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Von der "DV-technischen Steinzeit" zur Internet-Ära - Hartmut Felsch ist im Alter von 68 Jahren gestorben (Nr. 144/2003)
Der langjährige Leiter des Hochschulrechenzentrums der Universität Bielefeld, Dr. Hartmut Felsch, ist im Alter von 68 Jahren gestorben. Hartmut Felsch, der das Rechenzentrum über ein Vierteljahrhundert von 1970 bis 1997 geleitet hat, studierte in Kiel Mathematik, Informatik sowie Astronomie und war danach an der dortigen Universität tätig. Als er an der neugegründeten Universität Bielefeld 1970 seine Arbeit im Rechenzentrum aufnahm, fand er einen Computer der Firma Siemens vor, der für die Universitätsbibliothek und die Verwaltung die Daten von Lochstreifen und Lochkarten enthielt. Ein wahres Ungetüm, dessen Maße sich nur in Kubikmetern angeben ließen. Heute übertrifft jeder Notebook-PC die Leistung jener Siemens 4004 bei Weitem. Es folgte die rasante Entwicklung von PCs, für die am Bielefelder Hochschulrechenzentrum unter der Leitung von Hartmut Felsch auch ein Textverarbeitungssystem und darauf folgend ein Betriebssystem, EUMEL, entwickelt wurde. Das konnte trotz besserer Konzepte auf die Dauer der Marktmacht von DOS und Windows nicht widerstehen. Heute bestimmen Internet und Multimedia das Tagesgeschäft.
Für Felsch war von zentraler Bedeutung bei der Entwicklung eines modernen Dienstleistungsbetriebs die vorrangige und vorausschauende Berücksichtigung des Bedarfs der Nutzer. Die unaufhaltsame Zunahme der PC- und Workstation-Nutzung in den späten 80er und frühen 90er Jahren, die Felsch dokumentierte und maßgeblich systematisierte und steuerte, stellte bald die bisherige Großrechnernutzung in den Schatten und brachte manche in den neu computerisierten Fächern in die Versuchung, nach dem Abbau des Hochschulrechenzentrums und der Dezentralisierung der Dienste zu rufen. Gleichzeitig aber nahm die Bedeutung der überregionalen Netzanbindung ab Anfang der 90er Jahre in noch höherem Maße zu, die eine ebenso kompetente und mindestens so umfangreiche zentrale Betreuung wie bei den Großrechnern erforderte. Zunächst wurde diese neue Herausforderung von vielen nicht wahrgenommen, aber auch in dieser Situation gelang es Felsch mit seinem Team und in Zusammenarbeit mit der Nutzervertretung, die Grundlagen für die heute hervorragende Netzstruktur der Universität zu legen und zum heutigen Gleichgewicht zwischen zentralen und dezentralen Diensten beizutragen.
Hervorzuheben ist die langjährige engagierte und ertragreiche Zusammenarbeit zwischen Hartmut Felsch und der Universitätsbibliothek. Schon bei Aufnahme des Studienbetriebs der Universität Bielefeld im Herbst 1969 hatte sich die Universitätsbibliothek komplexer DV-Systeme bedient, die eigentlich vollen Rechnerbetrieb und Service eines funktionsfähigen Hochschulrechenzentrums erforderten. Tatsächlich dauerte es aber noch Jahre, bis das Hochschulrechenzentrum personell und organisatorisch offiziell eingerichtet war. Es ist nicht zuletzt auf das Drängen von Hartmut Felsch und den von ihm beteiligten Mitarbeitern zurückzuführen, dass die Universitätsbibliothek bereits in dieser frühen Phase zum Vorreiter bei der Einführung - seinerzeit geradezu revolutionierender - neuer Medien wurde. Alle diese Projekte anfangs der 70er Jahre wurden - aus heutiger Sicht - in erstaunlich kurzer Zeit erfolgreich abgeschlossen. Es soll nicht unvermerkt bleiben, mit welchem Elan alle Beteiligten - Hartmut Felsch stets optimistisch und mit Überzeugungskraft - den Fortschritt, das heißt eine zügige Weiterentwicklung, vorantrieben.
Von der "DV-technischen Steinzeit" in der Universitätsbibliothek mit Produktion der Bibliothekskataloge auf Bergen von Papier bis zu ihrem heutigen Angebot im Internet und von den vorsichtigen Anfängen der Datenverarbeitung in der Wissenschaft mit Lochkarten zu den hochkomplexen DV-Systemen heute liegt eine Entwicklung, die Hartmut Felsch im Hochschulrechenzentrum aktiv vorangetrieben hat. Mit seinen Ideen, seiner Kreativität, seiner Beharrlichkeit und seinem unermüdlichen Einsatz hat Felsch maßgeblich mit dazu beigetragen, dass die Grundlagen für eine den höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügende DV-Infrastruktur geschaffen werden konnten, ohne die ein großer Teil der international anerkannten Spitzenforschung der Universität Bielefeld heute nicht möglich wäre.
Hartmut Felsch hat nicht nur fachlich Maßstäbe gesetzt, sondern war auch Vorbild in Bezug auf das menschliche Miteinander. Er war - so beschreiben ihn seine Mitarbeiter - ein "verständnisvoller Chef" mit "sozialer Kompetenz". Er war geradlinig, naturverbunden und ehrgeizig. Seine ausgeprägte Einsatzbereitschaft tat seiner Liebe zum Laufsport keinen Abbruch. Der Ruf von Hartmut Felsch als ambitionierter Läufer reichte weit über das Hochschulrechenzentrum hinaus. Tagtäglich lief er bei Wind und Wetter viele Kilometer zur Universität und nahm auch an zahlreichen Wettbewerben teil. Mit seinen Urkunden ließe sich leicht eine ganze Wand füllen. Darunter findet sich auch eine über seine deutsche Vizemeisterschaft 1995 in der Klasse H60 im Orientierungslauf.