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„Vernetzte Forschung und ein innovatives Studienangebot“
Interview mit Rektor Professor Dr.-Ing. Gerhard Sagerer zur Gründung der Medizinischen Fakultät
Wo soll das Gebäude stehen? Wie viele
Studienplätze wird es geben? Wie sieht der Zeitplan aus? Der Rektor beantwortet
Fragen zum aktuellen Stand der Planungen.
Professor Sagerer, der Koalitionsvertrag der neuen
Landesregierung wurde bereits im Juni unterschrieben. Darin ist
festgeschrieben: die Gründung einer Medizinischen Fakultät an der
Universität Bielefeld. Bislang haben Sie sich inhaltlich noch nicht dazu
geäußert. Warum?
… und wie ist der aktuelle Stand?
Selbstverständlich arbeiten wir seit dem Sommer intern unsere Ideen aus und führen viele Gespräche. Wir mussten aber auch erst einmal abwarten, bis sich die verantwortlichen Personen in Düsseldorf orientiert hatten – immerhin gibt es eine neue Landesregierung und das Thema Medizinische Fakultät ist ein zentrales für die neue Koalition. Wir wollten also wissen, ob und welche konkreten Vorstellungen es gibt. Die ersten Gespräche mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft sind positiv gelaufen. Die Verantwortung für die Konzeption liegt bei der Universität. Wir werden nun unsere Ideen detailliert ausarbeiten.
Die Neue Westfälische schrieb am 19. September, der ehemalige Präsident der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Dr. Oliver Herrmann, würde das Konzept für die Medizinische Fakultät erarbeiten. Ist das richtig?
Diese Meldung ist falsch. Richtig ist: Ich bin als Rektor inhaltlich verantwortlich. Auch führe ich die Gespräche mit dem Ministerium und den Krankenhäusern. Für die strukturellen Aufgaben ist der Kanzler zuständig. Wir haben bereits in unserer Klarstellung zum NW-Artikel formuliert: Die Universität Bielefeld wird mit eigenem Personal die Planungen betreiben und das Konzept erstellen. Wir werden Strukturen schaffen, neue Gremien einrichten und auch kurzfristig Personal einstellen. Das Konzept wird das Rektorat intern mit den Fakultäten, Einrichtungen und Gremien diskutieren, Anregungen werden aufgenommen. Das Konzept wird Grundlage für die notwendigen politischen Entscheidungen der Landesregierung sein. Punktuell werden uns externe Expertinnen und Experten unterstützen und beraten, unter anderem auch Oliver Herrmann, den ich sehr schätze. Er verfügt aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Kanzler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel über Kenntnisse von Strukturen und Konzepten von Medizinischen Fakultäten. Übrigens: Ich bin sehr froh, dass wir intern eine ausgewiesene Expertin haben, die als Gründungsbeauftragte des Rektorats sich ebenfalls intensiv einbringen wird.
Können Sie schon sagen, wer das ist?
Wir haben Dr. Claudia Hornberg, Professorin für Umwelt und Gesundheit in der Fakultät für Gesundheitswissenschaften, für diese Aufgabe gewonnen. Sie ist Medizinerin und eine sehr gute Kennerin des Faches und der Medizinstrukturen in OWL und darüberhinaus.
Die Landesregierung will – so hieß es im Rahmen der Koalitionsverhandlungen – rund 50 Millionen Euro jährlich für die Fakultät zur Verfügung stellen. Reicht das?
Eine Entscheidung über das Budget ist noch nicht gefallen. Wir gehen davon aus, dass für den laufenden Betrieb – inklusive der zusätzlichen Serviceleistungen und einem Ausbau der Verwaltung – eine solche Summe reichen kann. Das muss aber nun noch detailliert geplant und mit dem Wissenschaftsministerium abgestimmt werden. Darüber hinaus sind einmalig zusätzliche Mittel für Planung, Aufbau, Gebäude und Infrastruktur notwendig. Wichtig ist: Wir planen – bezogen auf den klinischen Teil – ein Modell, bei dem wir mit Kliniken kooperieren. Ähnliche Modelle gibt es in Bochum oder in Gießen. Ein eigenes Universitätskrankenhaus werden wir nicht betreiben. Anders beispielsweise als die neue Medizinische Fakultät in Augsburg.
Wie hoch werden die angesprochenen Investitionskosten sein?
Das können wir heute noch nicht sagen. Klar ist: Wir benötigen ein zusätzliches Gebäude, brauchen Investitionen in den Grundlagenfächern – insbesondere Biologie, Physik und Chemie, Gesundheitswissenschaften – und müssen Bibliothek und Rechenzentrum ausbauen. Übrigens: Auch die kooperierenden Kliniken werden in Lehrräume und Ähnliches investieren müssen, denn dort wird die klinische Lehre stattfinden.
