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Dissertationspreis für Marius Meinhof
Marius Meinhof. Bild: Thomas Abel
Diese Dissertation ist herausragend – das ist das Urteil der Deutschen Gesellschaft für Soziologie über die Arbeit von BGHS-Alumnus Marius Meinhof: "Shopping in China. Dispositive konsumistischer Subjektivation im Alltagsleben chinesischer Studierender". Für die Dissertation, die er mit Summa Cum Laude abschloss, wird Marius Meinhof auf dem 39. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 26. September mit dem Dissertationspreis ausgezeichnet.
„Ich wollte erst gar nicht zu China promovieren“
„Ich war eigentlich in China, um die Sprache zu lernen und nicht um ein Thema für meine Promotion zu finden“, erzählt Marius Meinhof. Doch die neuen Eindrücke waren für ihn zu spannend, um sie liegen zu lassen. „Dann habe ich mich gefragt, welcher Zuschnitt soziologisch vielversprechend ist, und dabei gleichermaßen für Interessierte zugänglich bleibt, die sich mit China noch nicht so viel beschäftigt haben.“ So fiel die Wahl des Soziologen auf das Thema Konsumverhalten, weil Konsum als alltägliches Phänomen einen Zugang zum Alltagsleben der Menschen in China ermöglicht.
Für die theoretische Konzeption der Arbeit spielte ursprünglich die Idee der Diffusion eine zentrale Rolle: „Das ist die Idee, dass westliche Konsumpraxen oder –angebote sich nach China ausbreiten und dort von den Konsumenten lokal angeeignet werden“, so Meinhof. Für seine Forschung führte er Interviews mit chinesischen Studierenden. Die beschrieben ihm, was nach vielen soziologischen Theorien auch erwartbar war: Dass die traditionellen Marktstände und Straßenverkäufe verschwinden würden, weil es jetzt Shopping Malls gäbe, in denen die Menschen einkauften.
Schock bei der Auswertung
Erst als er wieder in Bielefeld war und mit der Auswertung der Forschungsreise begann, bemerkte er etwas Seltsames: Das, was die Studierenden ihm in den Interviews erzählten, passte nicht zu dem, was Meinhof mit ihnen erlebt hatte. „Mir fiel das erst beim Lesen meines Forschungstagebuchs richtig auf. Ich habe mich mit Studierenden getroffen, die mir im Interview davon berichtet haben, dass es keine Marktstände mehr gibt – nur um danach mit ihnen zusammen zu einem Marktstand zu gehen. Für mich war das ein doppelter Schock: Dass die Aussagen in den Interviews nicht zu meinen Beobachtungen passten – aber auch, dass mich die soziologischen Theorien, die ich kannte, nicht vor dem Fehler bewahrt haben, diese simplifizierenden Geschichten zu glauben.“
Dieser Bruch stellte auch das theoretische Fundament des Forschungsprojekts infrage. So musste Marius Meinhof neue Begriffe finden, um das Phänomen abzubilden. Dafür suchte er sich Unterstützung: „Ich bin quer durch Deutschland gereist, habe mich bei verschiedenen Soziologen in Kolloquien gesetzt, mein Problem vorgestellt, und die Leute gefragt, mit welchen Wörtern sie das Phänomen beschreiben würden.“
Startup-Programm half beim theoretischen Austausch
Auch an der BGHS nutzte er die Möglichkeiten zum Austausch – besonders die Internationalität war für ihn ein großer Vorteil, unter anderem durch das Startup-Scholar-Programm. Dieses ermöglicht internationalen MA-Graduierten, innerhalb von vier Monaten an der BGHS die Idee für eine Forschung zu einem Exposé auszuarbeiten. Die Diskussionen mit den StipendiatInnen hätten ihm sehr geholfen: „Die konnten mir von ähnlichen Erfahrungen berichten, dass Begriffe, die in westlicher Forschung geprägt sind, nicht immer passen, um Phänomene in postkolonial geprägten Ländern zu beschreiben.“
Der Austausch führte schließlich zur Lösung des Problems. Marius Meinhof entwickelte für seine Beschreibung der von ihm beobachteten Konsumpraktiken neue Begriffe, die ihm halfen, seine Beobachtungen in Worte zu fassen. „Die Arbeit hat mir auch klar gemacht, dass es für die Soziologie wichtig ist, gute Begriffe zu haben, die soziale Phänomene präzise benennen und sich nicht auf Simplifizierungen wie ‚Diffusion‘ oder ‚Modernisierung‘ auszuruhen.“
Weitere Informationen
Eine zusammenfassende Meldung der Universität finden Sie hier:
ekvv.uni-bielefeld.de/blog/uniaktuell/entry/personalnachrichten
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