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uni.intern
Veröffentlicht am
10. Dezember 2020
Kategorie:
Allgemein
„Einer der gravierendsten Veränderungsprozesse unserer Universität“
Interview mit Kanzler Dr. Stephan Becker zu Universitätsverwaltung 2025, Bau, Corona-Pandemie und der Bedeutung von Kommunikation
Herr Becker, vor einem Jahr wurden Sie für eine zweite Amtszeit als Kanzler der Universität Bielefeld wiedergewählt, die im August begann. Bevor wir über aktuelle Herausforderungen sprechen, sollten wir einmal einen Blick zurück werfen: Die Universität Bielefeld 2014 bei Ihrem Start und heute. Was hat sich seither verändert?
Becker: Vielleicht sage ich erst einmal, was wir bewahrt haben: Ich nehme unsere Universität als eine forschungsstarke, leistungsorientierte, ambitionierte und reformfreudige Hochschule wahr, mit einer beeindruckenden Offenheit in der Lehre. Dieses Profil war einer der Gründe, warum ich mich vor sechs Jahren entschieden habe, nach Bielefeld zu kommen. Aber natürlich hat sich meine Wahrnehmung heute deutlich erweitert …
… können Sie konkreter werden?
Ich meine beispielsweise die offene Kommunikationskultur der Universität. Die beim Rektorat anfängt, die aber über alle Ebenen hinweg vorhanden ist. Und da fühle ich mich gut aufgehoben. Ich habe bei meinen Start an der Universität Bielefeld gesagt, dass meine Tür für jeden offen ist, der mir etwas mitteilen möchte. Heute kann ich erfreut sagen: Immer wieder nehmen Kolleg*innen aus allen Bereichen der Universität das Angebot an. Ich werde beispielsweise in der Uni-Halle angesprochen oder am Rande von Veranstaltungen. Besonders schätze ich den Austausch mit Kolleg*innen, die Dienstjubiläum feiern und von denen ich immer etwas lernen kann. Es kommen aber auch Menschen und bitten um einen Gesprächstermin. Unser Miteinander ist geprägt durch eine positive Grundhaltung. Es geht immer um die Sache, immer um das Beste für unsere Universität.
… und für all diese Gespräche haben Sie Zeit?
Mein Terminkalender ist zwar sehr voll, doch es gibt Gelegenheiten und die nutze ich. Auch ich brauche Feedback. Ich höre dann zu und häufig stellt sich ein Sachverhalt danach etwas anders dar, ist facettenreicher. Es freut mich daher, wenn mir Menschen offen ihre Meinung sagen, mir ihre Sicht auf die Dinge erläutern. Ich lerne daraus und die Entscheidungen werden hoffentlich besser. Wobei ich natürlich sagen muss: Leider ist der persönliche Austausch während der Corona-Pandemie nicht mehr in dem Maße möglich, wie ich mir wünschen würde. Das bedauere ich sehr.
Sie haben zum Amtsantritt vor sechs Jahren ihr Bild einer modernen Universitätsverwaltung skizziert, die für Forschung und Lehre optimale Unterstützungsprozesse zur Verfügung stellt. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Von diesem Leitbild bin ich überzeugt. Es ist zwischenzeitlich vielschichtiger geworden, weil beispielsweise die Digitalisierung uns extrem herausfordert, junge Wissenschaftler*innen andere Services und Unterstützungsangebote erwarten als frühere Generationen oder die Studierendenschaft diverser wird. Da zeigt sich, wie wichtig es ist, eine „lernende Organisation“ zu sein. Verwaltung und Technik müssen angesichts der sich ändernden Anforderungen die digitale Transformation der Universität gestalten, ihre Angebote ständig anpassen und die Servicequalität erhöhen.
… eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe.
Ja, ganz bestimmt. Dafür waren und sind an vielen Stellen in der Verwaltung und den Serviceeinrichtungen Veränderungen nötig - zu denen die Beschäftigten nach meiner Beobachtung auch grundsätzlich bereit sind. Entsprechend haben wir in den letzten Jahren bereits vieles angestoßen. Als Stichwort möchte ich hier das Programm „Universitätsverwaltung 2025“ nennen, in dem wir beispielsweise ein Multiprojektmanagement etabliert und die Prozessorientierung auf den Weg gebracht haben. Letztere ist Voraussetzung für Digitalisierungsprojekte. Durch die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems können wir nun die verschiedenen Akten – beispielsweise Drittmittelakten, Personalakten, Studierendenakten – sukzessive auf eine durchgängige digitale Bearbeitung umstellen. Weitere Beispiele sind ein digitales Bewerber*innen-Management, ein Berufungsportal und verbesserte Prozesse bei Beschaffungen. Wer mehr erfahren möchte: Zum Programm „UVW 2025“ gibt es ein Informationsangebot im Beschäftigtenportal.