Wo soll das Gebäude entstehen?
Wir wollen das Gebäude im Bereich der aktuellen Parkhäuser bauen. Die wegfallenden Parkplätze würden dann in Tiefgaragen unter dem Gebäude ersetzt. Auf dem Campus Nord besteht aktuell kein weiteres Baurecht.
Wie sieht der Zeitplan aus? Wann studieren in Bielefeld die ersten Menschen Medizin?
Wir streben einen Studienstart 2021/2022 an – dann sowohl für „Erstsemester“ als auch für Hochschulwechslerinnen und -wechseler, die das klinische Studium in Bielefeld fortsetzen wollen. Dafür müssen wir bereits im kommenden Jahr entscheidende Schritte gehen – beispielsweise bezogen auf die Studienstruktur, die Ausschreibung der Kooperationskliniken oder die Begutachtung durch den Wissenschaftsrat.
Und was sind konkret die nächsten Schritte?
Wir werden noch in diesem Jahr die Projektstruktur und die Prozesse festlegen. Ebenfalls noch in diesem Jahr wollen wir mit der Bauplanung für das notwendige Gebäude, gegebenenfalls für eine Interimsunterbringung, beginnen. Auch mit der Studienstruktur müssen wir vorankommen. Im kommenden Jahr soll die Ausschreibung für die Kliniken auf den Weg gebracht werden – ein Jahr später wollen wir die Verträge schließen. Ab circa Mitte 2018 soll das Gesamtkonzept stehen und dann vom Wissenschaftsrat begutachtet werden.
Wie viele Studierende werden hier Medizin studieren?
Wir gehen im Endausbau von bis zu 300 Studienplätzen pro Jahr aus.
Wie stellen Sie sicher, dass der Aufbau und Betrieb der neuen Fakultät nicht zu Lasten der anderen Fakultäten geht?
Das ist mir ein ganz wichtiger Punkt. Ich habe immer gesagt, dass die Medizin in Gänze zusätzlich finanziert werden muss.
Die
Universität Bielefeld hat das Selbstverständnis, eine forschungsstarke
Universität zu sein. Ist das auch der Anspruch an die Medizin? Was
werden die inhaltlichen wissenschaftlichen Schwerpunkte sein?
Selbstverständlich
werden wir auch bei der Medizin Wert legen auf starke Forschung. Wir
wollen dafür die neue Fakultät eng an andere Forschungsbereiche unserer
Universität anbinden. Und dafür gibt es beispielsweise in den
Gesundheitswissenschaften, der Psychologie, der Biologie, der Biochemie,
der Biotechnologie oder der Informatik vielfältige Ansätze. Wir haben
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an unserer Universität, die
bereits an medizinischen Fragestellungen forschen, bislang noch in
Kooperation mit Standorten in OWL und darüber hinaus.
Ein
eigenes Krankenhaus wird es nicht geben. Sie folgen dem Modell der
Ruhr-Universität Bochum: Kooperation mit Kliniken. Wie genau werden
diese Kooperationen organisiert?
Die Fakultät muss alle
Felder der Approbationsordnung abdecken. Wir gehen als Ausgangsbasis
aktuell von circa 24 Kliniken aus, mit denen wir kooperieren werden.
Wichtig: nicht mit Krankenhäusern, sondern mit Kliniken, das heißt
Fachabteilungen von Krankenhäusern. Dafür wird es Ausschreibungen geben.
Das Kooperationsmodell gibt es übrigens nicht nur in Bochum, sondern
unter anderem auch in Gießen.
Was müssen die Kliniken mitbringen?
Wir
suchen forschungsstarke Kliniken mit Lehrerfahrung. Wir erwarten zudem
eine Bereitschaft für eine innovative Medizinausbildung. Die Universität
und die Fakultät müssen die Qualität in Forschung und Lehre
sicherstellen. Die Kliniken bleiben selbstverständlich für die
Patientenversorgung und den klinischen Betrieb verantwortlich und werden
diesen auch weiter finanzieren. Ich halte es für wahrscheinlich, dass
sich Krankenhäuser mit mehreren Kliniken bewerben. Es sind auch
kooperative Bewerbungen von mehreren Kliniken unterschiedlicher Träger
möglich.
Und wer beruft die Universitätsprofessorinnen und -professoren?
Die
Professorinnen und Professoren beruft grundsätzlich die Universität
nach unseren akademischen Verfahren. So wie wir es auch in anderen
Berufungsverfahren tun.
