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Schulprogramm und Schulentwicklung: Forschung kann positive Ansätze belegen (Nr. 76/2002)
Eine empirische Forschungsstudie zur schulischen Qualitätsentwicklung durch Schulprogrammarbeit, die Prof. Dr. Eiko Jürgens von der Universität Bielefeld zusammen mit den Mitarbeiterinnen Anne Niederdrenk und Martina Pahde durchgeführt hat und deren Ergebnisse nun vorliegen, kann positive Effekte belegen, macht aber gleichzeitig auf noch vorhandene Defizite aufmerksam. Diese sollten allerdings schnellstens behoben werden, wenn diese neue Form der schulischen Organisationsentwicklung langfristig erfolgreich sein soll, rät die Forschergruppe.
Für diese Studie im Jahr 2001 wurden 600 Schulleiterinnen und Schulleiter aller Schulformen Nordrhein-Westfalens befragt. Die Rücklaufquote betrug knapp 40%.
Die Mehrheit der Schulen bezeichnet das Schulprogramm als ein "wesentliches Instrument" für die innere Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung und bestätigt damit die Richtigkeit dieses Ansatzes.
Als Auslöser für die Arbeit am Schulprogramm geben viele Schulleiterinnen und Schulleiter "beobachtbare Probleme im Schulalltag" oder "die Arbeit an bereits vorhandenen Themen, die weiterzuentwickeln sind", an. Dieses Ergebnis verweist darauf, dass offizielle Vorgaben von Seiten der Kultusverwaltung keineswegs alleiniger Auslöser für diese Form der Organisationsentwicklung sind. Viele Schulen haben sich bereits auch ohne behördliche Aufforderung auf den Weg gemacht, weil sie lange genug Defizite in ihrem Alltag wahrgenommen haben und diese beheben wollten.
Einer Überprüfung des bisher Erreichten durch Außenstehende (z.B. durch die Schulaufsicht oder durch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Schulen) stehen die Befragten mehrheitlich ablehnend gegenüber, was angesichts der methodischen Unsicherheiten und vor allem der ungeklärten Rolle der Schulaufsicht innerhalb dieses Prozesses allerdings nicht weiter verwunderlich ist.
Die überwiegende Mehrzahl der Schulen hat sehr umfangreiche Programme mit durchschnittlich 49 Seiten vorgelegt. Dieses Ergebnis verdeutlicht ein Grundproblem, und zwar einerseits viele Ideen zu haben und viele Einzelaktivitäten vorweisen zu können, andererseits aber bisher nicht ausreichend die Funktion eines Schulprogramms geklärt zu haben. Deshalb ist noch viel Aufklärung und Unterstützung nötig, um Schulen zu kompetenten "lernenden Organisationen" zu machen. Dazu gehört, Schulprogramme zu erstellen, die tatsächlich zu einem leitenden Handlungskonzept für die Einzelschule werden, d.h. auch, den Umfang eines Schulprogramms auf maximal 10 - 15 Seiten zu beschränken.
Die Ergebnisse der Studie konnten insgesamt zeigen, dass sich die Praxis in einer Aufbruchstimmung befindet. Viele Schulen haben sich hinsichtlich Schul- und Unterrichtsentwicklung auf den Weg gemacht. Dieser Aufbruch ist nicht zuletzt angesichts internationaler Vergleichsstudien wie TIMSS und PISA, die dem deutschen Schulsystem in den Fach- und Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler Mangelhaftigkeit attestiert haben, als sehr positiv und wünschenswert anzusehen. Die Ergebnisse der Erhebung verweisen aber auch auf einen weiteren Forschungs- und Handlungsbedarf, um Probleme der schulprogrammatischen Prozessgestaltung aufzuspüren und gezieltere Hilfs- und Unterstützungsangebote für die Schulen machen zu können. Es gilt an die vielen positiven Bemühungen der Praxis anzuknüpfen, um die Arbeit der Schulen weiter zu optimieren und diese nun keinesfalls durch neue bürokratische Hürden zu hemmen. Hier sind insbesondere die Kultusministerien gefordert, den Schulen sowohl die versprochene erweiterte Gestaltungsfreiheit tatsächlich zu gewähren als auch ihnen die nötigen Unterstützungsleistungen angedeihen zu lassen, ohne gleichzeitig neue kontraproduktive Kontrollabhängigkeiten zu installieren.
Kontakt: Prof. Dr. Eiko Jürgens, Schul- und Unterrichtsforschung, Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik, Telefon 0521/106 3302, E-mail: eiko.juergens@uni-bielefeld.de.