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uni.aktuell-Archiv
Veröffentlicht am
23. Januar 2018
Kategorie:
Universität & Campusleben
Statement des Rektorats zur Veranstaltung der Hochschulgruppe Kultürk im November
Mit Sorge musste das Rektorat zur Kenntnis nehmen, dass es im Zusammenhang mit einer Veranstaltung der studentischen Hochschulgruppe Kultürk zu Gewalt gekommen ist. Dies verurteilt das Rektorat aufs Schärfste. Es hat dazu beraten und ist zu folgenden Einschätzungen gekommen:
Es ist Sache der Polizei und von Gerichten potentielle Straftaten zu ermitteln. Das Rektorat hat im Fall der Veranstaltung von Kultürk Anzeige gegen Unbekannt gestellt. In diesem Sinne werden auch Symbole der in Deutschland verbotenen kurdischen Organisation PKK, die in der Uni nichts verloren haben, umgehend entfernt.
Damit entzieht sich das Rektorat aber nicht einer Verantwortung.
Es ist Sache der Polizei und von Gerichten potentielle Straftaten zu ermitteln. Das Rektorat hat im Fall der Veranstaltung von Kultürk Anzeige gegen Unbekannt gestellt. In diesem Sinne werden auch Symbole der in Deutschland verbotenen kurdischen Organisation PKK, die in der Uni nichts verloren haben, umgehend entfernt.
Damit entzieht sich das Rektorat aber nicht einer Verantwortung.
- Grundsätzlich gilt: Die Universität Bielefeld bekennt sich zur Meinungsfreiheit als konstitutivem Element von Wissenschaft und Demokratie. Sie bietet Raum und Rahmen für die Artikulation von Meinungen, auch allgemeine gesellschaftliche, soziale, kulturelle und politische Themen werden hier diskutiert. Diese Diskussionskultur gehört zum Selbstverständnis der Universität Bielefeld und darf nicht leichtfertig auf Spiel gesetzt werden.
- Aber: Die Grenzen von Meinungsfreiheit bestehen in der Achtung von Persönlichkeitsrechten und Strafgesetzen. Diese Grenzen müssen eingehalten werden. Wo der Verdacht besteht, dass sie überschritten werden, wird die Polizei eingeschaltet. Das Rektorat unterstützt deren Ermittlungen konsequent. Dabei ist die Unterscheidung zwischen dem Verhalten von Einzelnen und von der Gruppe schwierig. Sollten Mitglieder einer studentischen Hochschulgruppe nachweislich (durch die Polizei und/oder Gerichte festgestellt) die Grenzen überschreiten, ist zu prüfen, welche Konsequenzen dies für Personen und für die gesamte Hochschulgruppe hat. Im Extremfall kann dies Exmatrikulation und Hausverbot bedeuten, für die Hochschulgruppe den Verlust ihres Status und ihrer Rechte. Im vorliegenden Fall sind nach aktuellem Kenntnisstand die Voraussetzungen dafür nicht gegeben.
- Eingetragene Hochschulgruppen dürfen für ihre Veranstaltungen Räume der Universität nutzen. Dafür gibt es formale Regeln. Das Rektorat achtet sehr genau darauf, ob die Regeln eingehalten werden. Protest gegen Inhalte oder Referentinnen/Referenten von Veranstaltung muss möglich sein. Dieser darf aber nicht den Ablauf der Veranstaltung unmöglich machen oder zu Gewalt führen.
Das Hausrecht bei Veranstaltungen von eingetragenen Hochschulgruppen liegt grundsätzlich bei der Universität. - Das Rektorat ist konfrontiert mit Aussagen, dass sich durch Aktivitäten einzelner Gruppen und Personen das Klima an der Universität verschlechtere. Auch das Rektorat beobachtet seit einiger Zeit, dass die politischen und kulturellen Diskussionen zum Teil aggressiver geworden sind und sieht sich durch den aktuellen Fall leider bestätigt. Hier ist die Universität keine Ausnahme zu anderen Bereichen unseres Landes. Aber: Die Universität sollte nach Überzeugung des Rektorats in dieser Situation die Aufgabe annehmen, noch stärker als „Lernraum für Demokratie“ zu fungieren. An der Universität Bielefeld studieren Menschen, die nach ihrem Studium gesellschaftliche Verantwortung übernehmen werden. Sie engagieren sich heute innerhalb der Universität für politische und kulturelle Fragen. Dieses Engagement ist grundsätzlich zu begrüßen und dem Rektorat wichtig. Aus diesem Grund wird das Rektorat die Kommunikation mit den politisch und kulturell aktiven Gruppen intensivieren und – wo nötig und möglich – auch beraten. Es wird aber auch sehr deutlich an ihre Verantwortung erinnern, ihnen den Wert von Meinungsfreiheit und die Grundlagen eines respektvollen Miteinanders vermitteln. Das Rektorat wird ihnen die möglichen Konsequenzen ihres Handelns klar vor Augen führen. Eine inhaltliche Bewertung der Arbeit dieser Gruppen wird es aber nicht geben.
- Das Rektorat ist nicht mit jeder geäußerten Meinung einverstanden. Es distanziert sich deutlich von Positionen, die geschichtliche Tatsachen leugnen, die menschenverachtend, gewaltverherrlichend oder sexistisch sind. Da, wo es keine rechtlichen oder formalen Grenzen gibt, müssen sich Hochschulleitung, Studierende und Beschäftigte inhaltlich mit entsprechenden Meinungen und Positionen auseinandersetzen. Dies ist beispielsweise geschehen, als 2013 bekannt wurde, dass an der Fakultät für Rechtswissenschaften szenebekannte Neonazis studierten: Die „Uni ohne Vorurteile“-Kampagne war eine Reaktion gegen rechte Tendenzen. Neben der Kampagne wurde eine Arbeitsgemeinschaft mit gleichem Namen gegründet. Sie steht interessierten Personen als Plattform zur Verfügung, sich mit extremistischen, vorurteilsgeprägten Strömungen auseinanderzusetzen. Diese Initiative hat das Rektorat unlängst nachhaltig gestärkt: Es steht unter anderem ein Budget für Aktivitäten der unabhängigen AG zur Verfügung. Das Rektorat kann sich in diesem Rahmen sehr gut Veranstaltungen vorstellen, die sich mit der Situation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Türkei beschäftigen.
Denn unabhängig von Fragen der Meinungsfreiheit: Aktuell beobachtet das Rektorat mit Sorge die Entwicklungen im wissenschaftlichen Bereich der Türkei.
Wenn unliebsame Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entlassen werden, ihre Hochschulen geschlossen und sie teilweise zur Flucht aus der eigenen Heimat gezwungen werden, entspricht das nicht unserem Verständnis von einer freien Wissenschaft. Personen oder Gruppen, die diese Politik verteidigen oder befürworten, finden nicht unsere Zustimmung. Die Universität Bielefeld übernimmt in diesem Zusammenhang Verantwortung und hat türkische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgenommen. Sie können hier ihre Forschungen fortsetzen. - Die aktuellen Konflikte sind teilweise eine Facette der fortschreitenden Diversität an deutschen Hochschulen – die Zusammensetzung der Studierendenschaft entspricht immer mehr der unserer Gesellschaft. Damit sind die Hochschulen auch stärker mit den gesellschaftlichen Debatten und Problemen konfrontiert. Das Rektorat begreift Vielfalt dennoch als eine große Chance und stellt sich der Aufgabe, diese zu managen und zu gestalten, mit großem Engagement – unter anderem durch ein entsprechendes Prorektorat und durch die Einrichtung einer Koordinierungsstelle.