Technische Fakultät
Effizienter ernten mit intelligentem Sensornetzwerk
Wie kann der Ernteprozess eines Mähdreschers besser überwacht werden? Wie kann die maschinenführende Person entlastet werden? Mit diesen Fragen beschäftigten sich Wissenschaftler des Forschungsinstituts für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld und des Landmaschinenherstellers CLAAS in Harsewinkel (Kreis Gütersloh). Sie forschten dazu gemeinsam im Innovationsprojekt „Intelligentes Sensornetzwerk zur Ermittlung von Prozessgrößen“ (InSensEPro) des Spitzenclusters Intelligente Technische Systeme Ost-WestfalenLippe (it’s OWL). Mitte Januar kamen die Projektbeteiligten im CITEC-Gebäude der Universität Bielefeld zur Abschlusstagung des Projekts zusammen.
Jeder Ernteprozess ist eine große Herausforderung. Der Mähdrescher muss laufend an die Bedingungen des Feldes und der Witterungen angepasst werden. Denn die Pflanzen können in ihrer Größe, ihren Ähren, in ihrer Kornanzahl und Korngröße stark variieren – durch Bodeneinflüsse, Wasserstellen, Schattenbildungen oder unterschiedliche Bewirtschaftung des Feldes. „Dadurch gibt es keine ‚Standard‘-Einstellung für einen Mähdrescher“, erklärt der Projektleiter Marvin Barther vom Unternehmen CLAAS.
Das Ziel des Projektes InSensEPro war es, ein intelligentes Sensornetzwerk für Mähdrescher zu entwickeln. Das System soll direkt während der Ernte den Kornverlust präzise bestimmen und interpretieren. So kann es der maschinenführenden Person empfehlen, wie sie die Erntefahrt optimiert.
Projektteam um Felix Wittenfeld, Kevin Penner, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Rückert (alle Wissenschaftler des CoR-Labs der Universität Bielefeld) und Marvin Barther (CLAAS) bei der Abschlusstagung am CITEC der Universität Bielefeld Foto: Universität Bielefeld
Kooperation zwischen der Universität Bielefeld und dem Unternehmen CLAAS
Die Arbeitsgruppe Kognitronik und Sensorik von Prof. Dr.-Ing. Ulrich Rückert am Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld kooperiert mit der Firma CLAAS seit rund zehn Jahren. In einem Vorgängerprojekt wurde der Einfluss der Außenwelt des Mähdreschers auf den Ernteprozess untersucht. Im aktuellen Projekt lag der Fokus auf den Prozessen innerhalb des Mähdreschers. Den Forschenden ging es dabei nicht allein um die technischen Aspekte, sondern auch um die Einbeziehung des Menschen – der maschinenführenden Person.
Wissenschaftliche Umsetzung
Laut Felix Wittenfeld aus der Arbeitsgruppe Kognitronik und Sensorik galt es zunächst, eine Sensorik zu finden, die überhaupt in der Lage ist, den gesuchten Kornverlust zu bestimmen. „Die Erntedurchsätze sind immens – bis zu 120 Tonnen in der Stunde. Das mit Sensoren zu erfassen, ist eine herausfordernde Aufgabe“, sagt Wittenfeld.
Felix Wittenfeld, Forscher der Arbeitsgruppe Kognitronik und Sensorik, beschreibt die Herausforderungen für Sensorverfahren beim Ernteprozess. Foto: Universität Bielefeld
Um Verstopfungen oder andere negative Beeinträchtigungen zu vermeiden, darf der Volumenstrom nicht durch die Messung behindert werden. Zugleich herrschen raue Einsatzbedingungen beim Ernteprozess, die insbesondere durch den massiv auftretenden Staub klassische optische Verfahren wie den internen Einsatz von Kameras ausschließen. Auch die mechanischen Belastungen durch Schwingungen und den Transport des Ernteguts sind für die meisten Verfahren ein Ausschlusskriterium. „Durch die herausfordernden Anwendungsbedingungen war das Sensorprojekt InSensEPro eines der komplexesten meiner wissenschaftlichen Karriere“, sagt Professor Dr.-Ing. Ulrich Rückert.
In umfangreichen Recherchen und Praxisversuchen fand das Projektteam eine geeignete körperschallbasierte Sensorik, die in der Lage ist, den Körnerstrom zuverlässig zu messen und von Kurzstroh und anderem transportierten Material zu unterscheiden.
"Eine körperschallbasierte Sensorik funktioniert vergleichbar mit einem Mikrofon. Sie misst aber die Ausbreitung der Schallwelle nicht in der Luft, sondern innerhalb eines Festkörpers", erklärt Kevin Penner aus der Arbeitsgruppe Kognitronik und Sensorik. Foto: Universität Bielefeld
Allerdings kann mit diesem Verfahren nicht direkt der vollständige Kornverlust gemessen werden, sondern lediglich der Gutfluss für eine bestimmte Position im Bauraum des Mähdreschers. Damit ausreichend Daten erfasst werden, um den Kornverlust abschätzen zu können, mussten geeignete Montagepositionen für die mehr als 100 Sensoren gefunden werden. Zur Reduzierung des Verdrahtungsaufwandes und der damit einhergehenden Beeinflussung des Gutstroms, wurde mit verschiedenen kabelgebundenen und drahtlosen Übertragungstechnologien experimentiert. Unter Labor- und Erntebedingungen hat sich im speziellen Anwendungsfall eine energiesparsame drahtlose Übertragungstechnologie – Bluetooth Low Energy – als besonders geeignet erwiesen. Das Sensornetzwerk erfasst alle relevanten Daten und stellt sie für die weitere Analyse einem zentralen Steuergerät bereit. Die Anzahl an Datenquellen, die sich daraus ergibt, liegt im mittleren dreistelligen Bereich. Diese Vielzahl an zeitlich kontinuierlichen Datenströmen ist jedoch für eine einzelne Person, die mähdrescherfahrende Person, weder überschaubar noch interpretierbar.
Ergebnisse nach zwei Jahren Projektlaufzeit
Durch die Verwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz ist es gelungen, die große Anzahl an Daten für den Mähdrescherfahrer auf die eine Zielgröße, den Kornverlust, zu komprimieren und damit nutzbar zu machen. Mit dem Sensornetzwerk können die Kornverluste nun deutlich präziser ermittelt werden, sodass der Fahrer die Maschineneinstellungen gezielter auf die Kornverluste hin optimieren kann. Hierdurch gelingt eine Effizienzsteigerung der Erntemaschine bei gleichzeitig optimierter Erntegutqualität. Zudem wird die maschinenführende Person entlastet. In insgesamt 60 Ernte- und 46 Labortagen ist es somit gelungen, ein intelligentes Sensornetzwerk zu entwickeln, das die Prozesse in der Landmaschine überwacht und dessen Daten durch Künstliche Intelligenz interpretiert.
Gefördert wurde das Projekt von der it's OWL Clustermanagemement GmbH mit 1,01 Millionen Euro. Das Geld stammt aus Landesmitteln des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. Günter Korder, Geschäftsführer Operations der it’s OWL Clustermanagemement GmbH zeigt sich begeistert von dem Ergebnis der Kooperation von CoR-Lab und CLAAS: „Dieses Projekt zahlt maßgeblich auf die Nachhaltigkeitsstrategie von it’s OWL ein.“
Weitere Informationen:
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Rückert, Universität BielefeldTechnische Fakultät Tel: 0521 - 106 12050
Email: rueckert@techfak.uni-bielefeld.de
https://www.its-owl.de/die-projekte-im-ueberblick/innovationsprojekte/innovationsprojekte-1/back-560/insensepro/