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Neues Forschungsgewächshaus der Universität eingeweiht (Nr. 14/2005)
Das neue Forschungsgewächshaus bietet beste Bedingungen zur Anzucht der Ackerschmalwand
ie Universität Bielefeld hat am 12. Januar ihr neues Gewächshaus eingeweiht. Damit ist es erstmals auch in Bielefeld möglich, Pflanzen in großem Umfang unter kontrollierten Bedingungen anzuziehen. Das 1,29-Millionen-Euro-Projekt konnte der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW Bielefeld nun nach sechsmonatiger Bauzeit der Forschung zur Verfügung stellen.
Prof. Dr. Dieter Timmermann, Rektor der Universität Bielefeld, begrüßte die Gäste, die zur Einweihung des Gewächshauses gekommen waren, und zeigte sich überaus zufrieden, dass jetzt die baulichen Voraussetzungen geschaffen sind, um zukunftsweisende Forschungsarbeiten nach dem neuesten Stand der Technik zu betreiben. Mit dem Bau des neuen Forschungsgewächshauses können nun Pflanzen in großem Umfang unter definierten Bedingungen angezogen werden. Der Neubau trägt dem in den letzten Jahren stark gewachsenen Bedarf an hochinstallierter Gewächshausfläche in der Fakultät für Biologie Rechnung. Anlass für den Neubau war der Aufbau eines Lehrstuhls für Genomforschung, der im Jahr 2003 mit Professor Bernd Weisshaar besetzt wurde. Neben der Nutzung aus dem Bereich der Genomforschung wird der Neubau auch für Forschungen der Bereiche Phytopathologie (Dr. Karsten Niehaus) sowie Biochemie und Physiologie der Pflanzen (Professor Karl-Josef Dietz) und der Molekularen Zellphysiologie (Professorin Dorothee Staiger) zur Verfügung stehen.
Das neue Gewächshaus bietet vor allem für die Anzucht der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) optimale Wachstumsbedingungen. Der unscheinbare Kreuzblütler hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem der am besten untersuchten Objekte im Bereich der pflanzlichen Genetik und Physiologie entwickelt. Aufgrund ihrer geringen Größe (auf einem Quadratmeter lassen sich leicht mehr als 300 Pflanzen kultivieren), ihrer kurzen Generationsdauer von nur wenigen Wochen und ihres sehr kleinen Genoms, dessen vollständige Sequenz seit 2001 vorliegt, wurde sie zum bevorzugten Modellsystem zur Untersuchung einer Vielzahl von Fragestellungen. Wegen der engen Verwandtschaft aller höheren Pflanzen lassen sich die an der Ackerschmalwand gewonnenen Erkenntnisse relativ leicht auf andere Arten übertragen. So können Informationen über die Funktionen einzelner Gene dieses Modellsystems bei der Weiterentwicklung von Nutzpflanzen durch Marker-gestützte Züchtung genutzt werden.
Gegenüber den bestehenden Gewächshäusern zeichnet sich der Neubau vor allem durch verbesserte Möglichkeiten der Temperaturkontrolle aus. Im Sommer werden unter Glasdächern leicht Temperaturen von über 25 Grad C erreicht. Das bedeutet Stress und nicht selten den Tod für die Pflanzen. So waren bislang über Monate Experimente unmöglich, gerade wenn es darum geht, die Reaktionen von Pflanzen auf definierte Stressfaktoren zu untersuchen. Das neue Gewächshaus verfügt über eine eingebaute Kühlung und ein ausgeklügeltes Schattierungssystem und ermöglicht so ganzjährig konstante Wachstumsbedingungen.
Aber nicht nur die Temperatur, auch die Beleuchtung lassen sich nun deutlich besser kontrollieren. Bei der Ackerschmalwand hat die Tageslänge dramatische Auswirkungen auf den Lebenszyklus. Bei Tageslängen von etwa acht Stunden produziert sie über viele Wochen hindurch nur Blätter. Aber schon ein einziger langer Tag genügt, um die Blütenbildung auszulösen. Im neuen Gewächshaus können nun einzelne Tische vollständig abgedunkelt werden, um Pflanzen unter Kurztagsbedingungen zu halten, bis durch Überführen in ein anderes Lichtregime gezielt die Blüte eingeleitet werden kann.
Helmut Diederichs, stellvertretender Niederlassungsleiter des BLB NRW Bielefeld, freute sich, dass er den Schlüssel für das Forschungsgewächshaus nach sechsmonatiger Bauzeit nun an die Universität übergeben konnte, und merkte an, dass der Bau- und Liegenschaftsbetrieb die Aufträge für das 1,29 Millionen-Gebäude nach der Ãffentlichen Ausschreibung an Auftragnehmer aus der Region vergeben konnte. Mit dem Tragwerk und der Technik wurde die Siedenburger Gewächshausbau GmbH & Co. KG aus Rahden beauftragt und mit dem Untergeschoss die Steinhagener Baufirma Twelmeier. Die Planung und Bauleitung übernahm das Ingenieurbüro Kamphausen aus Willich.
Der Neubau liegt am Süd-West-Ende der Universität und schließt direkt an das vorhandene Gewächshaus an. Der neue Eingangsbereich verbindet beide Gewächshäuser zu einer Einheit. Das Erdgeschoss des neuen Gewächshauses hat eine Nutzfläche von 365 Quadratmetern. Es ist in vier Kabinen unterteilt, in denen sich das Herzstück befindet: ca. 200 Quadratmeter Pflanztische. Diese können jeweils individuell beheizt, belüftet, belichtet und beschattet werden. Unter den Pflanztischen sind Klimageräte angeordnet, die dafür sorgen, dass die gewünschte Temperatur konstant gehalten wird. In die Pflanztische sind Wasserrillen eingelassen, die Bestandteil des automatischen Bewässerungssystems sind, das den Arbeitsaufwand beim Gießen deutlich reduziert. Im ersten Raum befinden sich zwei Pflanztische, die für Forschungsversuche durch alubeschichtete Kunststoffgewebematten völlig abgedunkelt werden können. Die mittleren Pflanztische in den Kabinen sind jeweils verschiebbar, damit die Raumbreite optimal ausgenutzt werden kann. Alle Pflanztische werden durch fahrbare Leuchten belichtet. Die Leuchten hängen an Schienen und fahren im langsamen Rhythmus hin und her, um eine gleichmäßige Belichtung der Pflanzen zu gewährleisten.
Im Dachfirst sind auf der ganzen Länge Lüftungsklappen eingebaut, die für eine mechanische Lüftung sorgen. Damit durch die Außenluft keine ungewollten fremden Pollen eingeschleust werden können, sind die oberen Lüftungsklappen mit einem dreiviertelkreisförmigen Schlauch aus ganz feinmaschigem Edelstahlgewebe umhüllt, das auch die kleinsten Pollen nicht durchlässt. Die Außenglasflächen können bei zu starker Sonneneinstrahlung mit alubeschichteten Kunststoffgewebematten verschattet werden. Das Untergeschoss ist so in den Hang gebaut, dass es auf der Nordseite ebenerdig beliefert werden kann. Hier ist Platz unter anderem für die aufwändige Technik des Gewächshauses und eine Wasseraufbereitungsanlage mit vier Wannen. Zudem ist dort eine Phytokammer, ein klimatisierter Aufzuchtschrank für Pflanzen, untergebracht.
Das Foto zeigt v.l.: Helmut Diederichs, BLB NRW, Prof. Dr. Alfred Pühler, Sprecher des CeBiTec-Vorstands, Prof. Dr. Bernd Weisshaar, Genomforschung, und Kanzler Hans-Jürgen Simm.