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„No ‘laundry list’” – Wege zur Professur
„No ‘laundry list’” – Wege zur Professur
Berufswege in der Wissenschaft sind hochindividuell und viele Wege können zur Professur führen, aber ein Patentrezept gibt es nicht. Oder wie Karolina Barglowski es formuliert: „You will not hear like a ‘laundry list’, do A, B, C and you become a professor.” Natürlich geben die Bedingungen des Wissenschaftssystems den Rahmen für Berufswege vor, aber den eigenen Weg muss jede:r für sich selbst finden. Bei der Online-Veranstaltung „BGHS Alumni’s Experiences on the Way to a Professorship” im Mai berichteten vier BGHS-Alumni über ihre Wege und gaben wertvolle Tipps.
BGHS-Alumni im Gespräch mit BGHS-Koordinatorin Clara Buitrago:
· Gleb Albert, Assistenzprofessor für Neueste Allgemeine und Osteuropäische Geschichte an der Universität Luzern (Schweiz)
· Karolina Barglowski, Associate Professor für Sociology, Social Interventions and Social Politics an der Université du Luxembourg (Luxemburg)
· Yaatsil Guevara González, Juniorprofessorin für Migration and the Americas an der Universität Heidelberg (Deutschland)
· Mahshid Mayar, Vertretungsprofessorin für Anglistik an der Universität Mannheim (Deutschland) im Wintersemester 2023/24, derzeit Postdoktorandin an der Universität Bonn (Deutschland)
Für die vier BGHS-Alumni ist die Professur ein toller Job, auch wenn drei von ihnen noch keine unbefristeten Professuren oder Stellen haben. „It’s a very prestigious job with a variety of tasks, with a lot of autonomy”, meint Karolina. Ob es allerdings ein ‚Traumjob‘ ist, das steht auf einem anderen Blatt.
Gleb Albert: „Make stuff that is fun with friends”
Gleb Albert zum Beispiel hatte nicht den Traum, in Deutschland Professor zu werden, weil er davor zurückscheute, eine „Eier legende Wollmilchsau“ zu sein. Das heißt, ein Professor, der nicht nur Forscher und Lehrer, sondern auch Manager und damit eine Art ‚kleiner Boss‘ ist. Nach seiner Promotion in der BGHS hat er daher versucht, in einem anglophonen Land eine Stelle zu finden, und sich mehrfach in Großbritannien beworben. Tatsächlich ist er aber auf einer Postdoc-Stelle in der Schweiz gelandet und angesichts des Brexit heute froh darüber. Die Zeit in der Schweiz hat er gut genutzt:
„I did something that is completely counterintuitive for a professor. I completely changed my topic.”
Und so kam er von der osteuropäischen Geschichte zur Geschichte der Computerisierung. Das hieß aber auch, dass er sich ein komplett neues Thema erarbeiten und damit auch ein neues Netzwerk aufbauen musste. Das hat sich gelohnt. Mit diesem Thema hat er beim Schweizer Nationalfonds (SNF) eine Assistenzprofessur für fünf Jahre eingeworben mit dem ‚Sahnehäubchen‘, dass er die Denomination der Professur selbst bestimmen durfte. So arbeitet er seit September 2023 als Assistenzprofessor für Neueste Allgemeine und Osteuropäische Geschichte an der Universität Luzern.
Die Professur ist befristet und ohne tenure track. Das heißt, Gleb wird noch einige Zeit mit dieser Unsicherheit weiterleben müssen. Aber ihm sind die Möglichkeiten, die sich in der Wissenschaft bieten, wichtiger:
„For me the really important part of my academic career for the past almost 20 years was actually to make stuff that is fun with friends. This is also what academia is about. And if it was not, it would be a very sad place to be honest. […] There are many great, sympathetic, nice, awesome people who work in the same fields as you. ”
Und er empfiehlt, das gerade in der Promotionszeit zu genießen. Er selbst hat in dieser Zeit die wichtigsten und besten Freundschaften geschlossen. Man solle sich nicht ausschließlich mit der Dissertation beschäftigen, sondern sich breiter orientieren. „It’s good for your career, it’s fun and helps you to stay sane.”
Karolina Barglowski: “Stay who you are and see how far you get”
Karolina erzählt, dass sie während des Studiums und der Promotion, die sie, wie sie sagt, zum Glück an der BGHS gemacht hat, überhaupt nicht darüber nachgedacht hat, Professorin zu werden. Es hat sich aber im Lauf der Zeit herausgestellt, dass der akademische Beruf zu ihr passt.
