uni.intern
„Mit den Erfolgen im Wettbewerb um die Sonderforschungsbereiche sind wir sehr gut für die Exzellenzstrategie aufgestellt“
Martin Egelhaaf: Ich habe mich riesig gefreut. Dass sich alle drei SFB-Anträge durchsetzen konnten, ist ein großartiger Erfolg. Es zeichnete sich zwar vorher schon ab, dass die zwei SFBs, für die es um die Verlängerung ging, hervorragende Bewertungen für ihre Teilprojekte bekommen würden. Jeder SFB hatte dafür seine Arbeit internationalen Gutachter*innen vorgestellt. Doch auch bei ausgezeichneter Bewertung gibt es keine Garantie, dass ein SFB auch tatsächlich verlängert wird. Die Universitäten stehen in einem harten Wettbewerb um die Sonderforschungsbereiche. Dass neben den zwei bestehenden Verbünden ein neuer Transregio genehmigt wurde, ist auch vor diesem Hintergrund eine besondere Leistung. Ich freue mich mit allen Wissenschaftler*innen, die über Monate an den Anträgen gearbeitet und die Präsentationen zu den Teilprojekten vorbereitet haben.
Sonderforschungsbereiche befassen sich mit Grundlagenforschung, oft verbunden mit der Orientierung an mögliche Anwendungen. Welche Perspektiven sehen Sie bei dem neuen SFB und den beiden jetzt verlängerten SFBs?
Martin Egelhaaf: Alle Sonderforschungsbereiche an der Universität Bielefeld befassen sich mit Herausforderungen, für die Wissenschaft und Gesellschaft differenzierte Antworten und Lösungskonzepte brauchen. Der Transregio 318 greift Künstliche Intelligenz als zukunftsträchtiges Thema auf, befasst sich aber nicht einseitig mit der Informatik für KI, sondern fördert die aktive Teilnahme von Menschen an soziotechnischen Systemen. Es geht darum, die Mensch-Maschine-Interaktion zu verbessern und die zugrunde liegenden Algorithmen verständlich zu machen. Den Sonderforschungsbereich 1283 macht besonders, dass er mathematisch ausgerichtet ist und Konzepte und Theorien zu Unsicherheit, Zufall und Unordnung entwickelt. Damit sollen bislang ungelöste Probleme in den Wirtschafts- und Naturwissenschaften angegangen werden. Der Transregio 211 widmet sich einer großen Frage der Physik: Wie interagiert Materie unter Extrembedingungen? Durch die Forschung des SFB lassen sich etwa Vorhersagen für die Astrophysik und Kosmologie machen.
Und wie ordnen sie beiden weiteren SFBs der Universität Bielefeld ein?
Martin Egelhaaf: Beide SFBs kommen zu Ergebnissen,
die dazu beitragen, aktuelle wie auch frühere Entwicklungen besser zu
verstehen. Der Sonderforschungsbereich 1288 greift ein Phänomen auf, das
unser Leben mitbestimmt: Es geht um Praktiken des Vergleichens. Diese
Forschung klärt zum Beispiel auf, wie Rankings wirken oder was es
bedeutet, wenn die Coronapandemie als unvergleichlich dargestellt wird.
Der Transregio 212, Kurzname NC³, erforscht, warum Tiere individuell
ihre unverwechselbare Nische im Ökosystem wählen. Diese Analysen machen
verständlich, wie Prozesse der Individualisierung bei Lebewesen
verlaufen – ein Aspekt, der nicht nur Tiere, sondern auch Menschen
betrifft. Im Übrigen wirkt die Bielefelder Forschungsgruppe
Neuroinformatik noch an einem weiteren Sonderforschungsbereich, dem SFB
1320 der Universität Bremen, mit. Der SFB arbeitet daran, autonome
Roboter zu befähigen, Alltagsaktivitäten auszuführen und abstrakte
Anweisungen selbstständig umzusetzen.
Welche Bedeutung haben die aktuellen Sonderforschungsbereiche für die Universität Bielefeld?
Martin Egelhaaf: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft
richtet SFBs ein, um die Spitzenforschung und die
Forschungsprofilbildung von Universitäten zu fördern. Dass jetzt fünf
Sonderforschungsbereiche zu unserer Universität gehören, zeigt wie
forschungsstark wir sind. SFBs sind immer interdisziplinär angelegt –
ein Merkmal, das die Universität Bielefeld seit ihrer Gründung ausmacht.
Beispielsweise arbeiten in dem neuen Transregio Linguist*innen,
Psycholog*innen, Medienforscher*innen, Soziologen*innen, Ökonom*innen
und Informatiker*innen. Auch Forschende der neu gegründeten
Medizinischen Fakultät der Universität Bielefeld sind unter ihnen.
Neugründungen von SFBs sind das Ergebnis herausragender Forschung – sie
werden nur dann gefördert, wenn sie unter anderem auf erstklassige
Fachpublikationen aufbauen und in ein Netzwerk international
renommierter Partner*innen eingebunden sind. Sonderforschungsbereiche
sind für unsere Universität auch wichtig, weil sie als
Forschungsverbünde mit internationaler Strahlkraft wissenschaftliche
Exzellenz nachweisen und so eine Basis für Anträge im Rahmen der
Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder darstellen. Ein Beispiel
ist der Exzellenzcluster CITEC der Universität Bielefeld, der von 2008
bis 2019 zu Kognitiver Interaktionstechnologie forschte. Der Cluster
knüpfte unter anderem an zwei frühere Sonderforschungsbereiche an – den
SFB zu Situierten Künstliche Kommunikatoren und an den SFB zur
Ausrichtung in der Kommunikation.
Das bedeutet, dass auch jetzige Sonderforschungsbereiche der Universität Initiativen für Exzellenzcluster hervorbringen können?
Martin Egelhaaf: So ist es. Mit den Erfolgen im
Wettbewerb um die SFBs sind wir sehr gut für die Exzellenzstrategie
aufgestellt. Die SFBs zu Unsicherheit, Zufall und Unordnung sowie zu den
Praktiken des Vergleichens stellen ebenso wie der Transregio NC³
hervorragende Ausgangspunkte für die Entwicklung neuer Forschungsansätze
und -themen dar, die sich zu Exzellenzclustern entwickeln können.
Die Universität Bielefeld erhielt ihren ersten
Sonderforschungsbereich „Polarisation und Korrelation in atomaren
Stoßkomplexen“ (SFB 216) im Jahr 1983. Bei dem Transregio 318 zur
Konstruktion von Erklärbarkeit handelt es sich inzwischen um den 17.
Sonderforschungsbereich an der Universität Bielefeld.
Sonderforschungsbereiche (SFBs) sind langfristig angelegte
Forschungseinrichtungen der Universitäten, in denen
Wissenschaftler*innen innerhalb eines meistens fächerübergreifenden
Forschungsprogramms zusammenarbeiten. Sie werden von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft finanziert. Transregio-Sonderforschungsbereiche
sind SFBs, für die zwei oder mehr Universitäten gleichberechtigt
kooperieren. Die Dauer der Förderung eines SFB beträgt im Idealfall
zwölf Jahre, wobei eine Förderphase vier Jahre umfasst.