Ihr Wirken ging aber auch über die Umsetzung von Projekten hinaus?
Ja, zentrale Maßnahmen waren beispielsweise auch die Umorganisation von Dezernaten und die Etablierung einer direkten Zusammenarbeit der Rektoratsmitglieder mit den Fachabteilungen in den Unterstützungsbereichen. Beides Voraussetzungen, um die deutlich gestiegene Komplexität der Aufgaben bewältigen zu können. Zudem habe ich die Kommunikation mit den Fakultäten verstärkt. Zum einem mit den Dekan*innen, beispielsweise beim Thema Finanzplanungen, und zum anderen durch einen regelmäßigen Austausch mit den Verwaltungsleitungen.
Funktionierende Kommunikation ist eine wichtige Voraussetzung für Erfolg. Wir stecken vermutlich in einer der gravierendsten Veränderungsprozesse dieser Universität – wir müssen recht schnell gute Antworten finden auf die Fragen der Digitalisierung, des verschärften wissenschaftlichen Wettbewerbs oder der massiv zugenommen Diversität der Studierendenschaft. Zudem ist unsere Universität in den vergangenen Jahren gewachsen und wird es – insbesondere durch die Medizinische Fakultät – weiter tun. Mir ist sehr bewusst, dass dies uns alle sehr herausfordert. Das können wir nur gemeinsam meistern.
Fällt die bisherige Bilanz nur positiv aus?
Natürlich hat nicht alles sofort wie gewünscht funktioniert. Veränderungsprozesse produzieren auch Probleme. Die richtigen Ziele zu haben, heißt nicht automatisch, dass man den Weg dahin ohne Hindernisse findet. So wurde ich beispielsweise konfrontiert mit der Wahrnehmung von Wissenschaftler*innen, dass einige veränderte Verwaltungsprozesse entgegen der Erwartung bürokratischer geworden seien. Eigentlich sollte die Klärung der Prozesse und der Zuständigkeiten die Umsetzung von Services beschleunigen, nicht verlangsamen. Meine Erklärung: In den teilweise sehr umfassenden Veränderungsprozessen haben die zuständigen Kolleg*innen Sicherheit gesucht und als Reaktion wurden weitreichende Regelungen eingeführt. Ich kann das heute gut nachvollziehen. Das Ergebnis war aber weniger Flexibilität. Viele Menschen und insbesondere die Führungskräfte waren auf die prozessorientierte Zusammenarbeit nicht ausreichend vorbereitet. Das habe ich unterschätzt.
Wie begegnen Sie dem nun?
Es muss gelingen, die Menschen mitzunehmen. Ich möchte dafür eine Führungskultur etablieren, die Sicherheit bietet und gleichzeitig die notwendige Flexibilität ermöglicht.
... was heißt das?
Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass die Delegation von Verantwortung auf die Ebene, die auch inhaltlich und operativ zuständig ist, der richtige Weg ist. Für die Kolleg*innen muss dabei jedoch klar ersichtlich sein, welchen Sinn veränderte Prozesse oder Zuständigkeiten machen, was ihre Kompetenzen sind und was genau von ihnen erwartet wird. Dieses Bewusstsein möchte ich in einem gemeinsamen Prozess mit den Beschäftigten schaffen. Dafür haben wir ab 2018 mit der Mitarbeitendenbefragung und dem „Tag der Verwaltung“ schon erste Schritte getan. Auch das Projekt „Leitlinien guter Führung“ ging bereits in diese Richtung. Da möchte ich weitermachen und die notwendigen Veränderungen durch eine Klärung unserer Werte und einer Weiterentwicklung unserer Führungskultur begleiten. Ich lade alle Kolleg*innen in Technik und Verwaltung herzlich ein, diesen Weg mit mir gehen. Es wird in Kürze dazu eine Einladung zu einem Austauschformat – einem sogenannten Town Hall-Meeting – geben.