„What is more important is if the job fits what you expect from a job. If you don’t want to commute or move a lot, then it’s probably not a good job for you, you know? You need to be honest with yourself. What kind of person are you and what kind of life do you want to lead?”
Und weil der akademische Beruf zu ihr passt, spielte auch die Unsicherheit des Berufswegs keine große Rolle für sie.
„The most important thing is if you can handle many years of insecurity. If you’re a person who is okay with that, go for it. If you begin to shake and to feel very bad because your contract is ending in five months and you think like I cannot handle this state of being for some more years I would think maybe it’s not the right job.”
Sie selbst hat sich nach der Promotion erfolgreich auf eine Juniorprofessur beworben und einige Jahre später auf ihre gegenwärtige Position als Associate Professor in Sociology, Social Interventions and Social Politics an der Université du Luxembourg.
Aus Karolinas Sicht ist es in der Promotionsphase wichtig zu forschen, an Konferenzen teilzunehmen, das System kennenzulernen. Dazu gehört auch, dass man lernt, wie man mit wem spricht.
„This is nothing natural, this is something that you learn. This is something that you learn while attending conferences, while maybe also observing how others do stuff. This is the time in life where you will have time to read. It will be good when you once become a professor that you have a solid foundation of readings in your past and in your back you can draw on.”
Sie macht Mut, indem sie darauf hinweist, dass man nicht von Vornherein den perfekten Karriereplan haben muss, sondern dass man die Kohärenz des Berufswegs herstellt.
“Pursuing an academic career is also about constantly creating consistency where there is no natural consistency. Everything that you have done needs by you to be brought into a coherent narrative.”
Auf ihrem Weg hätte ihr vor allem die Unterstützung anderer Frauen geholfen. Sie empfiehlt: „Stay who you are and see how far you get.” Und dann hat sie noch einen Rat speziell für Frauen: “Take care to have a partner who sees your job as important as his job!”
Yaatsil Guevara González: “Navigate the system”
Foto: Yaatsil Guevara
Für Yaatsil, die aus Mexiko stammt, spielte eine wichtige Rolle, dass sie auf einer Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin promovieren konnte. So war sie nicht isoliert, sondern Teil eines Projektteams und hat dort viel über das akademische Leben und System in Deutschland gelernt. „That gave me the possibility to navigate in different contexts at university.“
Ursprünglich wollte sie nach der Promotion nach Mexiko zurückkehren. „But life course is very, very different“, wie sie sagt. Sie hat eine Tochter bekommen und ist zunächst in Bielefeld geblieben. Wichtig für ihren Weg zur Professur war allerdings, dass sie auf eine Postdoc-Stelle an die Universität Mainz wechselte, weil solche Wechsel in Deutschland erwartet werden – anders als in Mexiko.
„In Mexico, it would be actually the opposite. That people would ask: ‘why is she actually changing a lot of jobs. This is not a good sign. Maybe she’s not that good.’”
Während ihrer Tätigkeit in Mainz hat sie nicht nur viele neue Leute kennengelernt, sondern auch ihre wissenschaftliche Expertise erweitert. Aus ihrer Sicht hat das dazu geführt, dass ihre Bewerbung auf die Juniorprofessur an der Universität Heidelberg erfolgreich war. Sie akzeptiert, dass ihre Professur keinen tenure track hat, und sagt:
„For me this uncertain path doesn’t play a huge role. Maybe because in Mexico, it’s very normal not to know if you hold your position for the next years.”
Yaatsil erscheint es wichtig, dass man nicht nur eine erfolgreich abgeschlossene Promotion vorweisen kann, sondern zeigt, welche Erfahrungen man darüber hinaus gemacht hat. Aus eigener Erfahrung empfiehlt sie, sich ein interdisziplinäres Netzwerk aufzubauen, Workshops zu organisieren, internationale Summer oder Winter Schools zu besuchen etc. Hilfreich sind aus ihrer Sicht insbesondere die kleineren Veranstaltungen, bei denen man ein detaillierteres Feedback zur eigenen Arbeit bekommt und intensivere Kontakte aufbauen kann. Sie berichtet auch über ihre positive Erfahrung bei der Linie 4, der öffentlichen Vortragsreihe der BGHS gemeinsam mit der VHS Bielefeld, die ihr die Gelegenheit gegeben hat, Erfahrungen in der Wissenschaftskommunikation zu sammeln.
