Zentrum für interdisziplinäre Forschung
KI und Kunst: Aneignung, nicht Unterwerfung
Oldboy war da, aber doch nicht so ganz. Der Avatar des Düsseldorfer Künstlerduos Hedda Roman begrüßte in der letzten Woche die Besucher*innen des Vortrags „Alien Minds: Maschinelles Lernen und das Bild vom Menschen“. Noch allerdings sagt er nur, was ihm in den Mund gelegt wurde. Später einmal soll er frei sprechen, soll auf Menschen und ihre Fragen spontan reagieren. Dazu arbeiten Hedda Roman mit KI-gestützten Stimmmodellen und Videogeneratoren. Am ZiF stellten sie auf Einladung des Vereins der Freunde und Förderer in Kooperation mit dem Kunstverein Bielefeld ihre Arbeiten vor.
Hedda Roman, das sind Hedda Schattanik und Roman Szczesny. Sie leben in Düsseldorf, wo Hedda Schattanik als Meisterschülerin bei Andreas Gursky studierte und Roman Szczesny als Meisterschüler von Marcel Odenbach. In ihrer Arbeit verbinden sie Film, Literatur, Drama, Oper, Skulptur, Fotografie und Zeichnung mit bildgenerierenden Verfahren Künstlicher Intelligenz. So erschaffen sie immersive Videoinstallationen und computergenerierte Bilder – so wie Oldboy. Der Avatar changiert zwischen alt und jung, zwischen Mann und Frau und trägt dazu bei, fest verankerte Vorstellungen von Identität und Wahrheit in Frage zu stellen. Oldboy soll anregen darüber nachzudenken, was es heißt, zu fühlen und zu leben, soll gegen den Technodeterminismus helfen, der suggeriert, mit der Künstlichen Intelligenz komme eine Technologie unaufhaltsam über uns.
Ein zentrales Motiv, das in den Arbeiten von Hedda Roman immer wieder auftaucht, ist die Münze, in diesem Fall eine alte römische Goldmünze. Sie steht für die zahlreichen Entscheidungen, die bei der Arbeit mit den Bild- und Videogeneratoren getroffen werden müssen. Denn diese erstellen in Sekundenschnelle hunderte und tausende von Bildern, sie werden nie fertig und fordern den Menschen durch diese Menge und Vielfalt heraus, sich immer wieder zu entscheiden.
Eine römische Münze als Sinnbild. (c) Uni Bielefeld
In ihrem Vortrag konnte man beobachten, wie die Bilder und Szenen sich immer wieder verwandelten, kurz zu Ruhe kamen, um dann doch noch eine andere Gestalt anzunehmen. Man könne der Maschine beim Arbeiten zusehen, so die Künstler*innen. Und dabei leicht die Orientierung verlieren.
Umso wichtiger sei ein visuelles Ziel, damit man entscheiden könne, ob man künstlerisch auf dem richtigen Weg sei, so Hedda Roman. Sonst gehe man unter in der Vielfalte der Bilder und Sequenzen. „Entscheidungen sind wichtig, ästhetisch und inhaltlich. Was kann man steuern, was widerfährt einem? Wann sagt man: Das ist jetzt gut?“, fragten Hedda Roman. „Man muss ich eine Deadline setzten, sonst wird man nie fertig.“
Was ist für Künstler*innen überhaupt eine relevante Frage? Geht es darum, eine neue Technologie auszuprobieren? Mit Deep Fakes zu spielen? Oder steht eine inhaltliche Frage im Mittelpunkt? Für Hedda Roman ist die Antwort klar: Es geht um den Inhalt. Und darum, sich eine Technik anzueignen, ohne sich ihr zu unterwerfen. Denn Technik allein mache die Kunst nicht aktuell. Es sei wichtig, sich zu vergewissern: Warum mache ich das hier in dieser Zeit? Der KI-Hype verwässere das Thema, so die Künstler*innen.
Es gehe auch nicht darum, Werke zu produzieren, sondern Gedanken, die immer wieder umgeformt und neu gedacht werden müssen, so Hedda Roman. Dazu brechen sie ihre Arbeiten immer wieder auf, zerlegen sie und kombinieren sie neu. Es gehe darum, nicht in der Beliebigkeit zu versinken, nachzuspüren, was das immer wieder neu Kombinieren mit dem Betrachter macht, wann man das Gefühl habe, jetzt sei es richtig und wichtig.
Die beiden Künstler*innen berichteten von den besonderen Herausforderungen der Arbeit mit KI-Modellen: So brauche es eine Baseline für die Orientierung der Prompts, die den Systemen sagen, was sie tun sollen. Und eine Balance zwischen menschlicher und maschineller Kreativität. Die Intelligenz eines lernenden Systems sei die einer extremen Inselbegabung. Sie könne interessante Wege aufzeigen, aber kaum alleine stehen. Interessante Kompositionen müsse nach wie vor der mensch machen.
Hedda Roman mit Oldboy, (c) Uni Bielefeld
Dabei arbeiten sich die beiden durchaus an Phänomen aus dem alltäglichen Leben ab, so thematisierte etwa ein Gedicht, das der Avatar vortrug, die gestiegenen Strompreise und wie diese die Wahrnehmung der Welt verändern.Die Arbeiten von Hedda Roman sind zudem technisch bewusst niedrigschwellig gehalten, man benötigt keine 3D-Brille. Manchmal sind Bildschirme ganz unauffällig in scheinbare Gemälde oder Vorhänge integriert.
Ist KI kreativ? Wird sie dem Menschen auch das Schaffen von Kunst abnehmen? Der Vortrag von Hedda Roman zeigte deutlich: Es geht nicht darum, dass KI-Modelle nun anstelle der Menschen Kunst schaffen. Es geht darum, sich einer neuen Technik zu bedienen, um neue, eigene Ausdrucksmöglichkeiten zu finden.
Im nächsten Jahr werden Hedda Roman ihre Arbeiten im Kunstverein Bielefeld ausstellen.
Die seltsame Fantasie der Künstlichen Intelligenz, (c) Uni Bielefeld