Aktuelles aus Theologie und Religionsforschung
Im Namen des Herrn? Kirchen und Religion im Ukrainekrieg | 18 Mai 2022, 19:00 Convenors: Leif-Hagen Seibert (Bielefeld, GER)
Religiöse Deutungen haben die militärische Eskalation in der Ukraine seit 2014 auf Schritt und Tritt begleitet. Seit der Annexion der Krim wurden russische Gebietsansprüche mit Verweis auf das kanonische Territorium der Russisch-orthodoxen Kirche geltend gemacht. Auch Putins Negation ukrainischer Souveränität basiert wesentlich auf der Vorstellung einer kirchlich-religiös vermittelten kulturellen Einheit von Russen und Ukrainern. Angesichts dessen ist es kaum verwunderlich, dass der ohnehin schon starke Zusammenhang zwischen religiöser und nationaler Identitätsbildung in der Ukraine konstitutiv für religiöse Praxis wurde. Ausdrücklich als nationales Sicherheitsinteresse beschrieb etwa Präsident Poroschenko seine Bemühungen um eine von Moskau unabhängige (autokephale) Orthodoxe Kirche der Ukraine. Die Gründung dieser Kirche im Winter 2018/19 hat nicht nur die religiöse Landschaft der Ukraine und das Verhältnis zum Moskauer Patriarchat, sondern die Orthodoxie weltweit erschüttert und bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die politischen Strategien der Konfliktparteien.
Thema der Podiumsdiskussion ist die Relevanz von Religion und Kirchen im Kontext des Ukrainekriegs. Einerseits soll Religion als identitätsstiftendes Merkmal im Rahmen des ukrainischen (und russischen) nation building der jüngeren Vergangenheit beleuchtet und kritisch hinterfragt werden. Andererseits wird es darum gehen, wie sich religiöse Praxis und kirchliches Engagement unter Bedingungen von Konfrontation und Krieg gestalten und verändern – und welche Auswirkungen die aktuellen Entwicklungen für ökumenische und interkonfessionelle Beziehungen in Osteuropa und in der ganzen Welt haben. Die wissenschaftliche Klärung mündet in dem Interesse, Chancen und Grenzen der religiösen Orientierung im Blick auf Deeskalation und Wege zu einer Konfliktlösung durch Verhandlungen auszuloten.
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