uni.aktuell-Archiv
"Keine bedeutsame Gesundheitsgefährdung durch Asbest"
Interview mit Betriebsmediziner Bernhard Wilcke
uni.aktuell hat mit dem Betriebsmediziner Bernhard Wilcke über eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch den Asbestfund in der Universität Bielefeld gesprochen. Wilcke ist als Vertreter des Betriebsmedizinischen Dienstes der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in der Universität tätig.
Herr Wilcke, ist Ihrer Ansicht nach die Gesundheit von Studierenden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Uni Bielefeld gefährdet?
Nein, es besteht nach dem derzeitigen Stand keine bedeutsame Gesundheitsgefährdung. Alle bisherigen Messungen haben ergeben, dass sich in den messtechnisch erfassten Bereichen in der Luft keine Asbestfasern oberhalb der Nachweisgrenze befinden. Darüber hinaus ist dokumentiert, dass in der Vergangenheit wiederholte Messungen in verschiedensten Bereichen keinen Hinweis auf eine Asbestbelastung für die Nutzer der Räumlichkeiten ergaben.
Gilt das auch für Studierende, die im Bauteil S der Bibliothek jahrelang gelernt haben und Mitarbeiter, die in der Uni Bielefeld seit Jahren angestellt sind?
Ja, es gibt bisher keine Hinweise, die zur Besorgnis Anlass geben.
Wie hoch muss die Anzahl der Asbestfasern sein, um eine akute Gesundheitsgefährdung darzustellen?
Bei einem Wert von unter 1.000 Asbestfasern pro m³ darf bei Feststellung einer kritischen Asbestverbauung und nach einer vorläufigen Sanierung gearbeitet und gelebt werden. Wir sind in den untersuchten Bereichen unterhalb der Nachweisgrenze, d.h. die Faserkonzentration wird zwischen null und 297 Fasern pro m³ liegen. Ein Nullrisiko kann nicht angegeben werden - ähnlich wie bei der Radioaktivität, der wir aus natürlichen Materialien und aus dem Kosmos, selbst in der freien Natur, ständig ausgesetzt sind. Die Grenzwerte müssen in Relation zum allgemeinen Lebensrisiko gesehen werden. Die Universität reagiert außerordentlich konsequent, weit über die schon strengen Vorgaben hinaus zum Schutz der Nutzer. Zur Besorgnis im Sinne einer akuten Gefährdung besteht in den zurzeit untersuchten und diskutierten Bereichen kein Anlass.
Das heißt aber, theoretisch ist es möglich, dass Studierende und Mitarbeiter der Uni täglich Asbestfasern einatmen?
Wir atmen täglich Asbestfasern ein - unabhängig vom Asbestfund in der Uni. Asbestfasern befinden sich überall in der Luft. In innerstädtischen Bereichen finden sich beispielsweise 50 bis 100 Asbestfasern pro m³, teilweise auch deutlich mehr.
Wie kommt das?
Die Asbestfasern werden beispielsweise durch verwitterte Fassadenteile, Dächer, Garagen, Kupplungsbeläge etc. freigesetzt. In den 70er Jahren wurde Asbest weltweit als Baustoff eingesetzt. Die Gefährdung war Fachleuten seit den 20er Jahren bekannt. Bereits 1937 hat man das erste durch Asbest ausgelöste Krankheitsbild als Berufskrankheit anerkannt, aber man zog unverantwortlicherweise noch keine Konsequenzen. Ein Negativbeispiel für Lobbyarbeit.
Stimmt es, dass schon eine einzige Faser Krebs auslösen kann?
Theoretisch stimmt das. Aber man muss das immer in Relation zu den allgemeinen Alltagsgefährdungen betrachten. Beispielsweise ist das Risiko eines Nichtrauchers, an einem asbestbedingten Lungentumor zu sterben, deutlich niedriger, als durch einen Unfall ums Leben zu kommen. Rauchen verzehnfacht allerdings das Risiko.
Sie empfehlen langjährigen Mitarbeitern der Uni Bielefeld also nicht unbedingt, sich einem Gesundheits-Check zu unterziehen?
Wie gesagt, es wurde kein Asbest in der Raumluft nachgewiesen. Auch die Messungen der letzten Jahre ergaben keinen Hinweis auf Asbest. Das objektive Risiko und die Verunsicherung der Beschäftigten sind aber Zweierlei. Wir stehen den Beschäftigten zum Gesundheits-Check und zum persönlichen Gespräch zur Verfügung. Jeder, der ein ungutes Gefühl hat, kann sich diesbezüglich bei uns melden.
Ein besonderes Augenmerk gilt Beschäftigten, die Tätigkeiten in den Zwischendecken durchführten, wie zum Beispiel Handwerker: Es ist davon auszugehen, dass sie mehr Asbestfasern ausgesetzt waren. Sie sollten daher die regulären Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Dies fällt in die Zuständigkeit unseres Unfallversicherungsträgers, der, nach Meldung der betroffenen Personen durch die Universität, die Untersuchungen organisiert.
Kontakt zum Betriebsarzt:
Raum C01-227
Tel. 106 -6352
und im Internet: