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Praktiker*innen im Gespräch Teil #22
::Außeruniversitäre Karrieren::
Praktiker*innen im Gespräch #Teil 22
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen im Sommersemester mit Historiker*innen und Soziolog*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Marc Ortmann hat mit uns über seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Referent des Stadtrats der Landeshauptstadt München gesprochen.
Abbildung: Marc Ortmann
Marc, Du promovierst am Institut für Soziologie in München und arbeitest für den Münchener Stadtrat. Wenn Du Dich an den Einstieg in Deine Tätigkeit beim Stadtrat erinnerst: Wie hast Du den Einstieg gefunden?
Marc Ortmann: Zu Beginn meiner Promotion habe ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter zunächst zwölf Monate an der LMU und dann sechs Monate an der Universität der Bundeswehr hier in München gearbeitet. Als meine Stelle an der Universität der Bundeswehr auslief und mir Arbeitslosigkeit drohte, habe ich mich in meinen Netzwerken umgehört und vielleicht auch von meinen Sorgen erzählt. Zu diesem Zeitpunkt, im März 2020, hatten hier in Bayern gerade Kommunalwahlen stattgefunden. Und mein ehemaliger Vertrauensdozent von der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat mich dann darauf hingewiesen, dass es wissenschaftliche Referent*innenstellen für den gerade gewählten Stadtrat geben wird. Daraufhin habe ich mich bei der gemeinsamen Fraktion DER LINKEN und Der PARTEI initiativ beworben. Da waren die Stellen noch gar nicht ausgeschrieben.
Du arbeitest für den Stadtrat der Landeshauptstadt München. Wo arbeitest Du genau?
Marc Ortmann: Die gewählten Parteien bekommen je nach Fraktionsgröße Stellen für wissenschaftliche Referent*innen zugewiesen. Wir sind ein Team, das von DER LINKEN und Der PARTEI zusammen gebildet wird: aus vier Stadträt*innen und fünf wissenschaftlichen Referent*innen. Hauptsächlich habe ich mit diesen Leuten, aus der eigenen Fraktion, zu tun. Eine Person von uns fünf Referent*innen ist die Geschäftsführung der Fraktion. Die anderen vier Referent*innen sind jeweils einer Stadträtin oder einem Stadtrat zugeordnet – und damit auf unterschiedliche Themen verteilt, weil die Stadträt*innen in unterschiedlichen Ausschüssen sitzen. Die Themen, die ich bearbeite, sind: Gesundheit, Arbeit und Wirtschaft, und IT.
Was sind die wichtigsten drei Aufgaben, die Du erledigst?
Marc Ortmann: Meine erste Aufgabe ist es, Anträge und Anfragen vorzubereiten, die die Fraktion in Ausschüssen oder in der Vollversammlung des Stadtrats stellt. Das können Anträge und Anfragen zu Themen sein, die wir initiieren. Das können aber auch Anträge und Anfragen sein, die wir in Reaktion auf die Arbeit anderer Stadtratsfraktionen formulieren. Meine zweite Aufgabe ist Pressearbeit. Also, wenn die Fraktion zum Beispiel über Monate ein Antragspaket zu Mietfragen schnürt, mache ich daraus eine Presseinformation. Es kann auch eine Stellungnahme zu einer Erklärung einer anderen Fraktion sein, die ich formuliere und an die Presse verschicke. Für eine solche Stellungnahme sind oft nur wenige Stunden Zeit. Meine dritte Aufgabe sind Recherchen für die Fraktion: Was passiert in der Stadtgesellschaft? Was machen die anderen Stadtratsfraktionen, was macht die Regierungskoalition in München? Welche kommunalpolitischen Probleme und Lösungen werden gerade in anderen Städten diskutiert?
Du arbeitest hauptberuflich für den Stadtrat und promovierst nebenberuflich. Wie kombinierst Du das?
Marc Ortmann: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es für die Arbeit an meiner Dissertation am besten ist, wenn ich mir zwei Wochen am Stück Zeit zum Schreiben nehme. Auf diese Zeit kann ich mich vorbereiten, und im Voraus entscheiden: Welche Punkte möchte ich in diesen zwei Wochen für meine Dissertation aufschreiben? Außerhalb dieser Schreibphasen gibt es aber auch viele Wochen, in denen ich nicht dazu komme, an der Dissertation zu arbeiten. Auch, weil ich im letzten halben Jahr Konferenzen besucht, Lehraufträge angenommen und fast jedes Wochenende daran gearbeitet habe, ohne an der Dissertation zu schreiben. Das war zu viel.
Welche Tipps hast Du für Kolleg*innen aus Soziologie oder Geschichtswissenschaft, die sich für eine Tätigkeit in Deinem Feld interessieren?
Marc Ortmann: Wenn man sich für politische wissenschaftliche Referent*innenarbeit interessiert, dann würde ich zum einen empfehlen, sich vorzustellen: An welchen politischen Auseinandersetzungen bin ich bei dieser Arbeit beteiligt? Welche Position würde ich in diesen Auseinandersetzungen vertreten? Was reizt mich daran? Und für welche Organisation würde ich diese Arbeit gerne machen? Zum anderen ist es hilfreich, mit Vereinen, Verbänden, Parteien, Gewerkschaften oder Stiftungen, die im avisierten Politikfeld tätig sind, Kontakt zu knüpfen. Vielleicht auch eine Initiativbewerbung zu schreiben. Denn über diese Kontakte werden auch Informationen darüber geteilt, wo zurzeit welche Referent*innenstellen mit welchen Inhalten geschaffen werden. Das sind Informationen, die über eine Recherche im Internet schwer zu beschaffen sind.
Marc, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulf Ortmann.
Das komplette Gespräch als PDF findet ihr hier:
Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere" sind (hier), die vorherigen Interviews der Reihe (hier) verfügbar.