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Professor Dr. Detlev Frehsee gestorben (Nr. 22/2001)
Detlev Frehsee, seit 1990 Professor für Kriminologie, Strafrecht und Strafprozeßrecht an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld, ist am 29. Januar im Alter von 56 Jahren gestorben. Die Universität Bielefeld verliert mit Professor Frehsee einen überaus renommierten Wissenschaftler, der sich unter anderem in Forschung und Lehre mit Fragen der Kriminalpolitik, der strafrechtlichen Interventionsziele und der Sanktionswirkungen sowie der Gewalt und ihrer gesellschaftlichen Bewältigung befaßte. Detlev Frehsee wurde am 13. März 1944 in Gehringswalde in Sachsen geboren. Er ist in Niedersachsen aufgewachsen und studierte in Bochum, Bonn und Kiel. Während seiner Tätigkeit als Assistent an der Universität Kiel promovierte er im Bereich Kriminalökologie und Kriminalgeographie und untersuchte in einem Forschungsprojekt die Bezüge zwischen Lebensraum und kriminellen Auffälligkeiten, speziell bei Jugendlichen in Schleswig-Holstein.
In Zusammenhang mit seiner Habilitation beschäftigte sich Frehsee mit einem Teilproblem der Rechtswissenschaft, das heute unter dem Stichwort "Täter-Opfer-Ausgleich" bekannt ist, also mit alternativen Sanktionen, mit Wiedergutmachungsregeln und Schadenswieder-gutmachung. Seitdem stand das Thema "Kind und Strafrecht" im Mittelpunkt seiner Forschungen, insbesondere das Problem der "Gewalt gegen Kinder". Hier stellte sich für Frehsee zum Beispiel die Frage, inwieweit das gegenwärtige Strafrecht kontraproduktiv ist, weil es möglicherweise Hilfeersuchen verhindert. Zudem betreute Frehsee im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Jugend, Frauen, Familie und Gesundheit ein Forschungsprojekt zum Thema "Fortbildung von Polizeidienststellen im Bereich Gewalt gegen Frauen".
Neuerdings beschäftigte er sich mit der"Kriminalität der Mächtigen und Normalbürger". Gemeint ist hier zum Beispiel die berufsspezifische Kriminalität, wie Abrechungsbetrug bei Ärzten oder die Medikamentenvergehen im Bereich der Tiermästung, aber auch der Betrug der Haftpflichtversicherung oder die Steuerhinterziehung des Normalbürgers. Frehsee stellte dazu fest, daß die Rechtstreue beim Durchschnittsbürger nur sehr schwach ausgebildet ist und Kriminalität keineswegs auf Minderheiten beschränkt ist.
Frehsee, der unter anderem mit dem Teilprojekt "Die Bedeutung des Strafrechts bei familialer Gewalt" am Bielefelder Sonderforschungsbereich "Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter" beteiligt war, leitete außerdem eine Arbeitsgemeinschaft im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF), die sich mit der "Konstruktion der Wirklichkeit durch Kriminalität und Strafe" befaßte. Aus dieser ZiF-Arbeitsgemeinschaft ist das gleichnamige Buch hervorgegangen, das 1997 im Nomos-Verlag erschienen ist.
Detlev Frehsee, der Mitte der 90er Jahre einen Ruf an die Universität Münster ablehnte, war Mitherausgeber des "Kriminologischen Journals", Gründungs- und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie sowie Mitglied im geschäftsführenden Ausschuß der Deutschen Vereinigungfür Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen.