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"Vertrauen" hat Hochkonjunktur - Vertrauen als historische Kategorie (Nr. 167/2001)
Über Vertrauen wird derzeit viel geredet. Der Bundeskanzler stellt die Vertrauensfrage, Firmen werben um das Vertrauen ihrer Kunden, Finanzexperten diagnostieren den Verlust von Währungsvertrauen. Vertrauen in Personen, Vertrauen in Institutionen, Vertrauen in "die" Demokratie oder in "die" Wissenschaft - all dies wird unaufhörlich beschworen, problematisiert, abgestritten.
Sozial- und Politikwissenschaftler, Ökonomen und Philosophen haben diese Hochkonjunktur, die Vertrauen in unserer privaten und öffentlichen Alltagswelt erlebt, längst zum Anlass genommen, sich intensiver mit dem Phänomen zu beschäftigen. Nun fragen auch Historiker nach. Auf einer Tagung vom 6. bis 8. Dezember wollen sie - unter Leitung der Bielefelder Historikerin und Leibniz-Preisträgerin Ute Frevert - im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld "Vertrauen als historische Kategorie" untersuchen.
Vertrauen und sein Gegenstück - Misstrauen - gibt es, so die Unterstellung, nicht nur in unseren Gegenwartsgesellschaften. Sie haben eine lange Tradition und tauchen in unterschiedlichen Zusammenhängen auf. Das legt die Frage nahe, unter welchen Bedingungen und mit welchen Zielen Menschen früher über Vertrauen sprachen, wann sie es einklagten oder verweigerten. Zugleich ist zu beachten, dass die Sprache des Vertrauens sich veränderte. Andere Begriffe rückten in den Vordergrund. Mit ihnen verbanden sich andere Bedeutungen, andere Ein- und Ausschließungen.
Diesen semantischen Veränderungen nachzugehen ist ein wichtiges Ziel der Tagung. Darüber hinaus beleuchtet sie zentrale Gegenstandsbereiche von Vertrauensdiskursen: den Umgang mit ökonomischen und technologischen Risiken (Fernhandel, Kernenergie), die Rolle von Vertrauen in sozialen Beziehungen (Migration und Kriegskameradschaft) sowie die Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten. Der Zeitraum, in dem solche Diskurse dingfest gemacht werden, reicht vom Mittelalter bis in die unmittelbare Gegenwart.
Neben jüngeren Historikerinnen und Historikern der Universität Bielefeld, die seit Anfang 2000 auf Anregung von Prof. Dr. Ute Frevert und überwiegend aus Mitteln des Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert über Vertrauen forschen, werden an der Tagung zahlreiche auswärtige Wissenschaftler - Historiker, Soziologen, Ökonomen, Politik-und Literaturwissenschafter sowie Philosophen - teilnehmen. Auf diese Weise soll ein interdiszplinäres Gespräch über die Chancen und Grenzen des Vertrauensbegriffs aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive geführt werden.
Kontakt und weitere Informationen: Prof. Dr. Ute Frevert, Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie der Universität Bielefeld, Telefon: 0521/106-3222, und Tagungsbüro des ZiF: Marina Hoffmann, Telefon 0521/106-2768; Fax 0521/106-6024; E-Mail: Marina.Hoffmann@uni-bielefeld.de. Internet: www.uni-bielefeld.de/ZIF/AG_Frevert.html.