationen wie den von Bodelschwinghschen Stiftungen arbeiten? Welche verschiedenen Tätigkeiten bzw. Berufsfelder gibt es dort? Und welche dieser Tätigkeiten sind was für mich? Da gibt es zum Beispiel einen „Infotag für Studieninteressierte“ in der Fachhochschule der Diakonie in Bethel, und in diesem Rahmen werden die verschiedenen Berufs- und Arbeitsfelder, die es in Bethel gibt, vorgestellt. Auch die zentrale Öffentlichkeitsarbeit in Bethel steht für Information zu Verfügung. Da findet man immer Gesprächspartner*innen.

Filiz, vielen Dank für das Gespräch.

Das komplette Gespräch als PDF findet ihr hier:

Komplettversion als PDF

 

Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere":

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