uni.intern
„Veränderung aktiv gestalten“
Interview mit Rektor Gerhard Sagerer zum aktuellen Strategieprozess
Herr Sagerer, das Rektorat hat mit einem Strategiepapier eine universitätsinterne Debatte über die zukünftige Ausrichtung und Steuerung der Universität Bielefeld ausgelöst. Warum diese Initiative? Die Universität Bielefeld ist doch eine erfolgreiche Universität, wie unlängst beispielsweise auch das renommierte Times Higher Education Ranking festgestellt hat.
Prof. Dr.-Ing. Gerhard Sagerer: Es ist richtig: Die Universität Bielefeld steht durchaus gut da, ist in einigen Bereichen sehr erfolgreich. Dennoch ist diese Strategiedebatte nötig, denn die Konkurrenzsituation hat sich deutlich verschärft. Andere Universitäten holen auf beziehungsweise ziehen an uns vorbei. Das Land vergibt einen Teil seiner gedeckelten Mittel nach Leistung, das heißt: Die erfolgreichen Hochschulen erhalten auf Kosten der weniger erfolgreichen mehr Ressourcen. Selbst wenn wir uns beständig verbessern, können wir dabei – wenn die anderen sich noch stärker verbessern – am Ende Finanzmittel verlieren. Zudem werden Drittmittel immer mehr zu einem entscheidenden Faktor der Hochschulfinanzierung. Das Rektorat will frühzeitig wichtige Weichen für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Universität Bielefeld stellen.
Im Zusammenhang mit dem Strategiepapier hört man Sorgen, zum Beispiel die, dass die skizzierten Maßnahmen das Gesicht unserer Universität ändern würden? Wie gehen Sie mit dieser Sorge um?
Veränderungen, die ja nicht per se schlecht sein müssen, wird es angesichts der hochschulpolitischen Entwicklungen in jedem Fall geben. Dass sich das „Gesicht der Universität“ grundsätzlich und in negativer Weise verändern könnte, steht vor allem dann zu befürchten, wenn wir nichts tun und dann Gefahr laufen, im Wettbewerb der Hochschulen nicht erfolgreich zu sein. Um möglichst viel von ihren positiven Merkmalen zu bewahren und ihre Stärken ausbauen zu können, wird die Universität ihre Strategiebildungs- und Steuerungsprozesse stärken müssen. Die Universität Bielefeld hat das Potenzial, die eigene Position zu behaupten und noch besser zu werden. Ich möchte, dass wir die notwendigen Veränderungen aktiv gestalten und nicht in einer reagierenden Rolle zu Entscheidungen gezwungen werden. Dafür brauchen wir aber Mut.
Wie wollen Sie die Universität Bielefeld für diesen Wettbewerb rüsten?
Wir brauchen Veränderungen. Dafür muss das Rektorat einerseits in der Lage sein, zentral Entwicklungen zu initiieren und zu unterstützen. Anderseits wollen wir Anreize schaffen, dass auch in den Fakultäten zukunftweisende Entwicklungen angestoßen werden.
Und dabei spielt die Mittelverteilung eine entscheidende Rolle?
Ja, aus unserer Sicht kommt einer leistungs- und strategieorientierten Mittelverteilung eine wesentliche Rolle zu. Dafür benötigen wir ein neues Modell zur internen Mittelverteilung.
Das aktuelle Modell entspricht dem nicht?
Die aktuelle Mittelvergabe ist historisch gewachsen. Wir wollen notwendige Bedarfe decken, aber auch neue Anreize bieten. Dafür reichen die zurzeit zur Verfügung stehenden Instrumente nicht mehr aus.
Werden die Fakultäten zukünftig ungleich behandelt?
Nein. Bei der Entwicklung eines neuen Mittelverteilungsmodells geht es im Gegenteil gerade darum, für alle Fakultäten faire und gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen. Die Grundlage dafür sollen Kriterien und Indikatoren sein, mit deren Hilfe wir einerseits die Belastungen der Fakultäten beschreiben, anderseits ihre Leistungsfähigkeit abbilden.
