Veröffentlicht am
5. September 2023
Europäische Förderorganisation unterstützt exzellente Pionierforschung
Die
Gesundheitswissenschaftlerin Dr. Céline Miani wird mit dem ERC Starting
Grant der EU gefördert. Mit einer Fördersumme von knapp 1.39 Millionen
Euro wird ihr Projekt zur Erforschung gynäkologischer Gewalt in
Deutschland für fünf Jahre an der Universität Bielefeld unterstützt.
Damit eröffnet sie ein neues Forschungsgebiet, das in dem geplanten
Umfang bisher nur wenig untersucht wurde. Mit dem mixed-methods Ansatz
und interdisziplinärerer Forschung können so neue Erkenntnisse gewonnen
werden, um die Gesundheit von Patient*innen zu verbessern. Als
Empfängerin dieser Forschungsförderung zählt Dr. Céline Miani jetzt zu
Europas besten Nachwuchswissenschaftler*innen.

Gewalt
in der Geburtshilfe und der gynäkologischen Versorgung ist ein globales
Phänomen im Gesundheitssystem. Es handelt sich um eine systematische
und geschlechtsspezifische Form von Gewalt gegen gebärende Personen und
Patient*innen. Gewalt in diesem Kontext bezieht sich nicht (nur) auf
körperliche Gewalt, sondern auf suboptimale Erfahrungen in der
Versorgung, die als missbräuchlich oder entmenschlichend empfunden
werden können (zum Beispiel medizinische Handlungen ohne vorherige
Einwilligung, Nichtbehandlung von Schmerzen, oder Diskriminierung).
Im
Gegensatz zur Gewalt in der Geburtshilfe ist Gewalt in der
gynäkologischen Versorgung noch nicht erforscht. Dabei können viele
Menschen im Laufe ihres Lebens solcher Gewalt ausgesetzt sein, etwa wenn
sie gynäkologische Behandlungen in Anspruch nehmen, beispielsweise bei
starken Schmerzen während der Periode, Kinderwunsch, gynäkologischen
Krebserkrankungen, den Wechseljahren oder bei Infektionen.
Um
diese Form der Gewalt wissenschaftlich untersuchen zu können, wurde nun
das Forschungsprojekt GYNVEPI (Toward an epidemiology of gynaecological
violence) von Dr. Céline Miani mit dem ERC Starting Grant mit einer
Fördersumme von knapp 1.39 Millionen Euro ausgelobt. Für die kommenden
fünf Jahre kann Miani so mit unterschiedlichen Methoden wie Reviews,
Workshops, Interviews, Umfragen oder mit Hilfe von digitalen Plattformen
umfangreiche Studien erheben, die das Thema Gewalt in der
gynäkologischen Versorgung in Tiefe beleuchten.
Céline
Miani ist es besonders wichtig zu betonen, dass in ihrem
Forschungsprojekt Gewalt nicht unbedingt als Folge böswilliger Absicht
betrachtet wird. Es gehe nicht darum, irgendjemandem die Schuld zu
geben, sondern darum, die bisherige Situation zu untersuchen, die
oftmals das Ergebnis von Versorgungsystemen und deren Organisation zum
Nachteil für die Patient*innen ist.
„Das Hauptziel
des Projekts ist es, zu verstehen, wie sich die Gewalt manifestiert,
welche Bevölkerungsgruppen besonders häufig gynäkologischer Gewalt
ausgesetzt sind und welche gesundheitlichen Folgen damit verbunden
sind“, sagt Miani: „Wir hoffen, dass wir mit Ärzt*innen,
Gesundheitsorganisationen und natürlich Patient*innen zusammenarbeiten
können, um Fortschritte bei der Verbesserung der gynäkologischen
Versorgung und letztendlich bei der Gesundheit für alle zu erzielen.
Durch die ERC-Förderung können wir ein bisher wenig untersuchtes Thema
erforschen, Diskussionen anstoßen und benachteiligende
Geschlechternormen transformieren. Dieses Projekt wird viel für die
Gesundheit von Frauen und Patient*innen gynäkologischer Versorgung im
Allgemeinen in Deutschland und darüber hinaus bedeuten."
„Der
Preis zeigt, wie wichtig die Forschung aus Bielefeld international ist
und wie sehr sich Frau Miani durch ihre Forschung bisher hervorgetan
hat. Daher freue ich mich mit ihr über die Auszeichnung mit dem ERC
Starting Grant und gratuliere ganz herzlich“, sagt Professor Dr. Gehard
Sagerer, Rektor der Universität Bielefeld.
An
der Universität Bielefeld wurden bisher vier ERC Starting Grants
eingeworben. Gefördert wurden dabei die Soziologin Professorin Dr. Minh
Nguyen (2018) und der Mathematiker Dr. Dawid Kielak (2019) sowie die
Mathematikerin Professorin Dr. Martina Hofmanová und der Biologe Dr.
Toni Goßmann (2020).
Über den ERC
Der
ERC wurde 2007 von der Europäischen Union ins Leben gerufen und ist die
führende europäische Förderorganisation für exzellente
Pionierforschung. Der ERC hat es sich zur Aufgabe gemacht, qualitativ
hochwertige Forschung in Europa durch wettbewerbsorientierte
Finanzierung zu fördern. Mit dem ERC Starting Grant werden talentierte
Nachwuchswissenschaftler*innen, die durch hervorragende Arbeiten
aufgefallen sind, unterstützt.
Die Förderung des ERC steht
dabei allen Disziplinen offen, es gibt keine Themenvorgaben. Evaluiert
wird allein nach dem Kriterium der Exzellenz. Die Forschungsteams können
frei zusammengestellt werden. Das Projekt muss zudem an einer selbst
gewählten Einrichtung in Europa verankert sein. Eine Besonderheit des
ERC ist, dass ihm ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium, der
hochrangig besetzte Wissenschaftliche Rat (Scientific Council),
vorsteht.