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Praktiker*innen im Gespräch #Teil 19
::Außeruniversitäre Karrieren::
Praktiker*innen im Gespräch #Teil 19
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen im Sommersemester mit Historiker*innen und Soziolog*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Caterina Rohde-Abuba hat mit uns über ihre Tätigkeit für das Kinderhilfswerk „World Vision“ gesprochen.
Abbildung 1: Caterina Rohde-Abuba (erste Reihe, Erste von rechts) im Advocacy Team von World Vision Deutschland
Caterina, Du hast 2013 an der BGHS promoviert und arbeitest jetzt als Head of Research des Kinderhilfswerks „World Vision Deutschland“. Wenn Du Dich an den Einstieg in Dein Tätigkeitsfeld erinnerst: Wie hast Du den Einstieg gefunden?
Caterina Rohde-Abuba: Ich war nach Abschluss meiner Promotion an einer Fachhochschule beschäftigt, als mich ein head hunter angesprach und fragte, ob ich mir vorstellen kann, für ein Institut zu arbeiten, das im Wesentlichen in der Marktforschung tätig war. Das Institut führte allerdings auch Auftragsforschung zum Beispiel für die Bundesregierung durch. An der Hochschule war ich befristet angestellt. Das Marktforschungsinstitut bot mir dagegen sofort eine feste Stelle an. Und so ließ ich mich abwerben. Nach zwei Jahren in diesem Institut bin ich in Elternzeit gegangen, und wollte nach der Elternzeit mit 30 Stunden in der Woche wieder anfangen, dort zu arbeiten. Mein Arbeitgeber hat damals zu mir gesagt, er habe viele Mütter angestellt und sähe, dass sie schlechte Leistungen bieten. Wenn ich zurückkäme, dann nur in Vollzeit. Das war sein Angebot. Und dann kam genauso der Zufall ins Spiel wie bei der Anfrage des head hunters. Eine Freundin von mir fand zu genau diesem Zeitpunkt die Anzeige für meine jetzige Stelle und sagte, noch bevor ich überhaupt angefangen hatte, nach Stellen zu suchen: „Das würde doch genau zu Dir passen: World Vision, head of research, Kindheitsforschung.“ Kindheitsforschung war zwar nicht mein Themenschwerpunkt während der Promotion. Aber ich hatte vor meiner Elternzeit bei meinem ehemaligen Arbeitgeber eine Auftragsforschung für eine Wohnungsbaugesellschaft durchgeführt; zur Situation von Kindern und Jugendlichen im Märkischen Viertel. Das ist ein Wohnquartier hier in Berlin mit vielen Kindern in benachteiligten Lebenslagen. World Vision hat mir sofort eine dauerhafte Anstellung angeboten. Und seitdem bin ich mit der Stelle hier sehr glücklich.
Du arbeitest für das Kinderhilfswerk World Vision. Wo arbeitest Du genau?
Caterina Rohde-Abuba: World Vision Deutschland hat seinen Hauptsitz in Friedrichsdorf, in der Nähe von Frankfurt. Hier in Berlin ist die Abteilung Advocacy. Unsere Aufgabe ist, mit der Politik in Kontakt zu kommen. Als Head of Research gehöre ich zu dieser Abteilung, weil wir unsere Forschungsergebnisse im Gespräch mit Politiker*innen nutzen. Also, das Ziel meiner Forschung ist, Wissen für Advocacy zum Thema Kindeswohl und Kinderrechte aufzubauen. Das kann die Umsetzung von Kinderrechten betreffen, aber auch die Partizipation von Kindern an politischen Prozessen.
Was sind Deine wichtigsten Aufgaben bei dieser Tätigkeit?
Caterina Rohde-Abuba: Erstens ist es meine Aufgabe, unsere Forschung zu konzipieren und ein Netzwerk aus Kooperationspartner*innen herzustellen. Das sind einerseits Professor*innen, die uns beraten, und andererseits private Betriebe, die uns helfen, die Daten zu sammeln und auszuwerten. Zweitens ist es meine Aufgabe, Interviewleitfäden oder Fragebögen zu entwickeln, Teile der Interviews selbst durchzuführen und auszuwerten, und letztlich auch die Texte zu schreiben, die wir über unsere Untersuchungen veröffentlichen. Drittens veröffentliche ich unsere Ergebnisse auf Konferenzen und in wissenschaftlichen Artikeln. Sporadisch bin ich auch in die Advocacyarbeit eingebunden und nehme an politischen Veranstaltungen oder an Gesprächen mit Politiker*innen teil. Wir entwickeln mithilfe unserer Forschungsergebnisse politische Forderungen und tragen diese Erkenntnisse und Forderungen an die Politik heran.
Welche Tipps hast Du für Promovierende aus Soziologie oder Geschichtswissenschaft, die sich für Dein Tätigkeitsfeld interessieren?
Caterina Rohde-Abuba: Der NGO-Sektor ist zwar ein Arbeitsfeld, auf dem man den Doktortitel nicht unbedingt braucht, weil hier mit Geldern – zum Beispiel vom Auswärtigen Amt – gearbeitet wird, die man auch ohne Doktortitel beantragen darf. Was man aber braucht, ist erstens Felderfahrung in einem bestimmten Land oder einer Region, die für die jeweilige NGO relevant ist. Viele Promovierende in Soziologie und Geschichte haben solche Felderfahrung. Zweitens haben Promovierende oft mehr als eine Fremdsprache vorzuweisen, in der sie arbeitsfähig sind. Das ist im internationalen NGO-Sektor wichtig: neben Englisch eine zweite Fremdsprache zu beherrschen. Und drittens haben Promovierende nicht nur die Möglichkeit, sich mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen zu einer bestimmten Region auf Stellen zu bewerben, sondern können auch mit ihrer Expertise zu Themen, die für die jeweilige NGO relevant sind, punkten. Gesundheit, Klima oder auch Flucht sind in meinem Tätigkeitsfeld zum Beispiel gerade Themen, zu denen Expertise stark nachgefragt wird.
Caterina, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulf Ortmann.
Das komplette Gespräch als PDF findet ihr hier:
Weiterführende Informationen zu dem Projekt Außeruniversitäre Karriere sind (hier), die vorherigen Interviews der Reihe (hier) verfügbar.