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uni.aktuell-Archiv
Veröffentlicht am
20. Juni 2016
Kategorie:
Internationales
Geflüchtete: Großer Wille zu studieren oder zu arbeiten, aber auch hohe Hürden
Universität Bielefeld veröffentlicht Ergebnisse einer Umfrage unter Geflüchteten
Wie viele Geflüchtete wollen studieren? Welche Hürden stehen ihnen dabei im Weg? Und in welchen Bereichen möchten sie gerne arbeiten? Nach aktuellem Kenntnisstand gab es bisher zum Bildungsstand und zu den Bildungsinteressen – auch bundesweit – keine umfassende Datenbasis. Der Arbeitskreis Interkulturelles von Bielefeld 2000plus an der Universität Bielefeld stellt nun erstmals Ergebnisse aus einer Umfrage unter geflüchteten Menschen in Bielefeld und Umgebung vor. Das Ergebnis: Der Wille zu studieren oder zu arbeiten ist sehr groß, die Hürden aber auch.
„Uns war es vor allem wichtig, einen ersten Eindruck über potenzielle Studierende zu bekommen. Wir haben geflüchtete Menschen in Bielefeld und Umgebung unter anderem nach ihren individuellen Bildungswegen, aber auch nach ihren Arbeitsmarkterfahrungen gefragt“, so Professor Dr. Reinhold Decker, Prorektor für Informationsmanagement.
Die Ergebnisse
Eine Hochschulzugangsberechtigung im Herkunftsland besitzen etwa 90 Prozent (106 Personen). Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (54,7 Prozent) geben an, in ihrem Herkunftsland bereits studiert zu haben, und etwa 70 Prozent (40 Personen) besitzen bereits einen Hochschulabschluss, wobei von 21 Personen das Hochschulzeugnis in Deutschland noch nicht anerkannt wurde.
Auch das Interesse, an einer deutschen Hochschule studieren zu wollen, ist mit 114 von 118 Personen (96,6 Prozent) sehr hoch. Von diesen waren 70 Prozent bereits einmal an einer Hochschule in ihrem Herkunftsland, in einem Drittstaat oder in Deutschland als Studierender eingeschrieben. Von den 114 Interessenten geben 27 Personen (23,7 Prozent) an, nicht studieren zu dürfen. Als Begründung hierfür nennen sie unter anderem ihren derzeitigen Aufenthaltsstatus (20), ihr zu niedriges Sprachniveau (19) oder fehlende Passdokumente (10). Am häufigsten wird der Wunsch nach einem Ingenieursstudium geäußert (30), gefolgt von Medizin (23). Von 114 Befragten geben 99 an, dass sie nach einem Studium in Deutschland arbeiten würden, 8 Personen möchten nach dem Studium noch ein weiteres Studium aufnehmen. Lediglich 3 Personen würden zurück in ihr Herkunftsland gehen wollen, um dort zu arbeiten.
Auch wenn es ein hohes Interesse an Bildung und Studium gibt, so existieren doch individuelle Bildungsbarrieren, die den Geflüchteten den Zugang zur Bildung erschweren beziehungsweise ihn verhindern. Das sind unter anderem das von den Bildungsinstitutionen für den Einstieg geforderte Deutschniveau (64,5 Prozent), der unsichere Aufenthaltsstatus (54,8 Prozent), fehlende finanzielle Mittel (41,9 Prozent) und/oder fehlende Informationen (29,8 Prozent) über den Einschreibungsprozess oder über bestehende Finanzierungsmöglichkeiten sowie die oftmals unzureichenden Kenntnisse über das deutsche Bildungssystem. „Das Beratungsangebot sollte erweitert werden, wobei die anzubietende Beratung idealerweise eine aufenthaltsrechtliche Beratung mit einschließen sollte“, sagt die wissenschaftliche Hilfskraft Tobias Reher.
