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Praktiker*innen im Gespräch Teil #26
::Außeruniversitäre Karrieren::
Praktiker*innen im Gespräch #Teil 26
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen im Sommersemester mit Historiker*innen und Sozialwissenschaftler*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Urs Ruf hat mit uns über seine Tätigkeit bei der Technologieberatungsstelle NRW beim DGB NRW e.V. (TBS NRW) gesprochen.
Abbildung 1: Urs Ruf
Herr Ruf, Sie haben 1999 an der Fakultät für Soziologie promoviert. Wenn Sie sich an den Einstieg in Ihren Beruf erinnern: Wie haben Sie den Einstieg gefunden?
Urs Ruf: Nach der Promotion war meine Jobsuche nicht einfach. Das war im Jahr 2000: Als die erste große Internetblase auf ihren Höhepunkt zusteuerte und wenig später platzte. Ich hatte eine Affinität zur IT und meine Theorie war: Wenn man lesen und schreiben kann, findet man im wachsenden IT-Sektor einen Job. Über Bekannte bin ich dann ins Gespräch gekommen mit einer IT-Firma, die schon länger als SAP-Beratung tätig war und damals ins Internetgeschäft einstieg. Ich wurde dort angestellt und habe mich dann ins IT-Geschäft reingefuchst. Also, ich habe mich nach der Promotion um 180 Grad gedreht, um in Lohn und Brot zu kommen.
Wie sind Sie zu Ihrer aktuellen Position gekommen?
Urs Ruf: Über eine Stellenanzeige in der Zeitung. Die TBS NRW hatte 2003 an ihrem Standort Bielefeld eine Position als Technologieberater für Betriebsräte ausgeschrieben. Da hab ich mich beworben und gesagt: Wenn die mich nicht nehmen, dann haben die den Schuss nicht gehört. Denn ich hatte mittlerweile gute IT-Beratungskenntnisse, einen sozialwissenschaftlichen Hintergrund, eine Berufsausbildung als Werkzeugmacher, Erfahrung bei der Arbeit in betrieblichen Interessenvertretungen und war Gewerkschaftsmitglied. Die Stelle wurde mir tatsächlich angeboten, und so bin ich zur TBS gekommen
Sie arbeiten für die Technologieberatungsstelle NRW beim DGB NRW. Wo arbeiten Sie genau?
Abbildung 2: Logo der TBS NRW
Urs Ruf: Die TBS NRW ist ein eingetragener Verein, der vom Arbeitsministerium NRW und vom DGB NRW getragen wird. Wir beraten betriebliche Interessenvertretungen: Betriebsräte, Personalräte oder – im kirchlichen Bereich – Mitarbeiter*innenvertretungen. Eine Angelegenheit, bei der ein Betriebsrat mitzubestimmen hat, ist die Einführung von IT-Systemen, die Verhaltens- und Leistungskontrolle von Arbeitnehmer*innen ermöglichen. Deshalb heißen wir Technologieberatungsstelle. Wir unterstützen Interessenvertretungen zum Beispiel dabei, herauszufinden: Wo ist Verhaltens- und Leistungskontrolle mithilfe des neuen technischen Systems möglich? Wie kann die Verhaltens- und Leistungskontrolle technisch oder organisatorisch so gestaltet werden, dass die Kontrolle nicht übermäßig ist? Und wie können Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite in dieser Sache Kompromisse miteinander finden? Andere Angelegenheiten betrieblicher Mitbestimmung sind zum Beispiel Arbeitszeit und Gesundheit. Wir beraten also auf der betrieblichen Ebene, insbesondere bei Konflikten zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Darüber hinaus organisieren wir Fachtagungen zu Themen wie psychische Belastung am Arbeitsplatz; oder auch Arbeitskreise, in denen Vertreter*innen aus verschiedenen Unternehmen derselben Branche zusammenkommen.
Sie leiten die Technologieberatungsstelle NRW. Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben?
Abbildung 3: Urs Ruf bei der Arbeit
Urs Ruf: Das kann ich mich jeden Morgen fragen. Wichtig ist vor allem, dass wir mit unseren Angeboten aktuelle Themen ansprechen, fachlich qualifiziert sind und das Ohr am Bedarf unserer Kund*innen haben. Dafür sind unsere Beschäftigten der entscheidende Faktor: Es ist wichtig, dass unsere Leute eine gute Arbeit haben; dass sie für ihre Arbeit gut qualifiziert sind; und dass das Betriebsklima gut ist. Als Leitung organisiere ich die internen Prozesse, mit denen an diesen Themen gearbeitet wird. Schließlich ist es eine meiner Aufgaben, die Vernetzung mit unseren Trägern und Partnern zu stärken. Das sind vor allem das Arbeitsministerium und die Gewerkschaften, aber auch Arbeitgeberverbände oder Forschungseinrichtungen, um nur einige zu nennen.
Welche Tipps haben Sie für Promovierende aus Soziologie und Geschichtswissenschaft, die sich für Ihr Tätigkeitsfeld interessieren?
Urs Ruf: Mein erster Tipp ist: Nehmen Sie Kontakt mit Leuten auf, die in der Beratung tätig sind! Der Kontakt mit den Leuten bietet zum Beispiel Gelegenheit, um herauszufinden, was mir an meiner beruflichen Tätigkeit wichtig ist: Der Kontakt mit Menschen? Oder vielleicht, dass ich etwas herstelle? Mein zweiter Tipp ist: Wenn man ein Faible dafür hat, in wechselnden Konstellationen unterwegs zu sein, dann kann Beratung das passende Tätigkeitsfeld sein. Man muss das mögen: Jeder Tag kann zu einer anderen Uhrzeit starten, führt an andere Orte. Und wenn man denkt: Jetzt haben wir hier ein längeres Projekt, dann kann es morgen auch schon wieder vorbei sein. Weil die Auftraggeber*innen sagen: Wir haben die Prioritäten geändert. Drittens will ich noch eine Erfahrung aus der Zeit kurz nach meiner Promotion teilen: Ich habe über Nomaden in Westafrika promoviert, um dann anschließend in einer ostwestfälischen Internetfirma zu arbeiten. Dort hatte ich Kolleg*innen mit Abschlüssen in Biologie, Theologie oder Physik. Also, ich würde sagen: Wenn man an der Uni gelernt hat, sich in Themen einzuarbeiten, dann kann man sich auch neue Tätigkeitsfelder erschließen. Vorausgesetzt, man erlaubt sich, zu sagen: Das war ein schöner Lebensabschnitt – und jetzt mach ich was Neues.
Herr Ruf, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulf Ortmann.
Das gesamte Interview findet Ihr hier:
Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere" findet Ihr hier, die vorherigen Interviews der Reihe sind hier verfügbar.