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Praktiker*innen im Gespräch Teil 27
::Außeruniversitäre Karrieren::
Praktiker*innen im Gespräch Teil 27
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen mit Historiker*innen und Sozialwissenschaftler*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Andrea Schneider-Braunberger hat mit uns über ihre Tätigkeit für die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. und die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte mbH gesprochen.
[Abbildung 1: Andrea Schneider-Braunberger]
Frau Schneider-Braunberger, Sie haben 1996 in Geschichte promoviert. Wenn Sie sich an den Einstieg in Ihren Beruf erinnern: Wie haben Sie den Einstieg gefunden?
Andrea Schneider-Braunberger: Mein Einstieg war, glaube ich, unüblich. Am Tag nach der Disputation meiner Doktorarbeit habe ich einen amüsanten Anruf bekommen von meinem Doktorvater. Er hat mir davon erzählt, dass bei der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) die Position der Geschäftsführung zu besetzen ist, und mich gefragt, ob ich in der Lage bin, auf Englisch Geschäftsbriefe zu formulieren. Das konnte ich tatsächlich sehr gut, weil ich während meines Studiums in einem Schreibbüro gearbeitet habe. Dann habe ich mich noch am selben Tag hier beworben, wurde am zweiten Tag nach meiner Disputation zum Vorstellungsgespräch eingeladen, und bekam den Job. Ich hatte mich damals auch beim Deutschen Historischen Museum auf eine Volontariatsstelle und auf eine Stelle als Referentin beim Deutschen Bundestag beworben. Es hätte also auch ganz anders kommen können. – Aber so bin ich, ohne dass ich das Ziel gehabt hätte, auf die Position geraten, auf der ich bis heute arbeite.
Wenige Tage nach der Disputation Geschäftsführerin zu sein: Wie haben Sie das erlebt?
Andrea Schneider-Braunberger: Ich fand es reizvoll, einen Beruf zu finden, in dem ich das im Geschichtsstudium erworbene Wissen anwenden kann. Gleichzeitig muss ich sagen: Ich habe Neuere Geschichte studiert und dort promoviert, aber über Unternehmensgeschichte wusste ich nichts. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es war eine meiner ersten Aufgaben in meinem ersten Jahr hier bei der GUG, ein Symposium zu organisieren. Das war 1996. Ich habe damals die Liste der Themen der GUG-Symposien seit ihrer Gründung 1976 durchgesehen. Und da ist mir aufgefallen: Nationalsozialismus war nicht auf dieser Liste. Das wäre ein spannendes Thema! Das Symposium zum Nationalsozialismus hat dann Anfang 1997 tatsächlich hier stattgefunden. Zur gleichen Zeit wurde in den USA Druck auf die Deutsche Bank und die Allianz AG ausgeübt, die eigene NS-Geschichte aufzuarbeiten. Und erst nach dem Symposium war auch in Deutschland klar: Man muss Unternehmensgeschichte im NS aufarbeiten. Also, rückblickend würde ich sagen: Dieses Symposium zum Nationalsozialismus hat auch stattgefunden, weil ich ein bisschen naiv war.
Sie arbeiten für die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte. Wo arbeiten Sie genau?
Andrea Schneider-Braunberger: Als die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.1976 gegründet wurde, hatte sie die Aufgabe, als außeruniversitäre Institution das Thema Unternehmensgeschichte zu stärken: einerseits durch die Organisation wissenschaftlicher Tagungen, Symposien und Arbeitskreise, andererseits durch die Herausgabe der „Zeitschrift für Unternehmensgeschichte“. Diese Aufgaben haben wir als Gesellschaft für Unternehmensgeschichte bis heute. Darüber hinaus führen wir als gemeinnütziger Verein auch zum Beispiel ein Projekt durch, in dem wir Material zur Unternehmensgeschichte für den Schulunterricht entwickeln. Neben diesen gemeinnützigen Aktivitäten sind wir wirtschaftlich tätig: Seit den 1980er Jahren wird die GUG von Unternehmen beauftragt, entweder ein Unternehmensarchiv aufzubauen oder eine Studie durchzuführen; sei es zu einer speziellen Frage, sei es zur gesamten Unternehmensgeschichte. Dadurch, dass wir immer mehr Aufträge von Unternehmen bekommen haben, kamen wir vor gut zehn Jahren an eine Grenze, die wir als gemeinnütziger Verein nicht überschreiten dürfen: mehr als die Hälfte unserer Umsätze im wirtschaftlichen Bereich zu erzeugen. Deshalb haben wir 2012 die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte mbH gegründet.
Sie leiten die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte. Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben?
Andrea Schneider-Braunberger: Erstens konzipiere ich unsere wissenschaftlichen Projekte: im Hinblick auf ihren Inhalt und auf ihr Budget. Zweitens habe ich die Rolle einer Vermittlerin zwischen verschiedenen Akteur*innen: Auf der einen Seite ist es in den Unternehmen meine Aufgabe, zu erklären, warum es wichtig ist, Unternehmensgeschichte wissenschaftlich aufzuarbeiten, und was wissenschaftliches Arbeiten in diesem Zusammenhang bedeutet. Auf der anderen Seite ist es meine Aufgabe, gegenüber unseren auf Honorarbasis beschäftigten Autor*innen für das Vertrauen zu sorgen, dass es bei uns keine Schönschreibereien gibt; und dass die wissenschaftliche Freiheit der Autor*innen gewährleistet ist. Manchmal kommt auch die Presse als Stakeholder dazu. Es ist also eine Übersetzungsarbeit, die ich zwischen verschiedenen sozialen Welten habe. Drittens habe ich als Geschäftsführerin kaufmännische Aufgaben, Vertragsangelegenheiten zu erledigen oder auch strategische Planungen voranzutreiben.
Welche Tipps haben Sie für Promovierende aus Soziologie und Geschichtswissenschaft, die sich für Ihr Tätigkeitsfeld interessieren?
Andrea Schneider-Braunberger: Sammeln Sie praktische Erfahrungen, um herauszufinden, wo die eigenen Leidenschaften, Stärken oder auch Schwächen liegen! Zum einen sind die Arbeitswelten, in denen Historiker*innen oder Soziolog*innen arbeiten, ja sehr verschieden. Zum anderen lernen wir in diesen Arbeitswelten auch über uns selbst: Für manche Menschen ist es großartig, mit vielen Menschen zu tun zu haben oder in der Gruppe zu arbeiten. Und andere finden sich als Einzelkämpfer*innen, etwa im Keller eines Archivs, gut zurecht.
Frau Schneider-Braunberger, vielen Dank für das Gespräch.
Das gesamte Interview findet Ihr hier: pdf.
Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere" findet Ihr hier, die vorherigen Interviews der Reihe sind hier verfügbar.