Den Fragebogen zum Thema Arbeitsmarkt füllten 134 Personen aus. Auf die Frage, ob sie bereits in ihrem Herkunftsland gearbeitet haben, antworten von 112 Personen, die diese Fragen beantwortet haben, 86 mit „Ja“. Nur 5 Personen geben an, derzeit über eine Arbeit zu verfügen, wohingegen 80 Personen den klaren Wunsch äußern, arbeiten zu wollen. Am häufigsten wird der Wunsch geäußert, in der Branche Bauwesen/Installation zu arbeiten. Verhältnismäßig viele Personen interessieren sich auch für die Bereiche Technik, Büro/Finanzen/Buchhaltung und Gesundheit. Auch beim Schwerpunkt Arbeitsmarkt zeigt sich ein deutlicher Beratungsbedarf. So geben von 84 Personen, die diese Frage beantworteten, insgesamt 81 (96,4 Prozent) an, das deutsche Ausbildungssystem entweder gar nicht oder nur ein bisschen zu kennen.
„Eine Besonderheit ist, dass der Fragebogen modellhaft in jeder deutschen Stadt eingesetzt werden könnte“, betont Reher. „Da es zum Zeitpunkt der Fragebogenerstellung in der Wissenschaft noch keine umfassenden Erfahrungswerte im Zusammenhang mit der Ausgestaltung entsprechender Fragebögen für die Personengruppe der Geflüchteten gab, waren wir natürlich sehr gespannt, wie die Teilnahme und das Antwortverhalten sein werden. Nach Abschluss der Erhebung können wir nun sagen, dass wir mit dem Verlauf der Befragung sehr zufrieden sind“, betont Şenol Keser, Projektleiter und Leiter des Büros von Bielefeld 2000plus. „Ich bin beeindruckt von dieser Initiative, die uns in so kurzer Zeit solche wertvolle Ergebnisse liefern konnte. Wir wussten bis heute nicht, wie das Bildungsniveau und die Pläne der Geflüchteten in der Region aussehen. Auf der Basis dieser Daten können wir und unsere Kooperationspartnerinnen und -partner fundiert planen und zielgruppenorientiert agieren, zumal die Ergebnisse ein großes Potenzial für unsere Universität bedeuten“, sagt Professorin Dr. Angelika Epple, Prorektorin für Internationales und Diversität.
Details zum Vorgehen
Der Arbeitskreis Interkulturelles von Bielefeld 2000plus an der Universität Bielefeld führte die Umfrage durch und erhob die Ergebnisse. Der Erhebungszeitraum erstreckte sich von Ende Februar 2016 bis April 2016. Die Befragten konnten in den Sprachen Deutsch, Englisch, Dari/Persisch, Französisch, Arabisch und Russisch antworten. Die Antworten basieren auf freiwilligen Angaben, sodass auch bewusst auf Pflichtfelder verzichtet wurde. Von den insgesamt 321 teilnehmenden Personen füllten 187 den Fragebogen zum Thema Hochschule und 134 zum Arbeitsmarkt aus.
Von 321 Personen machten 109 Personen (34 %) persönliche Angaben zum Geschlecht, Familienstatus oder zum Fluchtzeitpunkt. Demnach sind 85% der befragten Menschen, die die persönlichen Fragen ausfüllten, männlich. Das Durchschnittsalter beträgt 26,5 Jahre. „Wie oft bei Fragebögen ist das Antwortverhalten bei den persönlichen Angaben eher zurückhaltend, so auch hier. Wobei wir in diesem Fall nicht ausschließen können, ob es sich nicht um ein rein technisches Problem im Fragebogen handelt“, so Keser. Die Herkunftsländer der Personen, die an der Befragung teilnahmen, waren unter anderem Syrien (102), Afghanistan (29), Irak (24), Iran (19), andere (92) und 55 mit keiner Angabe, wobei diese Zahlen auch vor dem Hintergrund der angebotenen Sprachen bewertet werden müssen. 62,2 % der Befragten, die Interesse am Thema „Hochschule“ hatten, kamen aus den Ländern Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Ägypten und Pakistan.
In der Initiative „Bielefeld 2000plus – Forschungsprojekte zur Region“ arbeiten seit 1997 Universität und Stadt Bielefeld zusammen, um den Standortvorteil „Hochschule“ für Bielefeld und die Region in noch größerem Umfang zu nutzen. Ziel ist es, die Vernetzung von Wissenschaft, Stadt und Region zu intensivieren und den Institutionen übergreifenden Austausch von Expertenwissen zu fördern. Zu diesem Zweck organisiert Bielefeld 2000plus Arbeitskreise und Projekte mit Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft, Stadtverwaltung und Institutionen aus Wirtschaft, Kultur, Stadtentwicklung und Bildung.
