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Let's talk! Praktiker*innen-Gespräch #9
:: Außeruniversitäre Karrieren ::
Praktiker*innen im Gespräch #Teil 9
Viele Wege führen aus der BGHS. Aber wohin führen Wege nach der Promotion konkret? Wir sprechen im Wintersemester mit Historiker*innen und Soziolog*innen, die ihren Beruf außerhalb der Universität ergriffen haben. Karin Werner hat mit uns über ihre Tätigkeit als Verlegerin des Transcript Verlags gesprochen.
Karin Werner an ihrem Arbeitsplatz.
Karin, wenn Du Dich an die Anfänge von Transcript erinnerst: Wie ist die Idee entstanden, einen Verlag zu gründen?
Karin Werner: Also, die Idee lag schon lange in der Luft. Und Transcript war auch nicht das erste Unternehmen, das wir gegründet haben. Wir haben uns 1984 im Rechenzentrum der Uni kennengelernt: Roswitha Gost, Oliver Schönebäumer und ich. Roswitha und ich haben dort damals unsere Interviews transkribiert – damals hatte man noch keine PCs. Oliver hat Mathe studiert. Im Rechenzentrum waren die Plätze knapp und er wollte immer unsere Plätze haben. So haben wir uns kennengelernt. Es war so, dass wir alle unser Studium selbst finanzieren mussten; und Oliver war gerade dabei, zusammen mit einem Kommilitonen eine GmbH zu gründen. Ich brauchte Geld und habe gefragt, ob ich mitmachen kann. So fing das an, dass wir in dieser Firma unter anderem auch Buchsatz gemacht haben. Also, wir hatten Kontakt zu publizierenden Wissenschaftler*innen, und haben denen die Bücher gesetzt.
Zwischen 1990 und 1999 war ich dann zunächst mit einem Promotionsstipendium, später mit einem Habilitationsstipendium nochmal zehn Jahre an der Uni. Die GmbH und eine zweite Firma, die wir inzwischen gegründet hatten, liefen weiter. Nebenberuflich habe ich auch noch Musik produziert. 1999 gab es für mich eine Entscheidung: entweder eine Professur anzustreben oder die freelancer-Sachen intensiver zu betreiben. Ich habe mich entschieden, mit Roswitha und Oliver alle Eier in den Transcript-Korb zu legen. Und den Verlag, den wir 1997 als nunmehr dritte Firma und weitere Einnahmequelle gegründet hatten, zu professionalisieren. Also, wir hatten nie viel Geld – es reichte für uns – aber wir hatten sehr viel Know-how angesammelt. Auch wenn wirklich nicht alles von Erfolg gekrönt war.
Das ist die lange Vorgeschichte, von ein paar Youngsters, die 24 Jahre alt sind und ihre erste GmbH gründen. Ziemlich naiv. Die da aber auch lernen: Was heißt es, Kunden zu bedienen? Du musst Produkte entwickeln. Du musst eine Buchhaltung aufbauen. Du musst eine Firma als Finanzkonstrukt kennenlernen. Mit allen steuerlichen und rechtlichen Aspekten. Das war ab 1984 möglich – oder notwendig. 2000 haben wir dann aufgehört, auf vielen Töpfen zu kochen, und einen Cut gemacht: Wir haben Vertreter*innen akquiriert und eine professionelle Vertriebsstruktur aufgebaut; wir haben unsere ersten Praktikant*innen und unsere erste Vertrieblerin gewonnen. Und dann waren wir relativ schnell auf 50 oder 100 Neuerscheinungen im Jahr. Das ging dann relativ schnell.
Ein Blick auf die Webseite des Verlags.
Was haben der Transcript Verlag von vor 20 Jahren und der Transcript Verlag von heute gemeinsam?
Karin Werner: Transcript ist immer noch einer der ganz wenigen Verlage, die von Lektor*innen geleitet werden. Bei größeren Verlagen sitzen heute Betriebswirt*innen oder Kaufleute an der Spitze, und die Lektor*innen sind eher in der Position von Produktmanagern. Das heißt: Wir nehmen auch eine mäßige Kalkulation hin, wenn wir einen Titel unbedingt haben wollen und wenn wir meinen, dass der Titel für unser Programm und die wissenschaftliche Rezeptionsökologie gut ist. Das ist ein Zugang zum Publizieren, den es früher häufiger gab und der sehr selten geworden ist. Ich würde schätzen, dass 75 Prozent der Titel aus Anfragen an uns entstehen. Aber wir akquirieren auch Titel. Das heißt, wir regen Wissenschaft an und versuchen Wissenschaftler*innen davon zu überzeugen, dieses oder jenes Buch zu schreiben. Diese aktive Entwicklung des Programms ist, glaub ich, unser schlagendes Herz. Ich glaube nicht, dass man dabei immer nur Bestseller akquiriert. Aber davon werden wir nicht ablassen. Also, uns geht es gut, aber wir sind bescheiden.
Welche Tipps hast Du für Kolleg*innen aus Soziologie bzw. Geschichtswissenschaft, die sich für eine Karriere im Verlagswesen interessieren?
Karin Werner: Wenn man im Lektorat oder einer Programmabteilung arbeiten möchte, sollte man über die Fähigkeit verfügen, Texte schreiben, bearbeiten und lesen zu können. Man sollte keine Berührungsängste mit Software haben. Man sollte Deutsch und Englisch fließend in Wort und Schrift beherrschen. Was aber, glaub ich, für einen professionellen Werdegang generell wichtig ist: Dass man sich selbst und seine eigenen Arbeitsmethoden gut kennt. Zum Beispiel Leute, die wissen: Ich bin eher ein langsamerer aber auch ein gründlicher Typ – das sind die idealen Korrektor*innen. Um aber zum Beispiel eine gute Programmperson zu sein, musst Du dagegen die Fähigkeit haben, aus einer vorhandenen Menge an Büchern Ideen zu entwickeln. Oder: Ich kann gut teams organisieren und das macht mir Freude. Diese Fähigkeiten waren nach meiner Erinnerung in dem Graduiertenkolleg, in dem ich war, nie Thema. Und ich würde mir wünschen, dass diese Reflexion – diese Dinge liegen mir, jene nicht – in der Vorbereitung einer professionellen Laufbahn auch in der Universität mehr zur Sprache käme.
Karin, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Ulf Ortmann.
Das komplette Gespräch als PDF findet ihr hier:
Weiterführende Informationen zu dem Projekt "Außeruniversitäre Karriere":