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Zentrum für interdisziplinäre Forschung

Nachruf: Franz-Xaver Kaufmann - Vordenker interdisziplinärer Forschung

Veröffentlicht am 12. Januar 2024, 10:56 Uhr

Über Interdisziplinarität wird viel gesprochen, praktiziert wird sie nicht ganz so oft. Und wenn, erschöpft sie sich oft in der Einleitung zu einem Sammelband. Denn ernst genommen hat sie durchaus ihre Herausforderungen. Niemand hat dies so klar gesehen und auf den Punkt gebracht wie Franz-Xaver-Kaufmann, Mitbegründer der Fakultät für Soziologie und Ehrensenator der Universität Bielefeld. „In der Praxis bedeutet Interdisziplinarität die Bereitschaft, auf zunächst ungesicherten Kommunikationsvoraussetzungen zusammenzuarbeiten, in ein Experiment mit unsicherem Ausgang einzutreten“ schrieb er. Und fügte hinzu: „Nicht jeder berühmte Wissenschaftler hält das aus.“

Kaufman hielt es aus, auch als langjähriger Direktor des Bielefelder Zentrums für interdisziplinäre Forschung (ZiF) und als Leiter der dortigen interdisziplinären Forschungsgruppe „Steuerung und Erfolgskontrolle im öffentlichen Sektor“, die 1981/82 unter anderem über die Lernfähigkeit in politischen Systemen arbeitete.

Der Sozial- und Wohlfahrtstaat blieb sein Thema, bis 1997 hatte er in Bielefeld den ersten Lehrstuhl für Sozialpolitik und Soziologie in Deutschland inne. Und auch am ZiF wirkten seine Arbeiten nach: So inspirierten und beförderten sie etwa eine Forschungsgruppe zur Sozialpolitik im Globalen Süden, die 2018 unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrike Davy und Prof. Dr. Lutz Leisering stattfand. „Franz-Xaver Kaufmanns Pionierarbeiten hatten sich vor allem auf europäische Entwicklungen konzentriert, in politisch-historischer und theoretischer Hinsicht. Die ZiF Forschungsgruppe hat seine Ansätze mit Blick auf Entwicklungen im Globalen Süden – am Beispiel Brasilien, China, Indien und Südafrika – fortgeschrieben. Kaufmann war und ist unverzichtbar für unsere Arbeiten“, berichtet Ulrike Davy.

 

 (Universität Bielefeld )

Nach wie vor hoch geschätzt sind am ZiF auch Franz-Xaver Kaufmanns Schriften über die Chancen und die Herausforderungen interdisziplinärer Arbeit. Denn genau so, wie er es beschrieben hat, geht es in den ZiF-Forschungsgruppen bis heute darum, einen Forschungsgegenstand von vielen Seiten zu betrachten und so die blinden Flecken, die die Zugriffe der einzelnen Disziplinen lassen, auszuleuchten. In Franz-Xaver Kaufmanns Worten: „Wenn es nunmehr gelingt, mehrere einzelwissenschaftliche Perspektiven so aufeinander zu beziehen, dass das Gemeinsame und Analoge ihrer Erkenntnisse in den Vordergrund tritt, so ergibt sich gleichzeitig auch ein Bild derjenigen Gesichtspunkte, die von den Einzelperspektiven vernachlässigt werden, deren Bedeutung jedoch für das Verständnis des Erfahrungsobjektes aus einer anderen fachwissenschaftlichen Perspektive deutlich zu machen ist.“

Am 7. Januar 2024 ist Prof. Dr. Dr. h.c. Franz-Xaver Kaufmann im Alter von 91 Jahren verstorben. Wir behalten ihn als wegweisenden Denker und ebenso freundlichen wie bescheidenen Menschen in Erinnerung. Unser Mitgefühl gilt seinen Angehörigen.  

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