Anderes Thema: „Medizinische Fakultät“: Wie ist hier der aktuelle Stand?
Die Fakultät ist auf einen sehr guten Weg. Die Berufungsverfahren laufen, die Kooperationen mit den Krankenhäusern werden inhaltlich ausbuchstabiert, der Studiengang nimmt deutlich Kontur an. Hier leisten die Kolleg*innen in der Fakultät sehr gute Arbeit. Meine primäre Verantwortung sind die Bereitstellung der Gebäude und die Finanzplanung.
Und wie sieht es da aus?
Die ersten Baumaßnahmen sind gestartet. Die Erweiterung des Gebäude Z ist so gut wie abgeschlossen, die Arbeiten für das Gebäude R2 sind gestartet, wir kaufen das ICB, die Baustraße steht vor der Fertigstellung … bei der Umsetzung des Standortkonzepts für den Campus Süd sind wir bereits auf einem sehr guten Weg. Auch bei der Finanzplanung für den laufenden Betrieb der Fakultät mit dem Land kommen wir voran.
Es gibt Fragen, um die kommen wir in einem solchen Gespräch nicht herum, beispielsweise nach den umfangreichen Baumaßnahmen. Wie läuft es beim Universitätshauptgebäude und beim Hörsaalgebäude?
Beim UHG haben die sichtbaren Arbeiten begonnen – endlich. Hier ist es nun unsere Aufgabe, gegenüber dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb und dem Generalunternehmer unsere Interessen als Nutzer zu vertreten. Aktuell gehe ich davon aus, dass der Generalunternehmer den aktuellen Zeitplan – Fertigstellung erster Bauabschnitt im Jahr 2023 – einhalten kann. Parallel laufen schon die Planungen für den zweiten Bauabschnitt. Mit den vielfältigen Erfahrungen, die wir beim ersten BA gemacht haben, bin ich zuversichtlich, dass es bei allen folgenden Bauabschnitten deutlich besser läuft. Das Hörsaalgebäude entsteht in unserer eigenen Verantwortung. Hier haben wir im August den zentralen Meilenstein erreicht: Das Gebäude steht und mit Hilfe einer provisorischen Fassade konnte der Innenausbau beginnen. Wir gehen davon aus, dass das es trotz der durch die Pandemie verursachten Verzögerungen im Frühjahr nächsten Jahres fertig ist.
Das gesellschaftlich alles bestimmende Thema ist die Corona-Pandemie. Auch die Universität ist davon massiv betroffen. Sie tragen als Kanzler und Leiter des Krisenteams eine besondere Verantwortung. Wie nehmen Sie die Situation aktuell wahr?
Für mich ist die aktuelle Situation die vermutlich herausforderndste in meinem Berufsleben. Wir waren in kürzester Zeit gezwungen, einschneidende Entscheidungen zu fällen. Insgesamt glaube ich aber, dass wir einen guten Weg gefunden haben. Unser Ziel und unsere Verantwortung sind es, den Studierenden unter den Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie ein erfolgreiches Studium und den Wissenschaftler*innen ihre Forschungsaktivitäten zu ermöglichen. Gleichzeitig muss der Schutz der Gesundheit von Studierenden und Beschäftigten sichergestellt werden. Wir haben die Uni nie ganz geschlossen und sie seit dem Sommer sukzessive wieder weiter geöffnet. Unsere Hygieneschutzkonzepte funktionieren, wir haben Erfahrungen gesammelt, Beschäftigte und Studierenden sind sensibilisiert – die Bedingungen, unter denen wir aktuell planen sind bessere als noch im Frühjahr.