Wie viele Geflüchtete wollen studieren? Welche Hürden stehen ihnen dabei im Weg? Und in welchen Bereichen möchten sie gerne arbeiten? Nach aktuellem Kenntnisstand gab es bisher zum Bildungsstand und zu den Bildungsinteressen – auch bundesweit – keine umfassende Datenbasis. Der Arbeitskreis Interkulturelles von Bielefeld 2000plus an der Universität Bielefeld stellt nun erstmals Ergebnisse aus einer Umfrage unter geflüchteten Menschen in Bielefeld und Umgebung vor. Das Ergebnis: Der Wille zu studieren oder zu arbeiten ist sehr groß, die Hürden aber auch.
„Uns war es vor allem wichtig, einen ersten Eindruck über potenzielle Studierende zu bekommen. Wir haben geflüchtete Menschen in Bielefeld und Umgebung unter anderem nach ihren individuellen Bildungswegen, aber auch nach ihren Arbeitsmarkterfahrungen gefragt“, so Professor Dr. Reinhold Decker, Prorektor für Informationsmanagement.
Die Ergebnisse
Eine Hochschulzugangsberechtigung im Herkunftsland besitzen etwa 90 Prozent (106 Personen). Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (54,7 Prozent) geben an, in ihrem Herkunftsland bereits studiert zu haben, und etwa 70 Prozent (40 Personen) besitzen bereits einen Hochschulabschluss, wobei von 21 Personen das Hochschulzeugnis in Deutschland noch nicht anerkannt wurde.
Auch das Interesse, an einer deutschen Hochschule studieren zu wollen, ist mit 114 von 118 Personen (96,6 Prozent) sehr hoch. Von diesen waren 70 Prozent bereits einmal an einer Hochschule in ihrem Herkunftsland, in einem Drittstaat oder in Deutschland als Studierender eingeschrieben. Von den 114 Interessenten geben 27 Personen (23,7 Prozent) an, nicht studieren zu dürfen. Als Begründung hierfür nennen sie unter anderem ihren derzeitigen Aufenthaltsstatus (20), ihr zu niedriges Sprachniveau (19) oder fehlende Passdokumente (10). Am häufigsten wird der Wunsch nach einem Ingenieursstudium geäußert (30), gefolgt von Medizin (23). Von 114 Befragten geben 99 an, dass sie nach einem Studium in Deutschland arbeiten würden, 8 Personen möchten nach dem Studium noch ein weiteres Studium aufnehmen. Lediglich 3 Personen würden zurück in ihr Herkunftsland gehen wollen, um dort zu arbeiten.
Auch wenn es ein hohes Interesse an Bildung und Studium gibt, so existieren doch individuelle Bildungsbarrieren, die den Geflüchteten den Zugang zur Bildung erschweren beziehungsweise ihn verhindern. Das sind unter anderem das von den Bildungsinstitutionen für den Einstieg geforderte Deutschniveau (64,5 Prozent), der unsichere Aufenthaltsstatus (54,8 Prozent), fehlende finanzielle Mittel (41,9 Prozent) und/oder fehlende Informationen (29,8 Prozent) über den Einschreibungsprozess oder über bestehende Finanzierungsmöglichkeiten sowie die oftmals unzureichenden Kenntnisse über das deutsche Bildungssystem. „Das Beratungsangebot sollte erweitert werden, wobei die anzubietende Beratung idealerweise eine aufenthaltsrechtliche Beratung mit einschließen sollte“, sagt die wissenschaftliche Hilfskraft Tobias Reher.
Den Fragebogen zum Thema Arbeitsmarkt füllten 134 Personen aus. Auf die Frage, ob sie bereits in ihrem Herkunftsland gearbeitet haben, antworten von 112 Personen, die diese Fragen beantwortet haben, 86 mit „Ja“. Nur 5 Personen geben an, derzeit über eine Arbeit zu verfügen, wohingegen 80 Personen den klaren Wunsch äußern, arbeiten zu wollen. Am häufigsten wird der Wunsch geäußert, in der Branche Bauwesen/Installation zu arbeiten. Verhältnismäßig viele Personen interessieren sich auch für die Bereiche Technik, Büro/Finanzen/Buchhaltung und Gesundheit. Auch beim Schwerpunkt Arbeitsmarkt zeigt sich ein deutlicher Beratungsbedarf. So geben von 84 Personen, die diese Frage beantworteten, insgesamt 81 (96,4 Prozent) an, das deutsche Ausbildungssystem entweder gar nicht oder nur ein bisschen zu kennen.