Zählt zukünftig nur noch Forschung? Gerät die Lehre in einem solchen Modell unter die Räder?
Das schließe ich ganz deutlich aus! Bei einem neuen Mittelverteilungsmodell muss es gerade darum gehen, Belastungs- und Leistungsindikatoren sowie innovative und strategisch bedeutsame Projekte in Forschung und Lehre ausgewogen zu berücksichtigen. Diese Maxime wird bei der Definition von Kriterien und Indikatoren für das Modell eine zentrale Rolle spielen.
Werden in dem zukünftigen Verteilungsmodell Forschung und Lehre entkoppelt?
Nein. Das Rektorat hält eine strukturelle Entkopplung von Forschung und Lehre nicht für sinnvoll. Als forschungsstarke Universität mit einem hohen Qualitätsanspruch in der Lehre sollten wir – je nach Studienphase und Studiengangstyp in unterschiedlicher Akzentuierung – an einem engen Wechselbezug zwischen Forschung und Lehre festhalten. Bei der Entwicklung eines neuen Mittelverteilungsmodells geht es in diesem Punkt ausschließlich darum, Forschung und Lehre im Hinblick auf Belastungen und Leistungen, Kosten und Erträge getrennt voneinander betrachten zu können.
Die Kultur des Hauses ist bislang geprägt von Konsens und Miteinander. Besteht nicht die Gefahr, dass eine leistungs- und strategieorientierte Mittelvergabe dies gefährdet?
Diese Sorge nehme ich sehr ernst. Die zentrale Herausforderung wird darin bestehen, ein Modell zu entwickeln, das eine relevante Steuerungswirkung entfaltet und gleichzeitig zur Kultur des Hauses passt. Zur Kultur der Universität gehören aus meiner Sicht neben der Konsensorientierung auch eine Offenheit für notwendige Veränderungen, eine hohe Leistungsbereitschaft sowie eine positive Haltung zu Wettbewerb bei fairen Ausgangsbedingungen. Und: Nach meiner Beobachtung teile ich mit vielen das Ziel, dass die Universität Bielefeld auch in Zukunft zum oberen Viertel der besten deutschen Universitäten gehören soll.
Kritiker unterstellen dem Rektorat, bereits ein fertiges Modell in der Schublade zu haben. Die aktuellen Diskussionen seien „Nebelkerzen“.
Wir haben selbstverständlich unsere Vorstellungen, haben sie im Strategiepapier formuliert. Befürchtungen, es gebe eine „Katze im Sack“, widerspreche ich entschieden. Wir diskutieren unsere Vorstellungen universitätsintern an verschiedenen Stellen und entwickeln sie beständig weiter. Wir nehmen unsere Gremien bei dieser zukunftsweisenden Debatte sehr ernst. Wir tauschen uns mit Senat und den zentralen Kommissionen aus. In diesen Gremien sind alle Statusgruppen vertreten. Mit den Dekaninnen und Dekanen sind wir in enger Abstimmung. Die in den Diskussionen formulierten Fragen, Sorgen und Vorschläge reflektieren wir und sie fließen ein in den weiteren Prozess. Dadurch entsteht eine Parallelität zwischen den Beratungen in den Kommissionen und denen des Rektorats.
Wann soll das Modell stehen?
Wir haben einen ambitionierten Zeitplan und fordern den Gremien und Kommission dabei auch sehr viel ab. Die Universität Bielefeld hat aber auch keine Zeit mehr zu verlieren. Wir brauchen eine so richtungsweisende Entscheidung besser früher als später – nehmen uns selbstverständlich aber die notwendige Zeit. Ich hoffe, dass wir Anfang 2014 ein Modell vorliegen haben. Ich danke den beteiligten Gremien und Kommissionen an dieser Stelle ganz herzlich für ihr bisheriges und zukünftiges Engagement.
Hier geht es zum Strategiepapier.