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Artbildung ohne räumliche Trennung und lange Isolation
Feuersalamander-Forschung widerspricht traditioneller Lehrmeinung zur Entstehung von Arten
Am Beispiel des Feuersalamanders haben Forscher von der Universität Bielefeld um Dr. Sebastian Steinfartz (Arbeitsgruppe Molekulare Ökologie und Verhalten) in enger Zusammenarbeit mit Forschern der Universität zu Köln (Prof. Dr. Diethard Tautz und Dr. Markus Weitere) einen großen Schritt bei der Aufklärung von Artbildungsprozessen gemacht. In ihrer neuesten Veröffentlichung in der November-Ausgabe der Zeitschrift "Molecular Ecology" zeigen sie, dass im Kottenforst, einem kleinen geschlossenen Waldgebiet bei Bonn, eine Population des Feuersalamanders sich unter "sympatrischen" Bedingungen in zwei genetisch differenzierte Gruppen aufgetrennt hat.
"Sympatrisch" meint das unmittelbare Nebeneinandervorkommen nahe miteinander verwandter Tier- oder Pflanzenarten. Der Befund der Wissenschaftler steht im Gegensatz zur Lehrbuchmeinung, dass Artbildungsprozesse vor allem "allopatrisch", durch räumliche Trennung und sehr lange Isolation, erfolgen. Zugleich zeigt er deutlich, dass die Erforschung von Artbildung nicht zwangsläufig an ferne, tropische Gebiete gebunden sein muss, sondern auch direkt vor unserer Haustür stattfinden kann.
Im Zuge der so genannten "Molekularen Revolution" der letzten 15 Jahre ist sehr deutlich geworden, dass Arten in relativ kurzen Zeitspannen von wenigen hundert Generationen ohne die von Autoritäten wie Ernst Mayr postulierte räumliche Trennung und lange Isolation entstehen können - also in einer Kontaktsituation unter sympatrischen Bedingungen. Die Mechanismen, die diesem Artbildungsprozess zugrunde liegen, sind bisher vor allem theoretisch formuliert worden, wohingegen die Verifizierung dieser Mechanismen in natürlichen Untersuchungssystemen bisher kaum stattgefunden hat. Besonders bemerkenswert ist an den jetzt veröffentlichten Ergebnissen, dass die entdeckte genetische Differenzierung spezifische Lebensraumanpassungen der Feuersalamander widerspiegelt - nämlich an die Fortpflanzung in stehenden Gewässern einerseits und an die Fortpflanzung in fließenden Gewässern andererseits. Dies muss als ein Prozess der durch Anpassung an unterschiedliche Lebensräume erfolgten so genannten "adaptiven" Artbildung angesehen werden.
http://www.uni-bielefeld.de/biologie/vhf/SF/Research_projects.html