Pressemitteilungen
Pflanzenwissenschaften international (Nr. 140/2003)
Erforschung molekularer Mechanismen der Umweltanpassung von Pflanzen lockt Biologen aus aller Welt nach Bielefeld
Biologen aus sieben (!) außereuropäischen Ländern forschen derzeit am Lehrstuhl für Biochemie und Physiologie der Pflanzen der Universität Bielefeld bei Prof. Dr. Karl-Josef Dietz. Ihre Arbeiten befassen sich mit den molekularen Mechanismen, die es Pflanzen ermöglichen, ungünstige Umweltbedingungen zu ertragen und gliedern sich damit unmittelbar in einen der Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls ein. Die Internationalität der Bielefelder Pflanzenwissenschaften spiegelt die Bedeutung wider, die der "molekulare Ökophysiologie" genannten Disziplin der Pflanzenwissenschaften weltweit und vor allem auch in den nicht-gemäßigten Breiten der Erde zuerkannt wird.
Das Überleben, die Konkurrenzfähigkeit und der Ertrag von Pflanzen hängen wesentlich von ihrem genetischen Potenzial ab, bei einsetzendem Stress spezifische "Toleranzmechanismen" zum Ertragen dieses Stresses zu aktivieren. So sind Umweltfaktoren wie Bodenversalzung, Wassermangel und giftige Schwermetalle im Boden für Ertragsbildung und Erntequalität der Landwirtschaft global von zunehmender und negativer Bedeutung. Viele dieser ungünstigen Wachstumsbedingungen sind darüber hinaus mit oxidativen Reaktionen verbunden, die in allen Lebewesen zu destruktiven Prozessen, u.a. zu Alterung (Seneszenz) und vorzeitigem Tod führen können. Von besonderem Interesse ist nun, auch bei von Natur aus empfindlichen Pflanzen auf molekulargenetischem Weg eine erhöhte Anpassung an Stress zu erzeugen, was auf längere Sicht von herausragender Bedeutung für die Ernährung der Weltbevölkerung sein dürfte. Im Zeitalter der Entschlüsselung der ersten kompletten Pflanzengenome (das Genom ist die Gesamtheit der Gene eines Organismus) von Arabidopsis (Ackerschmalwand) im Jahr 2000 und von Reis in diesem Jahr konzentrieren sich weltweit viele Arbeitsgruppen auf die molekulare Genetik dieser Arten. Die dadurch ermöglichten genomischen Ansätze werden auch am Lehrstuhl für Biochemie und Physiologie der Pflanzen genutzt, um Funktionen von Genfamilien aufzuklären.
Viele molekulare Funktionen von Lebewesen werden durch Gruppen von Genen ähnlicher Struktur erfüllt, die selten gleiche, gelegentlich überlappende und häufig einzigartige Aufgaben besitzen. Neben diesen aus pflanzenwissenschaftlicher Sicht epochalen Fortschritten der genomweiten Forschung dürfen aber die Vielfalt der pflanzlicher Lebensformen und ihre vielfältigen Anpassungen nicht vergessen werden. Regionalsorten, Varietäten und nahe verwandte Arten zeigen teilweise extrem unterschiedliche Anpassungen an Standortfaktoren. Dies kann zur molekularen Identifizierung der den Anpassungen zugrundeliegenden genetischen Merkmale genutzt werden. In diesem thematischen Umfeld sind die Forschungsarbeiten der sieben Forscher angesiedelt. Sie führen die schon fast traditionell zu nennende Internationalität am Lehrstuhl für Biochemie und Physiologie der Pflanzen fort, an dem in den letzten fünf Jahren 22 Wissenschaftler aus 13 Ländern zu längeren Forschungsarbeiten im Rahmen von Einzel- und Kooperationsprojekten verweilt haben.
Die zur Zeit anwesenden außereuropäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind:
Calliste Didhiou (Senegal), Doktorandenstipendium des Deutsche Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Thematik: Identifizierung von Genen, die bei unterschiedlicher Salzanpassung von Reisvarietäten und Gräsern wichtig sind.
Dr. Mohamed El-Tayeb (Ägypten, South Valley University), Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für Hochschuldozenten. Thematik: Biochemische Mechanismen der Anpassung von Bohnen und Weizen an Trockenheit.
Dr. Wen-Xue Li (China), DAAD-Postdoktorandenstipendium für 6 Monate. Thematik: Änderungen der Proteinmuster unter oxidativem Stress (Redox-Proteom).
Luciana Maia (Brasilien), CAPES-Austauschstipendium (Brasilianisches Regierungsstipendium) für ein Jahr im Rahmen der Promotion. Thematik: Salzanpassung der Kuhbohne, die in Südamerika als wertvolles Tierfutter weiten Einsatz erfährt.
Andrea Peña (Chile), Doktorandenstipendium des DAAD. Thematik: Antioxidantien in Ölsaatenpflanzen.
Olga Popova (Rußland), zunächst DAAD, seitdem Doktorandin in einem DFG-Einzelsachmittelprojekt von Dr. Dortje Golldack (Bielefeld). Thematik: Genetische Basis der Anpassung von Kohlgewächsen an Salzanpassung.
Dr. Jehad Shaikh Ali (Palästina), Gastforscher der DFG-Forschergruppe 387. Thematik: Wahrnehmung von Stressreizen und zelluläre Informationsverarbeitung bis hin zur Regulation der Genexpression.
Ab Oktober wird mit Kershini Velender aus Südafrika für ein Jahr eine weitere Nationalität vertreten sein.
Kontakt: Prof. Dr. Karl-Josef Dietz, Fakultät für Biologie, Telefon: 0521/106 5589.