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Praktiker*innen im Gespräch Teil #24
::Außeruniversitäre Karrieren::
Praktiker*innen im Gespräch #Teil 24
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen im Wintersemester mit Historiker*innen und Sozialwissenschaftler*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Christian Ulbricht hat mit uns über seine Tätigkeit als Leiter des Welcome Centers Greifswald gesprochen.
Abbildung 1: Christian Ulbricht
Christian, Du hast 2017 an der Fakultät für Soziologie promoviert. Wenn Du Dich an den Einstieg in Deinen Beruf erinnerst: Wie hast Du den Einstieg gefunden?
Christian Ulbricht: Ich habe nach der Promotion noch drei Jahre als Postdoc an der Uni gearbeitet, und muss rückblickend sagen: Für mich war die „Bayreuther Erklärung zu befristeten Beschäftigungsverhältnissen mit wissenschaftlichem Personal“ wegweisend. Diese Erklärung haben die Kanzler*innen der Universitäten Deutschlands im September 2019 veröffentlicht. Dass befristete Qualifizierungsphasen eine unverzichtbare Voraussetzung für die Universitäten sind, um für die Gesellschaft Hochqualifizierte zu produzieren, habe ich als Beleidigung empfunden, weil die Kanzler*innen damit den Anliegen von Promovierenden und Post-Docs überhaupt nicht entgegengekommen sind. Das war der Zeitpunkt, zu dem ich entschieden hab: Okay, ich muss hier weg. Wo geh ich hin? Ich geh nach Hause. In der Region, in der meine Eltern leben, habe ich mich für die demokratische Entwicklung eingesetzt. So habe ich im September 2020 angefangen, zunächst für eine zivilgesellschaftliche Organisation zu arbeiten, die sich hier in Vorpommern gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus engagiert.
Wie bist Du zu Deiner aktuellen Position gekommen?
Christian Ulbricht: Ich habe mich auf eine Ausschreibung beworben: auf die Stelle als Leiter im Welcome Center. Auf dieser Stelle arbeite ich jetzt seit März 2021.
Jetzt arbeitest Du für das Welcome Center Greifswald. Wo arbeitest Du genau?
Christian Ulbricht: Das Welcome Center ist Teil der „Gemeinnützigen Gesellschaft für Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung“ (ABS). Die ABS bietet zum Beispiel Qualifizierungsmaßnahmen für Geringqualifizierte an, arbeitet aber auch für qualifizierte und hochqualifizierte Beschäftigte. Die Aufgabe des Welcome Centers ist es, bei der Anwerbung von Fachkräften und Hochqualifizierten Unterstützung zu leisten. Finanziert wird das Welcome Center über die Stadt und den Landkreis Greifswald, über Unternehmenskooperationen und über Drittmittel, die wir für Projekte zusätzlich einwerben.
Du leitest das Welcome Center. Was sind Deine wichtigsten Aufgaben?
Christian Ulbricht: Wir unterstützen Unternehmen dabei, Fachkräfte und Hochqualifizierte in die Region zu holen: ein Drittel davon sind Leute, die hierhin zurückkehren; ein Viertel sind Internationale; und gut 40 Prozent kommen aus anderen Regionen Deutschlands her, auch aus Großstädten wie Hamburg oder Berlin. Meine erste Aufgabe ist es, gleichermaßen Personal- und Standortmarketing zu betreiben. Ich entwickle gerade ein Regiobranding für den Raum Vorpommern und Pommern, also für einen deutsch-polnischen Raum. Dazu veranstalte ich zusammen mit Kolleg*innen aus Stettin zum Beispiel eine digitale Jobmesse. Da präsentieren wir die Region, und Unternehmen präsentieren sich als potentielle Arbeitgeber. Meine zweite Aufgabe ist die Leitung des Teams: Meine Kolleg*innen bauen Kontakte zu Wohnungsbaugesellschaften, Botschaften und allen möglichen gesellschaftlichen Institutionen auf, um den Ankommenden das heimisch Werden zu erleichtern. Meine dritte Aufgabe ist, das Budget des Welcome Centers zu verantworten.
Welche Tipps hast Du für Promovierende aus Soziologie und Geschichtswissenschaft, die sich für Dein Tätigkeitsfeld interessieren?
Christian Ulbricht: Auf der einen Seite sage ich rückblickend: Auf das, was ich beim Promovieren gelernt habe, konnte ich beim Berufseinstieg vertrauen. Auf der anderen Seite erinnere mich noch gut daran, dass ich Angst hatte, als ich noch in der Uni beschäftigt war: Oh, hoffentlich finde ich überhaupt einen Job. Erst als mir klar war, dass ich aus der Uni raus wollte, tat sich ein riesiger Horizont auf: Wir haben in vielen Bereichen einen Fachkräfteengpass – und auch Hochqualifizierte sind knapp. Das habe ich erst erkannt, als ich mit meiner Unikarriere abgeschlossen hatte: Dass ich außerhalb der Uni gesucht werde. Und dann hatte ich auch keine Angst mehr. Ich kriege es jetzt auch hier im Welcome Center mit: Unternehmen bieten sehr viel, um gute Leute zu bekommen. Also, Greifswald zum Beispiel hat zurzeit eine Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit der Wende. Als ich vor 17 Jahren hier weggezogen bin, um zu studieren, war die Lage auf dem Arbeitsmarkt ganz anders.
Christian, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulf Ortmann.
Das komplette Gespräch als PDF findet ihr hier:
Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere" sind (hier), die vorherigen Interviews der Reihe (hier) verfügbar.