„That was great because you’re not isolated in this academic bubble because as a professor you have also the responsibility to encourage the knowledge transfer in other types of audiences.“
Mahshid Mayar: “Situations of precarity”
Ein Promotionsstipendium der BGHS führte bei Mahshid dazu, dass sie sich für ihr Promotionsprojekt sowohl in der Amerikanistik, aus der sie ursprünglich kam, als auch in der Geschichtswissenschaft verortet hat. Die interdisziplinäre Orientierung hat sich ausgezahlt, denn ihr wurde im Anschluss an die Promotion direkt eine Postdoc-Stelle in der Amerikanistik an der Universität Bielefeld angeboten. Dort verfolgte sie zunächst ein Projekt zu Computerspielen, was sie spannend fand. Kurz bevor ihre Stelle in Bielefeld endete, wurde ihr allerdings von erfahrenen Kolleg:innen geraten, lieber ein etwas konventionelleres Projekt in der Amerikanistik zu verfolgen. Zu diesem Zeitpunkt, sie war etwa zehn Jahre an der Universität Bielefeld, hat sie sich erst mit den Bedingungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) auseinandergesetzt und ihr wurde klar, dass ihre Beschäftigungsmöglichkeiten auf befristeten Stellen nicht unendlich sind. Sie wechselte dann an die Universität Köln, vertrat für ein Semester eine Professur an der Universität Mannheim und nutzte diese Zeiten, um bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) einen Antrag für ein eigenes Forschungsprojekt zu stellen. Damit war sie erfolgreich und dieses Projekt führt seit Februar 2024 an der Universität Bonn durch.
Im Vergleich mit den drei anderen Alumni weist Mahshid stärker auf die Schwierigkeiten des akademischen Berufsweges hin. So fand sie das Pendeln von Berlin nach Mannheim während ihrer Zeit als Vertretungsprofessorin belastend. Dadurch hatte sie nur wenig Gelegenheiten, die Kolleg:innen kennenzulernen. Auch die Unsicherheit der akademischen Laufbahn stellte sie vor Herausforderungen. Denn neben der Vorgabe des WissZeitVG gibt es für Internationale weitere Hindernisse, die mit ihrem gesetzlichen Status zu tun haben. So kann man beispielsweise die deutsche Staatsangehörigkeit nicht beantragen, wenn man Sozialleistungen, etwa Arbeitslosengeld, bekommt.
„And that meant for me something existential. […] That was about what it meant for me having brought my husband to a different country. And all sorts of questions […] like: what might happen to us actually? And what does it mean for a migrant knowingly to put themselves in a situation of precarity more than academia itself is precarious?”
Mahshid gibt den internationalen Promovierenden sehr nachdrücklich den Rat: “Make sure to learn German if you want to have even five percent of a chance to get a tenured position.” Man bekomme zwar Postdoc-Stellen vielleicht auch ohne Deutschkenntnisse, aber keine Dauerstellen. Um an Gremiensitzungen teilnehmen zu können, brauche man Deutschkenntnisse. Und oft werde man schon in Vorstellungsgespräche etwas auf Deutsch gefragt.
„It’s difficult but the earlier and the faster you start the better for you. This is an investment in your career and also for your life.”
Und sie hat angesichts der Unsicherheit der akademischen Karriere noch einen zweiten Rat auf Lager: „Have serious well-thought-about alternatives in mind.”
Fazit: Flexibel bleiben
Die Erzählungen der vier BGHS-Alumni machen deutlich, dass man mit den Gegebenheiten der akademischen Laufbahn umgehen muss, wenn man diesen Weg einschlägt. Dabei hilft offensichtlich vor allem eins: flexibel bleiben. Auf dem Weg mag es nötig sein, den Forschungsbereich zu wechseln und den Arbeitsort, vielleicht sogar das Land. Und die Bereitschaft zu interdisziplinärem Arbeiten und internationalem Austausch ist ebenfalls wichtig. Das ist zwar kein Garant, dass es mit der akademischen Karriere klappt, aber es erhöht die Chancen enorm. Karolina beschreibt das so:
„There is this narrative: ‘it’s so improbable and it’s so contingent’ and this creates the image as if the people who become professors are there by accident. But I would say most of the professors I know are not by accident where they are.”