Das gilt auch für die klinischen
Professorinnen und Professoren – hier selbstverständlich in Einvernehmen
mit den Trägern der Kliniken.
Wird es Kooperationen nur mit Bielefelder Kliniken geben?
Nein,
nicht grundsätzlich. Wir wollen die Kliniken, mit denen wir – in
Anknüpfung an bestehende Forschungsschwerpunkte – die beste Forschung
und eine innovative Ausbildung der Studierenden realisieren können.
Dafür können sich Krankenhäuser aus ganz OWL mit ihren Kliniken auf
unsere Ausschreibungen bewerben. Die Anforderungen müssen wir in den
kommenden Monaten formulieren.
Sie sprachen gerade von „innovativer Medizinausbildung“. Wie soll das Studienangebot aussehen?
Wir
haben in Bielefeld schon immer den Anspruch, innovative Lehrangebote zu
machen. Das gilt auch für die Medizin. Es ist allerdings noch zu früh,
hier ins Detail zu gehen. Dazu sind noch Gespräche mit dem Ministerium
notwendig. Und: Wir werden auch den Wissenschaftsrat involvieren, er
wird das Konzept begutachten.
Wir haben als Universität einen hohen
Anspruch an unsere Wissenschaft – dieses Prinzip der
„Wissenschaftlichkeit in der Ausbildung“ wird auch der Maßstab bei der
Konzipierung unseres Lehrangebots sein. Angestrebt wird, wie in der
Forschung, eine enge Verzahnung mit vorhandenen Disziplinen der
Universität Bielefeld.
Wie stellen Sie sicher, dass hier
tatsächlich Hausärztinnen und Hausärzte ausgebildet werden, die auch in
der Region bleiben? Immerhin ist das der Auftrag aus Düsseldorf…
Wir
wollen unser Studium so ausrichten, dass auch ein Schwerpunkt in der
Allgemeinmedizin liegt. Wir glauben, dass man den Blick auf die späteren
Aufgaben lenken muss und die Allgemeinmedizin auf die Herausforderungen
des 21. Jahrhunderts ausrichten sollte. E-Medizin,
Patientenkommunikation oder individualisierte Medizin sind hier nur drei
Stichworte. Damit stellen sich auch spannende Fragestellungen in der
Forschung, für die es exzellente Anknüpfungspunkte in unserer
Universität gibt. Wir wollen eine innovative zukunftsweisende
Ausbildung, die den Beruf attraktiv macht. Wichtig ist zudem, dass die
Studierenden bereits früh und intensiv Kontakt zum Beruf des Hausarztes
bekommen. Dafür bauen wir ein enges Netzwerk mit allgemeinmedizinischen
Praxen in ganz OWL auf. So soll auch der „Klebeeffekt“ maximal wirksam
werden.
Wie werden die Fakultäten und Einrichtungen in die Planungen einbezogen?
Wir
werden unsere grundsätzlichen Überlegungen in den kommenden Wochen und
Monaten intern vorstellen und diskutieren. Dafür sind die Dekaninnen und
Dekane die zentralen Ansprechpersonen. Aber auch mit anderen Gremien
wird Austausch stattfinden. Ich wünsche mir, dass sich unsere
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Gedanken machen: Wo sind
spannende Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschungsaktivitäten mit der
Medizin?
Wie sehr belastet das Projekt „Aufbau Medizinische Fakultät“ die Verwaltung? Es gibt noch ein paar andere Projekte…
Das
ist definitiv sehr anspruchsvoll und bedeutet für die Beschäftigten,
die in der Aufbauphase zusätzliche Aufgaben übernehmen, eine
Herausforderung. Dafür werden wir zur Entlastung aber sehr schnell
Personal einstellen, für das wir vom Land auch die notwendigen Mittel
erhalten. Auch werden wir uns punktuell durch externe Expertinnen und
Experten unterstützen lassen.
Wenn wir Sie in zwanzig Jahren noch einmal auf die Medizinische Fakultät ansprechen, was wünschen Sie sich dann für ein Fazit?
Meine
Vision: Die Medizinische Fakultät ist ein fester und
selbstverständlicher Bestandteil der Universität Bielefeld. Sie ist in
Lehre und Forschung hochvernetzt mit anderen Fächern. Interdisziplinäre
Forschergruppen betreiben medizinische Forschung auf Spitzenniveau und
Absolventinnen und Absolventen aus Bielefeld sind wissenschaftlich
bestens ausgebildet. Und: Viele unserer Medizinerinnen und Mediziner
bleiben als Ärzte in der Region.