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ERC-Spitzenförderung in Millionenhöhe für vier Forschende
Bekanntgabe der Consolidator Grants des Europäischen Forschungsrats
Erstmals hat die Universität Bielefeld gleichzeitig vier Consolidator Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) eingeworben. Die prestigeträchtige Förderung geht jeweils an die Gesundheitswissenschaftler*innen Professorin Dr. Anna Oksuzyan und Professor Dr. med. Kayvan Bozorgmehr, den Physiker Professor Dr. Gergely Endrödi und die Sozialanthropologin Dr. Megha Amrith. Die Grants werden insgesamt mit mehr als 8 Millionen Euro gefördert, von denen 7,3 Millionen Euro an die Universität Bielefeld gehen. Die vier Forschungsprojekte sollen im Lauf des Jahres 2024 starten. Der ERC Consolidator Grant ist begehrt – diesmal wurden nur 14,5 Prozent der Anträge bewilligt. In Deutschland ist die Universität Bielefeld nach der Ludwig-Maximilians-Universität München in dieser Runde am stärksten in der Einwerbung von Consolidator Grants.
„Dass in derselben Förderrunde gleich vier mit der Universität verbundene Wissenschaftler*innen den Consolidator Grants erhalten, ist ein riesiger Erfolg. Ich gratuliere allen vier Forschenden herzlich dazu“, sagt Professorin Dr. Angelika Epple, Rektorin der Universität Bielefeld. „Sie alle haben durch herausragende Publikationsleistungen und internationale Forschungskooperationen auf sich aufmerksam gemacht. Mit den nun geförderten Forschungsprojekten gehen sie den nächsten Karriereschritt und bringen neue, zukunftsweisende Impulse in ihre Forschungsgebiete.“
Anna Oksuzyan wechselte 2021 an die Universität Bielefeld. Sie gebürtige Armenierin studierte Medizin und Public Health. Sie promovierte in Gesundheitswissenschaften an der Syddansk Universitet in Odense, Dänemark, wo sie von 2013 bis 2014 als Assistenzprofessorin tätig war. Zwischen 2014 und 2020 leitete Anna Oksuzyan eine Max-Planck-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock.
Welchen gesundheitlichen Einfluss die Lebensumgebung ausübt
Professor
Dr. med. Kayvan Bozorgmehr erhält den Consolidator Grant für sein
Projekt INTERSECT (Fördersumme: rund 2 Millionen Euro). Bozorgmehr
leitet die Arbeitsgruppe „Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung“
der Fakultät für Gesundheitswissenschaften. In INTERSECT untersuchen er
und sein Team den Einfluss der Lebensumgebung von Menschen auf ihre
Gesundheit und Sterblichkeit. „Eine Herausforderung ist, dass Menschen
in der Regel ihren Wohnort selbst aussuchen und somit beeinflussen, wo
sie leben“, sagt Bozorgmehr. Das schränke Aussagen zu Ursache und
Wirkung stark ein. Das Projekt greift daher auf die Situation von
Kontingentflüchtlingen zurück. Sie erhalten ihren Wohnort von Behörden
zugewiesen, was die Studie als natürliches Experiment nutzt. Zudem
liegen umfassende Daten zu ihrem Gesundheitszustand vor der Einreise
vor. Das erlaubt, unter Verwendung innovativer Datenverknüpfungen,
gesundheitliche Veränderungen in Abhängigkeit des zugewiesenen Wohnorts
zu untersuchen. Bozorgmehr kooperiert dabei mit der Internationalen
Organisation für Migration der Vereinten Nationen, dem
Forschungsdatenzentrum am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie
der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische
Forschung.
Kayvan Bozorgmehr wurde 2019 an die Universität Bielefeld berufen. Er studierte Humanmedizin in Frankfurt am Main und erhielt den Master of Science in Public Health an Universität Umeå in Schweden. 2012 promovierte er an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Parallel zu seiner Bielefelder Arbeitsgruppe leitet er seit 2020 die Sektion „Health Equity Studies & Migration“ am Universitätsklinikum Heidelberg.
Welche Phasenübergänge das heiße kosmische Plasma seit dem Urknall durchlaufen hat
Professor
Dr. Gergely Endrödi von der Fakultät für Physik wird mit dem Projekt
CoStaMM durch den ERC gefördert (Fördersumme: rund 1,9 Millionen Euro).
