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Praktiker*innen im Gespräch Teil 29
::Außeruniversitäre Karrieren::
Praktiker*innen im Gespräch Teil 29
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen mit Historiker*innen und Sozialwissenschaftler*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Susanne Kill hat mit uns über ihre Tätigkeit für die Deutsche Bahn AG gesprochen.
(Abbildung 1: Susanne Kill, Copyright: Susanne Kill)
Frau Kill, Sie haben 1995 in Geschichte promoviert. Wenn Sie sich an den Einstieg in Ihren Beruf erinnern: Wie haben Sie den Einstieg gefunden?
Ich bin kurz nach der Bahnreform bei der Bahn eingestiegen. Die Bahnreform, also die Umwandlung von Bundesbahn und Reichsbahn zur privatrechtlich organisierten Deutschen Bahn AG bedeutete, dass die Bahn ab 1994 nicht mehr an das Bundesarchiv abgabepflichtig war. Akten, die vor 1994 entstanden sind, werden dem Bundesarchiv angeboten. Alle Akten ab 1994 werden nach handelsrechtlichen Fristen aufbewahrt. In der Historischen Sammlung werden ausgewählte Dokumente dauerhaft aufbewahrt. Dort arbeite ich seit 1999.
(Abbildung 2: Eisenbahnzeitung, Copyright: Deutsche Bahn)
Wie sind sie zu ihrer aktuellen Position gekommen?
Ich habe Mitte der 1990er Jahre bei der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte ein Forschungsprojekt zur Eisenbahn in Deutschland betreut: zur Kultur-, Wirtschafts- und Politikgeschichte der Bahn vom 19. Jahrhundert bis zur Wiedervereinigung. In diesem Zusammenhang bin ich gefragt worden, ob ich mich auf die neu geschaffene Stelle als Leiterin des Konzernarchivs bewerben möchte. Als ich mich bewarb, hatte ich ein Vorstellungsgespräch beim Vorstand der DB in der Ruschestraße in Berlin-Lichtenberg. Dort hatte bis 1990 die Stasi ihren Hauptsitz. Das ist ein Eindruck, der mir für immer im Gedächtnis bleibt: Es roch noch alles nach DDR. Es war eine völlig andere Welt als die Frankfurter Universität oder die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte. Da arbeiteten viele und sehr unterschiedliche Menschen. Das ist auch, glaub ich, etwas, das mich bei der Bahn bis jetzt gehalten hat: Dass die Bahn so vielfältig und immer auch ein Teil der Zeitgeschichte ist.
(Abbildung 3: Geschäftsberichte der Bahn, Copyright: Deutsche Bahn)
Sie arbeiten für die Deutsche Bahn. Wo arbeiten Sie genau?
Wir haben hier in Berlin eine Historische Sammlung, in der wir zu dritt arbeiten. Wir versuchen, die Geschichte der Deutschen Bahn seit 1994 in Akten und Publikationen aufzubewahren. Gleichzeitig bieten wir historische Beratung an und sind, weil wir gemeinsam mit dem DB Museum in Nürnberg eine große Archivdatenbank betreiben, auskunftsfähig auch zur Geschichte der Vorläuferorganisationen der Deutschen Bahn AG: also Bundesbahn, Reichsbahn und Länderbahnen. Im Moment arbeite ich zum Beispiel an einer Wanderausstellung zur Eisenbahn im Nationalsozialismus.
(Abbildung 4: Negativschrank im Bahnarchiv, Copyright: Deutsche Bahn)
Sie leiten die Konzerngeschichte und die Historische Sammlung bei der Deutschen Bahn. Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben?
Erstens ist es meine Aufgabe, historische Themen einordnen zu können und auskunftsfähig zu sein, insbesondere zum Thema Nationalsozialismus und Deutsche Teilung. Zweitens betreuen wir die Historische Sammlung und – in Kooperation mit dem DB Museum in Nürnberg – die Archiv- und Museumsoftware. Drittens ist es meine Aufgabe, Anfragen im Bereich historische Öffentlichkeitsarbeit an die richtige Stelle zu bringen, selbst zu beantworten und beispielsweise für den Internetauftritt aufzubereiten.
Welche Tipps haben Sie für Promovierende aus Soziologie und Geschichtswissenschaft, die sich für Ihr Tätigkeitsfeld interessieren?
Mein erster Tipp ist: Pflegen Sie Kontakte! Es bietet sich zum Beispiel an, eine Tagung der Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare zu besuchen. Das ist die Kontaktbörse für Unternehmenshistoriker*innen und -archivar*innen. Die Kontaktbörse ist für uns wichtig, denn Sie müssen sich vorstellen: Man ist als Archivar*in bzw. Historikerin*in in einem großen Unternehmen relativ alleine. Umso wichtiger ist es, sich mit anderen Kolleg*innen in anderen Unternehmen zu vernetzen. Zweitens denke ich: Ein wissenschaftliches Interesse widerspricht nicht der Arbeit im Unternehmensarchiv. Wenn man keine Quellenkenntnis hat, kann man auch nicht seriös Unternehmensgeschichte machen. Das ist inzwischen allen klar: Wenn man Quatsch erzählt, fällt einem das in der Öffentlichkeit vor die Füße. Unternehmenshistoriker*innen sollten auch die kritischen Stellen der Unternehmensgeschichte kennen. Dieses Wissen kann auch für die Unternehmensführung wichtig sein. Drittens habe ich festgestellt, dass viele Historiker*innen und Soziolog*innen in Großunternehmen etwa in der Unternehmenskommunikation arbeiten. Zum Beispiel bei der Analyse langfristiger, volkswirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, um für Unternehmensführungen strategische Entscheidungen vorzubereiten. Wer sich dafür interessiert, steht vor der Frage, ob es wirklich die Geschichtswissenschaft oder die Soziologie ist, bei der man thematisch bleiben möchte.
Frau Kill, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulf Ortmann. Das gesamte Interview findet Ihr hier: pdf.
Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere" findet Ihr hier, die vorherigen Interviews der Reihe sind hier verfügbar.