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Professor Dr. Reinhold Wolff verstorben (Nr. 191/2006)

Veröffentlicht am 21. November 2006, 00:00 Uhr

Am 10. November ist Professor Dr. Reinhold Wolff, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, überraschend verstorben. Er wurde 65 Jahre alt. Seit 1980 forschte und lehrte er als Professor für "Literaturwissenschaft, Schwerpunkt: Theorie der Literatur" - später erweitert um "Französische Literaturwissenschaft" - an der Universität Bielefeld. Im Juli dieses Jahres war Professor Wolff aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Professor Wolff hat sich in den verschiedenen Gremien für die Universität Bielefeld und ihre Entwicklung engagiert. Er war Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft und Bielefelder Vertreter im Deutschen Hochschulverband.

Die Universität Bielefeld trauert um einen bei Kollegen und Studierenden sehr beliebten Wissenschaftler und Lehrenden. In einem Nachruft schreibt die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft:

"Für Reinhold Wolff war die Literatur tatsächlich Menschenwerk und nicht nur artifizielles Spiel; die Literaturwissenschaft war ihm darum eine Humanwissenschaft. Das hat seine Studenten und die Kollegen, die mit ihm enger zusammenarbeiten durften, besonders beeindruckt: Er hat sich immer zu allererst für das Humane interessiert: für die Ängste und Sorgen, die Hoffnungen, Wünsche und Phantasien, wie sie sich in Literatur ausdrücken. Sie nämlich lassen Menschen zu Literatur greifen lassen, weil Menschen spüren, dass es hier um sie selbst geht."

Nachruf von Prof. Dr. Wolfgang Braungart, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld

Am 10. November 2006 ist Professor Dr. Reinhold Wolff ganz plötzlich und viel zu früh im Alter von nur 65 Jahren gestorben. Im Juli dieses Jahres hat er sich von der Universität in einer kleinen akademischen Feier verabschiedet und aus der aktiven akademischen Tätigkeit in den Ruhestand zurückgezogen. Er hat sich auf das Leben frei von den Verpflichtungen der Gremien- und Kommissionsarbeit gefreut und auf gute Jahre mit seiner Familie in der Landschaft des Wiehengebirges, wo er mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen seinen Wohnsitz hatte. Diese Welt mit ihren ganz praktischen und konkreten Anforderungen, mit ihrer Freundschaftlichkeit und Solidarität, wie er sie oft erfahren hat, liebte er sehr. Das Leben auf dem Land hat ihm Kraft und innere Ruhe gegeben; es hat ihm die konkrete, anschauliche Erfahrung der Natur und Aufmerksamkeit aller Sinne ermöglicht. Seine Wissenschaft ist von diesem Gespür für das Konkrete tief geprägt.

Reinhold Wolff wurde 1941 in München als Sohn eines Tierarztes geboren. Dort im Elternhaus waren die Grundlagen für seine Naturverbundenheit gelegt worden. Süddeutscher, ja Bayer, ist er in gewisser Weise immer geblieben; dies aber so freundlich, heiter und unverkrampft, dass man sich an seinem milden, ironisch gebrochenen Patriotismus gerne mitfreuen konnte.

Nach dem Abitur 1960 in München studierte er, ebenfalls in München und in Bordeaux, Altphilologie, Romanistik, Germanistik und Komparatistik bei einigen der bedeutendsten Gelehrten der 60er und 70er Jahre. Er promovierte 1970 in München zum Dr. phil. und habilitierte sich 1980 in Regensburg. Er war an den Universitäten Regensburg und Mainz als Wissenschaftlicher Assistent und Akademischer Rat tätig, bevor er 1982 als Professor an die damals noch junge Universität Bielefeld auf den Lehrstuhl für 'Literaturwissenschaft, Schwerpunkt: Theorie der Literatur' berufen wurde. Diese Denomination wurde später um die französische Literaturwissenschaft erweitert.

Reinhold Wolff hat sein Fach meisterhaft und in ungewöhnlicher Breite beherrscht. Er hat strenge, methodenbewusste Studien vorgelegt; er hat die Literatur vom Mittelalter bis zur Gegenwart in stets glänzend formulierten Untersuchungen erforscht und auch die Zuwendung zur Massenliteratur nicht gescheut. Und er hat Bücher veröffentlicht, die wirkliche Pionierarbeiten waren und Grundlagenschriften wurden: zur Aufklärungsforschung (Die Ästhetisierung aufklärerischer Tabukritik bei Montesquieu und Rousseau, 1975), zur Literaturpsychologie und Psychoanalyse der Literatur (Psychoanalytische Literaturkritik, 1975; Psychoanalytische Literaturwissenschaft und Literatursoziologie, 1982) und zur empirisch-sozialgeschichtlichen Literaturwissenschaft (Strukturalismus und Assoziationspsychologie. Empirisch-pragmatische Literaturwissenschaft im Experiment, 1977). Hinzu kamen zahlreiche Aufsätze, kleinere Studien, Rezensionen; seit Mitte der 90er Jahre vor allem zu Karl May, kürzlich erst aber auch eine letzte umfangreiche Untersuchung zur neulateinischen Literatur.