In dem Projekt geht es um die Phasenübergänge, die in der ersten Sekunde
des Universums stattgefunden haben, und die dadurch erzeugten
Gravitationswellen. Nach dem Urknall vor fast vierzehn Milliarden Jahren
befand sich das Universum in einem heißen, dichten Zustand. Seitdem
kühlt es sich ab und dehnt sich aus. „Wie diese Ausdehnung abläuft, wird
durch die Bausteine der Materie bestimmt, Elementarteilchen wie Quarks
und Gluonen“, erklärt Gergely Endrödi. Sein Projekt untersucht, welche
Phasenübergänge das heiße kosmische Plasma in diesem Prozess durchlaufen
hat. „In bestimmten Fällen passiert hierbei Ähnliches wie beim Kochen
von Wasser, bei dem sich Blasen bilden. Die Kollision der entsprechenden
Blasen der kosmischen Materie könnte Gravitationswellen erzeugt haben –
ein Echo des Phasenübergangs, das wir heute noch entdecken können.“ Ein
Fokus des Projekts liegt auf der erstmaligen Untersuchung der
Thermodynamik von Quarks und Gluonen unter Berücksichtigung der
elektromagnetischen Wechselwirkung. Um die zugrundeliegenden Gleichungen
zu lösen, werden einige der weltweit leistungsstärksten Großrechner
eingesetzt.
Gergely Endrödi wurde 2020 als Professor für Theoretische Physik an die Universität Bielefeld berufen. Er studierte Physik an der Eötvös Universität Budapest Ungarn, wo er ebenfalls promovierte. Von 2010 bis 2015 war er als Postdoktorand an der Universität Regensburg und von 2016 bis 2020 als Emmy Noether-Nachwuchsgruppenleiter an der Goethe-Universität Frankfurt tätig.
Wie die Wellness-Ökonomie zu neuen Formen der Ungleichheit führt
Der
ERC fördert Dr. Megha Amrith mit dem Projekt WELL-ASIA (Fördersumme:
rund 2 Millionen Euro). Die Sozialanthropologin leitet eine
Max-Planck-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut zur Erforschung
multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften (MPI-MMG) in
Göttingen. WELL-ASIA wurde über die Universität Bielefeld eingeworben.
Das Projekt beschäftigt sich mit der Kommerzialisierung von Wohlbefinden
als „Wellness“ in Südostasien – einem globalen Knotenpunkt der
Wellness-Ökonomie. „Menschen reisen mehr denn je auf der Suche nach
Erlebnissen, die ihr Wohlbefinden in einer Zeit gefühlter Unsicherheit
fördern“, sagt Amrith. In Südostasien suchen sie Yoga-, Meditations-
sowie Spa-Retreats auf und machen entgiftende Diäten oder
Anti-Aging-Therapien. Über die Auswirkungen der Wellness-Ökonomie ist
jedoch wenig bekannt. „Wellnessangebote hängen von der Leistung anderer
Menschen ab, die oft wenig verdienen und deren Arbeit schlecht geschützt
ist – zum Beispiel Wanderarbeiter*innen“, sagt Amrith. Ihre
ethnografische Studie widmet sich der Frage: Welche sozialen,
wirtschaftlichen und moralischen Veränderungen bringt das Streben nach
Wellness mit sich und welche neuen Formen der Ungleichheit sind damit
verbunden?
Megha Amrith leitet ihre Max-Planck-Forschungsgruppe „Ageing in a Time of Mobility“ (Altern in einer Zeit der Mobilität) am MPI-MMG seit 2017. Sie promovierte 2012 in Sozialanthropologie an der Universität Cambridge, Großbritannien. Von 2012 bis 2013 forschte sie am Centre for Metropolitan Studies der Universität von São Paulo in Brasilien sowie von 2014 bis 2017 am United Nations University Institute for Globalization, Culture and Mobility in Barcelona, Spanien.
Die ERC Consolidator Grants (CoG) richten sich an herausragende Wissenschaftler*innen aller Fachbereiche, deren eigene unabhängige Arbeitsgruppe sich in der Konsolidierungsphase befindet. Vor den jetzt mit der Förderung bedachten vier Wissenschaftler*innen erhielten drei weitere Forschende mit Bielefelder Verbindung die Förderung. Anfang 2023 bekam der Mathematiker Professor Dr. Benjamin Gess den CoG. Die Physikerin Professorin Dr. Gabi Schierning wechselte 2019, ausgezeichnet mit einem CoG, nach Bielefeld. Der Kognitionswissenschaftler Professor Dr. Christoph Kayser kam 2017 an die Universität, ebenfalls nachdem er einen CoG erhalten hatte.
Der Europäische Forschungsrat, 2007 von der Europäischen Union gegründet, ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Er fördert herausragende Forschende aller Nationalitäten und jeden Alters, die Projekte in ganz Europa umsetzen.
Weitere Informationen:
Mitteilung des Europäischen Forschungsrats