Viele Beschäftigte empfinden die aktuelle Situation als sehr belastend…
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Diese Belastung betrifft alle Gruppen der Universität. Wir hatten anfangs die große Frage der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Homeoffice. Auch die erschwerte Kommunikation zwischen Kolleg*innen sowie zwischen Führungskräften und ihren Teams ist ein Thema. Das Erstellen von Konzepten für Online-Lehre und digitale Prüfungen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auch Studierende unter der aktuellen Situation leiden. Ein Studium ist mehr als die Teilnahme an Seminaren und Vorlesungen. Hier fehlen die für die persönliche Entwicklung so wichtigen sozialen Kontakte. Und eine Gruppe wird nicht so richtig wahrgenommen: Für Nachwuchswissenschaftler*innen und Promovierende kann eine Unterbrechung von Forschungsvorhaben gravierende Auswirkungen haben. Für alle Gruppen müssen wir uns fragen: Nehmen wir die Probleme richtig war und organisieren wir die richtigen Hilfen? Hier ist jeder gefragt, der Verantwortung für Beschäftige, Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen trägt. Das Rektorat steht darüber in einem regelmäßigen Austausch und ich glaube, wir haben schon gute Maßnahmen auf den Weg gebracht. Insgesamt muss man jedoch sagen: Wir werden nicht alle – teils individuellen – Herausforderungen lösen können. Wir haben aber volles Verständnis für die Probleme. Ich appelliere an alle Führungskräfte: Nehmen Sie die Sorgen ernst.
Wie geht es in den kommenden Monaten weiter?
Da möchte ich keine Prognose abgeben. Ich hoffe, dass wir bald aus der zweiten Welle rauskommen. Die Aussicht auf Impfstoffe stimmt mich positiv. Bei aller Unsicherheit, was die kommenden Wochen bringen, eine Frage treibt uns massiv um: Welche Konsequenzen ziehen wir für die Universität Bielefeld aus den Erfahrungen, die wir in dieser Zeit machen? Welche digitalen Angebote bleiben auch dann, wenn wir wieder im gewohnten Umfang vor Ort lehren, forschen, studieren und arbeiten? Für den Bereich Technik und Verwaltung müssen und wollen wir beispielsweise klären, wie wir mit Arbeitszeit und Homeoffice zukünftig umgehen. Ich habe beobachtet, dass viele Kolleg*innen die aktuelle Flexibilisierung ihrer Arbeit sehr begrüßen. Ich habe dabei grundsätzliches Vertrauen, dass diese Freiheiten bei der Gestaltung der Arbeit verantwortungsbewusst genutzt werden. Ich kenne aber auch die Sorgen, dass die Auflösung von formalen Grenzen zu Problemen und Überforderung führen können. Hier möchte ich mit dem Personalrat diskutieren. Uns allen wünsche ich, dass wir bald diese einschränkende und herausfordernde Zeit hinter uns bringen.
Informationen zum Programm Universitätsverwaltung 2025
Herr Becker, vor einem Jahr wurden Sie für eine zweite Amtszeit als Kanzler der Universität Bielefeld wiedergewählt, die im August begann. Bevor wir über aktuelle Herausforderungen sprechen, sollten wir einmal einen Blick zurück werfen: Die Universität Bielefeld 2014 bei Ihrem Start und heute. Was hat sich seither verändert?
Becker: Vielleicht sage ich erst einmal, was wir bewahrt haben: Ich nehme unsere Universität als eine forschungsstarke, leistungsorientierte, ambitionierte und reformfreudige Hochschule wahr, mit einer beeindruckenden Offenheit in der Lehre. Dieses Profil war einer der Gründe, warum ich mich vor sechs Jahren entschieden habe, nach Bielefeld zu kommen. Aber natürlich hat sich meine Wahrnehmung heute deutlich erweitert …
… können Sie konkreter werden?
Ich meine beispielsweise die offene Kommunikationskultur der Universität. Die beim Rektorat anfängt, die aber über alle Ebenen hinweg vorhanden ist. Und da fühle ich mich gut aufgehoben. Ich habe bei meinen Start an der Universität Bielefeld gesagt, dass meine Tür für jeden offen ist, der mir etwas mitteilen möchte. Heute kann ich erfreut sagen: Immer wieder nehmen Kolleg*innen aus allen Bereichen der Universität das Angebot an. Ich werde beispielsweise in der Uni-Halle angesprochen oder am Rande von Veranstaltungen. Besonders schätze ich den Austausch mit Kolleg*innen, die Dienstjubiläum feiern und von denen ich immer etwas lernen kann. Es kommen aber auch Menschen und bitten um einen Gesprächstermin. Unser Miteinander ist geprägt durch eine positive Grundhaltung. Es geht immer um die Sache, immer um das Beste für unsere Universität.
… und für all diese Gespräche haben Sie Zeit?
