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Praktiker*innen im Gespräch #Teil 21
::Außeruniversitäre Karrieren::
Praktiker*innen im Gespräch #Teil 21
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen im Sommersemester mit Historiker*innen und Soziolog*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Tina Denninger hat mit uns über ihre Tätigkeit als Beauftragte für Menschen mit Behinderung der Landeshauptstadt Potsdam gesprochen.
Abbildung 1: Tina Denninger Bild: Landeshauptstadt Potsdam / R. Schnabel
Frau Denninger, Sie haben 2015 in Soziologie promoviert. Wenn Sie sich an den Einstieg in Ihren Beruf erinnern: Wie haben Sie den Einstieg gefunden?
Tina Denninger: Zum Zeitpunkt, als ich meine Promotion abgeschlossen habe, hatte ich eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie in München. Auf dieser Stelle hätte ich auch habilitieren können. Ich bin allerdings damals von Berlin nach München gependelt, und habe mich dafür entschieden, in Berlin nach einer Stelle außerhalb der Uni zu suchen. Die Stelle habe ich auch schnell gefunden: als wissenschaftliche Mitarbeiterin im „Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft“ (IMEW). Das ist ein sehr kleines Institut: Neben meiner Chefin war ich die einzige wissenschaftliche Mitarbeiterin. Wir haben Drittmittelprojekte zur Teilhabe und Partizipation von Menschen mit Behinderung durchgeführt, und diese Projekte wurden zum Beispiel von der „Aktion Mensch“ gefördert.
Wie sind Sie zu Ihrer aktuellen Position gekommen?
Tina Denninger: Durch meine Arbeit beim IMEW habe ich einen guten Einblick bekommen: Was macht die Verwaltung, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu fördern? Und was muss die Verwaltung machen, um gesetzlichen Vorgaben dazu zu entsprechen? Um ein Beispiel zu geben: Viele Kommunen haben nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention Aktionspläne entwickelt, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Kommune zu verbessern – etwa Informationen auch in leichter Sprache zur Verfügung zu stellen oder Bordsteine abzusenken. Bei der Entwicklung dieser Aktionspläne haben wir viele Kommunen begleitet: Wir haben im IMEW solche Aktionspläne evaluiert. Wir haben aber auch Aktionspläne, vor allem für Bezirke in Berlin, entwickelt. Meistens sind es die Beauftragten für Menschen mit Behinderung, die diese Aktionspläne initiieren. Und meinen Vorgänger hier in Potsdam habe ich kennengelernt in einem Projekt zur Mitbestimmung für Menschen mit Behinderung in Einrichtungen der Behindertenhilfe und in Kommunen. So bin ich später dann auch darauf aufmerksam geworden, dass die Stelle als Beauftragte hier ausgeschrieben war.
Abbildung 2: Tina Denninger (Erste von links) bei der Arbeit
Sie arbeiten für die Landeshauptstadt Potsdam. Wo arbeiten Sie jetzt genau?
Tina Denninger: Die Position einer Beauftragten ist eine besondere. Einerseits bin ich Verwaltungsmitarbeiterin. Andererseits ist es ein politisches Amt: Ich bin von der Stadtverordnetenversammlung als Beauftragte für Menschen mit Behinderung für fünf Jahre gewählt. Als Beauftragte habe ich eine Stabstelle beim Oberbürgermeister und habe – auf einer Position außerhalb von Dezernaten – die Aufgabe, das Thema „Menschen mit Behinderung“ in die Arbeitsgebiete sämtlicher Dezernate einzubringen: in die Bildung, in den Sport, in das Bauen, genauso wie in Personalangelegenheiten.
Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben?
Tina Denninger: Erstens besteht meine Aufgabe darin, Strukturen in der Verwaltung zu verändern: mit dem Ziel, dass die Verwaltung besser für die Bürger*innen mit Behinderung arbeitet. Also, zum Beispiel indem sie barrierefrei bauen lässt. Zweitens ist es meine Aufgabe, mich mit Politik und Verwaltung, mit Verbänden, Einrichtungen der Behindertenhilfe oder auch kulturellen Institutionen zu vernetzen. Drittens beantworte ich Anfragen von Bürger*innen oder leite diese Anfragen weiter. Viertens werden Aufgaben von der Politik an mich herangetragen; etwa einen barrierefreien Stadtführer zu gestalten. Und schließlich initiiere ich auch selbst Vorhaben: Wir bewerben uns zum Beispiel gerade als Gastgeberstadt für die Special Olympics Deutschland. Das ist die Olympiade für Menschen mit geistiger Behinderung.
Welche Tipps haben Sie für Kolleg*innen aus Soziologie und Geschichtswissenschaft, die sich für Ihr Tätigkeitsfeld interessieren?
Tina Denninger: Ganz allgemein: Das zu tun, worauf man Lust hat. Ich habe mich lange von dem Gefühl leiten lassen: Ich kann nur Uni und ich kenn mich nur mit meinem Promotionsthema aus. Also, ich habe mich immer mit „Alter“ beschäftigt und dachte: Ich kann mich nur auf „Altersstellen“ bewerben. Letztendlich habe ich mich dann doch ausschließlich abseits meines Promotionsthemas beworben und die Erfahrung gemacht: Das hat nicht trotz, sondern aufgrund meines wissenschaftlichen Backgrounds geklappt. Sozusagen: Die Frau kann wissenschaftlich arbeiten; die ist Soziologin; die hat es geschafft, mit zwei Kindern zu promovieren – dann wird die es auch schaffen, sich in das Thema „Menschen mit Behinderung“ einzuarbeiten.
Frau Denninger, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulf Ortmann.
Das komplette Gespräch als PDF findet ihr hier:
Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere" sind (hier), die vorherigen Interviews der Reihe (hier) verfügbar.