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Praktiker*innen im Gespräch #12
:: Außeruniversitäre Karrieren ::
Praktiker*innen im Gespräch #Teil 12
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen im Sommersemester mit Historiker*innen und Soziolog*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Götz Frommholz hat mit uns über seine Tätigkeit für die "Open Society Foundations" gesprochen.
Götz Frommholz (Zweiter von links) auf dem "Internet Governance Forum" der Vereinten Nationen.
Götz, wenn Du Dich an den Einstieg in Deinen Beruf erinnerst: Wie hast Du den Einstieg gefunden?
Götz Frommholz: Den Einstieg habe ich während meiner Promotion gefunden. Ich bin nach meinem Diplom in Bielefeld nach Edinburgh gegangen und habe einen PhD gemacht in Soziologie. Dazu muss ich sagen: Ich war schon vor meinem Berufseinstieg politisch tätig, bin aus der aktiven Politik ausgeschieden, war aber immer noch politisch interessiert. Und ich habe damals in Edinburgh zusammen mit anderen Promovierenden überlegt: Wo gibt es in Deutschland eine Nische für Leute, die politisch interessiert sind und evidenzbasiert Politik beraten möchten? Wir haben gesehen, dass es damals einen großen Mangel gab an Organisationen, die sich außeruniversitär an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft im Bereich der politischen Partizipation engagiert haben. So haben wir 2012 einen Think Tank gegründet: dpart. Während meiner Promotion wurde mir dann immer klarer: Ich gehe zurück nach Deutschland. Aber wenn ich nach Deutschland gehe, gehe ich auf gar keinen Fall in die Wissenschaft, weil eine wissenschaftliche Karriere in Deutschland einfach nicht planbar ist. Ich hab mich dann entschlossen, unseren Think Tank in Deutschland aufzubauen, ein europäisches Netzwerk von Promovierenden zu koordinieren und in diesem Rahmen Forschungsprojekte durchzuführen. Wir haben zum Beispiel zusammen mit der University of Edinburgh zum schottischen Unabhängigkeitsreferendum geforscht, und ein briefing, das wir erstellt haben, ist tatsächlich auch die Grundlage gewesen für das schottische Parlament, das Wahlalter von 18 auf 16 runterzusetzen. Also, wir haben schon coole Sachen gemacht, und dpart gibt es immer noch. Aber ich hatte 2016 die Nase voll davon, Klinken zu putzen und immer wieder Förderung zu besorgen, und bin dann an die Humboldt Universität gegangen. Dort habe ich an der Humboldt Graduate School das Monitoring des wissenschaftlichen Nachwuchses gemacht. Das hat mich nochmal bestärkt, als ich dann die Zahlen gesehen habe: Wie unwahrscheinlich es ist, sich auf eine Professur zu bewerben und dann tatsächlich auch noch erfolgreich zu sein. Das habe ich zweieinhalb Jahre gemacht. Während der Zeit haben wir mit dpart ein weiteres Forschungsprojekt angefangen, und zwar in Kooperation mit den Open Society Foundations (OSF). Die Stiftung ist im Sommer 2018 aus Ungarn geflüchtet, wegen Orban und den Anti-Soros-Gesetzen, und nach Deutschland gezogen. Und dann haben mich Leute aus der Stiftung gefragt, ob ich mich nicht bewerben will auf eine Stelle als Policy Analyst hier in Berlin, für das neue Office. Ich hatte gerade meinen dritten Einjahresvertrag an der HU unterschrieben und habe mir gedacht: Okay, richtig dankbar ist der Laden auch nicht, ich probierʼs mal. Und ich habe den Job gekriegt. So bin ich da reingerutscht.
Du arbeitest für die "Open Society Foundations". Wo arbeitest Du genau?
Götz Frommholz: Offiziell arbeite ich für das Brüsseler Büro unseres Stiftungsnetzwerks: für das Open Society European Policy Institute. Für OSF bin ich aber hier in Berlin und bin der Analyst insbesondere für EU-Politik in Deutschland. Die Open Society Foundations: Das sind viele unabhängige Stiftungen und Programme, die gegründet worden sind von dem amerikanischen Philanthropen und Milliardär George Soros. Wir sind weltweit die größte private Stiftung, die Demokratie und Menschenrechte fördert. Es sind über 120 Länder, in denen wir aktiv sind und uns für Zivilgesellschaft, Menschenrechte und Demokratieförderung einsetzen.
Ein von Götz Frommholz moderiertes Webinar mit Michael Roth, Staatsminister für Europa, und Selmin Caliskan, OSF Direktorin für institutionelle Beziehungen OSF Berlin
Welche Tipps hast Du für Kolleg*innen aus Soziologie und Geschichte, die sich für einen Einstieg in Dein Tätigkeitsfeld interessieren?
Götz Frommholz: Also, ich denke: Wenn ich nicht den Willen gehabt hätte, in diesem Bereich zu arbeiten, dann wär ich dort nicht gelandet. Denn es ist eine lange Durststrecke gewesen, gerade auch als wir unseren eigenen Think Tank aufgebaut haben. Das bedeutete, viele, viele Klinken zu putzen. Ich war tatsächlich sieben Tage die Woche unterwegs und habe auf allen Hochzeiten getanzt, um Leute kennenzulernen. Zum anderen ist politische Kommunikation ja ein riesiges Feld: Man kann für NGOs, für Gewerkschaften oder etwa für den Industrie- und Handelskammertag arbeiten. Und deshalb ist es wichtig, sich genau zu überlegen und bewusst zu entscheiden, für wen man arbeiten möchte.
Götz, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulf Ortmann.
Das komplette Gespräch als PDF findet ihr hier:
Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere" sind (hier), die vorherigen Interviews der Reihe (hier) verfügbar.