„Eine Besonderheit ist, dass der Fragebogen modellhaft in jeder deutschen Stadt eingesetzt werden könnte“, betont Reher. „Da es zum Zeitpunkt der Fragebogenerstellung in der Wissenschaft noch keine umfassenden Erfahrungswerte im Zusammenhang mit der Ausgestaltung entsprechender Fragebögen für die Personengruppe der Geflüchteten gab, waren wir natürlich sehr gespannt, wie die Teilnahme und das Antwortverhalten sein werden. Nach Abschluss der Erhebung können wir nun sagen, dass wir mit dem Verlauf der Befragung sehr zufrieden sind“, betont Şenol Keser, Projektleiter und Leiter des Büros von Bielefeld 2000plus. „Ich bin beeindruckt von dieser Initiative, die uns in so kurzer Zeit solche wertvolle Ergebnisse liefern konnte. Wir wussten bis heute nicht, wie das Bildungsniveau und die Pläne der Geflüchteten in der Region aussehen. Auf der Basis dieser Daten können wir und unsere Kooperationspartnerinnen und -partner fundiert planen und zielgruppenorientiert agieren, zumal die Ergebnisse ein großes Potenzial für unsere Universität bedeuten“, sagt Professorin Dr. Angelika Epple, Prorektorin für Internationales und Diversität.
Details zum Vorgehen
Der Arbeitskreis Interkulturelles von Bielefeld 2000plus an der Universität Bielefeld führte die Umfrage durch und erhob die Ergebnisse. Der Erhebungszeitraum erstreckte sich von Ende Februar 2016 bis April 2016. Die Befragten konnten in den Sprachen Deutsch, Englisch, Dari/Persisch, Französisch, Arabisch und Russisch antworten. Die Antworten basieren auf freiwilligen Angaben, sodass auch bewusst auf Pflichtfelder verzichtet wurde. Von den insgesamt 321 teilnehmenden Personen füllten 187 den Fragebogen zum Thema Hochschule und 134 zum Arbeitsmarkt aus.
Von 321 Personen machten 109 Personen (34 %) persönliche Angaben zum Geschlecht, Familienstatus oder zum Fluchtzeitpunkt. Demnach sind 85% der befragten Menschen, die die persönlichen Fragen ausfüllten, männlich. Das Durchschnittsalter beträgt 26,5 Jahre. „Wie oft bei Fragebögen ist das Antwortverhalten bei den persönlichen Angaben eher zurückhaltend, so auch hier. Wobei wir in diesem Fall nicht ausschließen können, ob es sich nicht um ein rein technisches Problem im Fragebogen handelt“, so Keser. Die Herkunftsländer der Personen, die an der Befragung teilnahmen, waren unter anderem Syrien (102), Afghanistan (29), Irak (24), Iran (19), andere (92) und 55 mit keiner Angabe, wobei diese Zahlen auch vor dem Hintergrund der angebotenen Sprachen bewertet werden müssen. 62,2 % der Befragten, die Interesse am Thema „Hochschule“ hatten, kamen aus den Ländern Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Ägypten und Pakistan.
In der Initiative „Bielefeld 2000plus – Forschungsprojekte zur Region“ arbeiten seit 1997 Universität und Stadt Bielefeld zusammen, um den Standortvorteil „Hochschule“ für Bielefeld und die Region in noch größerem Umfang zu nutzen. Ziel ist es, die Vernetzung von Wissenschaft, Stadt und Region zu intensivieren und den Institutionen übergreifenden Austausch von Expertenwissen zu fördern. Zu diesem Zweck organisiert Bielefeld 2000plus Arbeitskreise und Projekte mit Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft, Stadtverwaltung und Institutionen aus Wirtschaft, Kultur, Stadtentwicklung und Bildung.