Mein Terminkalender ist zwar sehr voll, doch es gibt Gelegenheiten und die nutze ich. Auch ich brauche Feedback. Ich höre dann zu und häufig stellt sich ein Sachverhalt danach etwas anders dar, ist facettenreicher. Es freut mich daher, wenn mir Menschen offen ihre Meinung sagen, mir ihre Sicht auf die Dinge erläutern. Ich lerne daraus und die Entscheidungen werden hoffentlich besser. Wobei ich natürlich sagen muss: Leider ist der persönliche Austausch während der Corona-Pandemie nicht mehr in dem Maße möglich, wie ich mir wünschen würde. Das bedauere ich sehr.
Sie haben zum Amtsantritt vor sechs Jahren ihr Bild einer modernen Universitätsverwaltung skizziert, die für Forschung und Lehre optimale Unterstützungsprozesse zur Verfügung stellt. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Von diesem Leitbild bin ich überzeugt. Es ist zwischenzeitlich vielschichtiger geworden, weil beispielsweise die Digitalisierung uns extrem herausfordert, junge Wissenschaftler*innen andere Services und Unterstützungsangebote erwarten als frühere Generationen oder die Studierendenschaft diverser wird. Da zeigt sich, wie wichtig es ist, eine „lernende Organisation“ zu sein. Verwaltung und Technik müssen angesichts der sich ändernden Anforderungen die digitale Transformation der Universität gestalten, ihre Angebote ständig anpassen und die Servicequalität erhöhen.
… eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe.
Ja, ganz bestimmt. Dafür waren und sind an vielen Stellen in der Verwaltung und den Serviceeinrichtungen Veränderungen nötig - zu denen die Beschäftigten nach meiner Beobachtung auch grundsätzlich bereit sind. Entsprechend haben wir in den letzten Jahren bereits vieles angestoßen. Als Stichwort möchte ich hier das Programm „Universitätsverwaltung 2025“ nennen, in dem wir beispielsweise ein Multiprojektmanagement etabliert und die Prozessorientierung auf den Weg gebracht haben. Letztere ist Voraussetzung für Digitalisierungsprojekte. Durch die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems können wir nun die verschiedenen Akten – beispielsweise Drittmittelakten, Personalakten, Studierendenakten – sukzessive auf eine durchgängige digitale Bearbeitung umstellen. Weitere Beispiele sind ein digitales Bewerber*innen-Management, ein Berufungsportal und verbesserte Prozesse bei Beschaffungen. Wer mehr erfahren möchte: Zum Programm „UVW 2025“ gibt es ein Informationsangebot im Beschäftigtenportal.
Ihr Wirken ging aber auch über die Umsetzung von Projekten hinaus?
Ja, zentrale Maßnahmen waren beispielsweise auch die Umorganisation von Dezernaten und die Etablierung einer direkten Zusammenarbeit der Rektoratsmitglieder mit den Fachabteilungen in den Unterstützungsbereichen. Beides Voraussetzungen, um die deutlich gestiegene Komplexität der Aufgaben bewältigen zu können. Zudem habe ich die Kommunikation mit den Fakultäten verstärkt. Zum einem mit den Dekan*innen, beispielsweise beim Thema Finanzplanungen, und zum anderen durch einen regelmäßigen Austausch mit den Verwaltungsleitungen.
Funktionierende Kommunikation ist eine wichtige Voraussetzung für Erfolg. Wir stecken vermutlich in einer der gravierendsten Veränderungsprozesse dieser Universität – wir müssen recht schnell gute Antworten finden auf die Fragen der Digitalisierung, des verschärften wissenschaftlichen Wettbewerbs oder der massiv zugenommen Diversität der Studierendenschaft. Zudem ist unsere Universität in den vergangenen Jahren gewachsen und wird es – insbesondere durch die Medizinische Fakultät – weiter tun. Mir ist sehr bewusst, dass dies uns alle sehr herausfordert. Das können wir nur gemeinsam meistern.
Fällt die bisherige Bilanz nur positiv aus?