Für Reinhold Wolff war die Literatur tatsächlich Menschenwerk und nicht nur artifizielles Spiel; die Literaturwissenschaft war ihm darum eine Humanwissenschaft. Das hat seine Studenten und die Kollegen, die mit ihm enger zusammenarbeiten durften, besonders beeindruckt: Er hat sich immer zu allererst für das Humane interessiert: für die Ängste und Sorgen, die Hoffnungen, Wünsche und Phantasien, wie sie sich in Literatur ausdrücken. Sie nämlich lassen Menschen zu Literatur greifen, weil Menschen spüren, dass es hier um sie selbst geht.

Reinhold Wolff hat sich über viele Jahre intensiv in der institutionellen Arbeit für die Universität Bielefeld engagiert. So half er mit, die Universität weiter aufzubauen. Lange Jahre war er Mitglied der Fakultätskonferenz und des Senats, Mitglied zahlreicher Ausschüsse und Kommissionen, die er auch häufig selbst geleitet hat; und er war 1987 bis 1989 Dekan der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft. In verschiedenen Gesellschaften und Fachverbänden hat er mitgewirkt. Seit 1999 war er mit großer Freude und Begeisterung Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft, eine der größten literarischen Gesellschaften überhaupt. Die Arbeit für diese Gesellschaft lag ihm sehr am Herzen, weil sich hier Wissenschaft und gesellige Freundlichkeit und Gespräch besonders gut verbinden konnten.

Viele Jahre lang hat sich Reinhold Wolff für den Deutschen Hochschulverband als Vertreter der Bielefelder Verbandsmitglieder eingesetzt. Die stürmischen Entwicklungen, die sich in den letzten Jahren an den deutschen Universitäten und im Bildungswesen überhaupt vollzogen haben und noch immer vollziehen, verfolgte und kommentierte Reinhold Wolff mit großer Sorge und sehr kritischem Blick. Er fürchtete, dass hier eine humane Bildungsidee auf der Strecke bleiben wird, in deren Zentrum doch immer das konkrete Individuum stehen muss, nicht das System oder die Institution. Er mahnte und warnte nachdrücklich und sehr ernsthaft vor bloßer Geräuscherzeugung und leerer Umtriebigkeit und Geschäftigkeit. Im Rahmen der Institution Universität selbst erinnerte er daran, dass sie nicht für sich selbst als Institution da ist und auch nicht für politische Strategien und Winkelzüge, sondern für die Menschen, die in ihr arbeiten, und für die Gesellschaft, die sie finanziert. Seine Rede vom Sommer, mit der er sich aus dem aktiven Universitätsleben verabschiedet hat, ist jetzt im Mitteilungsblatt des deutschen Hochschulverbandes nachzulesen (Der Vernunft eine Chance geben. In: Forschung und Lehre, 13. Jg., H. 11/06, S. 636-638). Sie ist nun, niemand hat es damals geahnt, sein universitäts- und bildungspolitisches Vermächtnis geworden.

Die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft und die Universität Bielefeld haben vielfachen Grund, diesem menschlich so zugewandten, heiteren und freundlichen Wissenschaftler dankbar zu sein. Seine Studenten, Mitarbeiter, Kollegen und Freunde haben ihm noch viele gute Jahre gewünscht. Sie sind ihm nun nicht mehr vergönnt.


 

Kurzmeldung

Am 10. November ist Professor Dr. Reinhold Wolff, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft, überraschend verstorben. Er wurde 65 Jahre alt. Seit 1980 forschte und lehrte er als Professor für "Literaturwissenschaft, Schwerpunkt: Theorie der Literatur" - später erweitert um "Französische Literaturwissenschaft" - an der Universität Bielefeld. Im Juli dieses Jahres war Professor Wolff aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Professor Wolff hat sich in den verschiedenen Gremien für die Universität Bielefeld und ihre Entwicklung engagiert. Er war Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft und Bielefelder Vertreter im Deutschen Hochschulverband.

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