Natürlich hat nicht alles sofort wie gewünscht funktioniert. Veränderungsprozesse produzieren auch Probleme. Die richtigen Ziele zu haben, heißt nicht automatisch, dass man den Weg dahin ohne Hindernisse findet. So wurde ich beispielsweise konfrontiert mit der Wahrnehmung von Wissenschaftler*innen, dass einige veränderte Verwaltungsprozesse entgegen der Erwartung bürokratischer geworden seien. Eigentlich sollte die Klärung der Prozesse und der Zuständigkeiten die Umsetzung von Services beschleunigen, nicht verlangsamen. Meine Erklärung: In den teilweise sehr umfassenden Veränderungsprozessen haben die zuständigen Kolleg*innen Sicherheit gesucht und als Reaktion wurden weitreichende Regelungen eingeführt. Ich kann das heute gut nachvollziehen. Das Ergebnis war aber weniger Flexibilität. Viele Menschen und insbesondere die Führungskräfte waren auf die prozessorientierte Zusammenarbeit nicht ausreichend vorbereitet. Das habe ich unterschätzt.
Wie begegnen Sie dem nun?
Es muss gelingen, die Menschen mitzunehmen. Ich möchte dafür eine Führungskultur etablieren, die Sicherheit bietet und gleichzeitig die notwendige Flexibilität ermöglicht.
... was heißt das?
Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass die Delegation von Verantwortung auf die Ebene, die auch inhaltlich und operativ zuständig ist, der richtige Weg ist. Für die Kolleg*innen muss dabei jedoch klar ersichtlich sein, welchen Sinn veränderte Prozesse oder Zuständigkeiten machen, was ihre Kompetenzen sind und was genau von ihnen erwartet wird. Dieses Bewusstsein möchte ich in einem gemeinsamen Prozess mit den Beschäftigten schaffen. Dafür haben wir ab 2018 mit der Mitarbeitendenbefragung und dem „Tag der Verwaltung“ schon erste Schritte getan. Auch das Projekt „Leitlinien guter Führung“ ging bereits in diese Richtung. Da möchte ich weitermachen und die notwendigen Veränderungen durch eine Klärung unserer Werte und einer Weiterentwicklung unserer Führungskultur begleiten. Ich lade alle Kolleg*innen in Technik und Verwaltung herzlich ein, diesen Weg mit mir gehen. Es wird in Kürze dazu eine Einladung zu einem Austauschformat – einem sogenannten Town Hall-Meeting – geben.
Anderes Thema: „Medizinische Fakultät“: Wie ist hier der aktuelle Stand?
Die Fakultät ist auf einen sehr guten Weg. Die Berufungsverfahren laufen, die Kooperationen mit den Krankenhäusern werden inhaltlich ausbuchstabiert, der Studiengang nimmt deutlich Kontur an. Hier leisten die Kolleg*innen in der Fakultät sehr gute Arbeit. Meine primäre Verantwortung sind die Bereitstellung der Gebäude und die Finanzplanung.
Und wie sieht es da aus?
Die ersten Baumaßnahmen sind gestartet. Die Erweiterung des Gebäude Z ist so gut wie abgeschlossen, die Arbeiten für das Gebäude R2 sind gestartet, wir kaufen das ICB, die Baustraße steht vor der Fertigstellung … bei der Umsetzung des Standortkonzepts für den Campus Süd sind wir bereits auf einem sehr guten Weg. Auch bei der Finanzplanung für den laufenden Betrieb der Fakultät mit dem Land kommen wir voran.
Es gibt Fragen, um die kommen wir in einem solchen Gespräch nicht herum, beispielsweise nach den umfangreichen Baumaßnahmen. Wie läuft es beim Universitätshauptgebäude und beim Hörsaalgebäude?
Beim UHG haben die sichtbaren Arbeiten begonnen – endlich. Hier ist es nun unsere Aufgabe, gegenüber dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb und dem Generalunternehmer unsere Interessen als Nutzer zu vertreten. Aktuell gehe ich davon aus, dass der Generalunternehmer den aktuellen Zeitplan – Fertigstellung erster Bauabschnitt im Jahr 2023 – einhalten kann. Parallel laufen schon die Planungen für den zweiten Bauabschnitt. Mit den vielfältigen Erfahrungen, die wir beim ersten BA gemacht haben, bin ich zuversichtlich, dass es bei allen folgenden Bauabschnitten deutlich besser läuft. Das Hörsaalgebäude entsteht in unserer eigenen Verantwortung. Hier haben wir im August den zentralen Meilenstein erreicht: Das Gebäude steht und mit Hilfe einer provisorischen Fassade konnte der Innenausbau beginnen. Wir gehen davon aus, dass das es trotz der durch die Pandemie verursachten Verzögerungen im Frühjahr nächsten Jahres fertig ist.
Das gesellschaftlich alles bestimmende Thema ist die Corona-Pandemie. Auch die Universität ist davon massiv betroffen. Sie tragen als Kanzler und Leiter des Krisenteams eine besondere Verantwortung. Wie nehmen Sie die Situation aktuell wahr?
Für mich ist die aktuelle Situation die vermutlich herausforderndste in meinem Berufsleben. Wir waren in kürzester Zeit gezwungen, einschneidende Entscheidungen zu fällen. Insgesamt glaube ich aber, dass wir einen guten Weg gefunden haben. Unser Ziel und unsere Verantwortung sind es, den Studierenden unter den Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie ein erfolgreiches Studium und den Wissenschaftler*innen ihre Forschungsaktivitäten zu ermöglichen. Gleichzeitig muss der Schutz der Gesundheit von Studierenden und Beschäftigten sichergestellt werden. Wir haben die Uni nie ganz geschlossen und sie seit dem Sommer sukzessive wieder weiter geöffnet. Unsere Hygieneschutzkonzepte funktionieren, wir haben Erfahrungen gesammelt, Beschäftigte und Studierenden sind sensibilisiert – die Bedingungen, unter denen wir aktuell planen sind bessere als noch im Frühjahr.
Viele Beschäftigte empfinden die aktuelle Situation als sehr belastend…
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Diese Belastung betrifft alle Gruppen der Universität. Wir hatten anfangs die große Frage der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Homeoffice. Auch die erschwerte Kommunikation zwischen Kolleg*innen sowie zwischen Führungskräften und ihren Teams ist ein Thema. Das Erstellen von Konzepten für Online-Lehre und digitale Prüfungen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auch Studierende unter der aktuellen Situation leiden. Ein Studium ist mehr als die Teilnahme an Seminaren und Vorlesungen. Hier fehlen die für die persönliche Entwicklung so wichtigen sozialen Kontakte. Und eine Gruppe wird nicht so richtig wahrgenommen: Für Nachwuchswissenschaftler*innen und Promovierende kann eine Unterbrechung von Forschungsvorhaben gravierende Auswirkungen haben. Für alle Gruppen müssen wir uns fragen: Nehmen wir die Probleme richtig war und organisieren wir die richtigen Hilfen? Hier ist jeder gefragt, der Verantwortung für Beschäftige, Studierende und Nachwuchswissenschaftler*innen trägt. Das Rektorat steht darüber in einem regelmäßigen Austausch und ich glaube, wir haben schon gute Maßnahmen auf den Weg gebracht. Insgesamt muss man jedoch sagen: Wir werden nicht alle – teils individuellen – Herausforderungen lösen können. Wir haben aber volles Verständnis für die Probleme. Ich appelliere an alle Führungskräfte: Nehmen Sie die Sorgen ernst.
Wie geht es in den kommenden Monaten weiter?
Da möchte ich keine Prognose abgeben. Ich hoffe, dass wir bald aus der zweiten Welle rauskommen. Die Aussicht auf Impfstoffe stimmt mich positiv. Bei aller Unsicherheit, was die kommenden Wochen bringen, eine Frage treibt uns massiv um: Welche Konsequenzen ziehen wir für die Universität Bielefeld aus den Erfahrungen, die wir in dieser Zeit machen? Welche digitalen Angebote bleiben auch dann, wenn wir wieder im gewohnten Umfang vor Ort lehren, forschen, studieren und arbeiten? Für den Bereich Technik und Verwaltung müssen und wollen wir beispielsweise klären, wie wir mit Arbeitszeit und Homeoffice zukünftig umgehen. Ich habe beobachtet, dass viele Kolleg*innen die aktuelle Flexibilisierung ihrer Arbeit sehr begrüßen. Ich habe dabei grundsätzliches Vertrauen, dass diese Freiheiten bei der Gestaltung der Arbeit verantwortungsbewusst genutzt werden. Ich kenne aber auch die Sorgen, dass die Auflösung von formalen Grenzen zu Problemen und Überforderung führen können. Hier möchte ich mit dem Personalrat diskutieren. Uns allen wünsche ich, dass wir bald diese einschränkende und herausfordernde Zeit hinter uns bringen.
Informationen zum Programm Universitätsverwaltung 2025