Pressemitteilungen
Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt (Nr. 35/2002)
Gemeinwohl ist eine der meistbeschworenen Leitideen von Politik, Recht und Staat. Gleichzeitig wird der Begriff von vielen kritisiert und unter Ideologieverdacht gestellt. Ihn aus der öffentlichen Diskussion zu verabschieden, ist aber offenbar unmöglich. Deshalb soll während einer Tagung im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld vom 14. bis 17. März geklärt werden, ob und bis zu welchem Grad der Gemeinwohlbegriff wissenschaftlich konturierbar ist und ein nicht-ideologisches Gemeinsames bei politisch-rechtlichen Auseinandersetzungen bezeichnen kann.
Voraussetzung dafür ist - so meinen die wissenschaftlichen Leiter der Tagung "Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt", Winfried Brugger, Michael Anderheiden und Stephan Kirste (alle Heidelberg) -, dass man zeitenspezifisch den Bereich benennt, dessen Gemeinwohlverständnis herausgearbeitet werden soll: "Hier geht es um politisch-rechtliche Organisationsformen an der Jahrtausendwende, mit dem modernen westlichen Staat als zentraler, aber nicht exklusiver und anhand des Grundgesetzes illustrierter Ausgangsform, erweitert um die europäische und weltweite Dimension in Form der Europäischen Union und des Völkerrechts. Für jede der genannten Politikebenen lässt sich zeigen, dass Gemeinwohl drei materiale Säulen hat, denen jeweils eine Prozedurebene zur Konkretisierung der materialen Vorgaben entspricht. Gemeinwohl zielt erstens Rechtssicherheit an durch Bedeutungssicherheit, Durchsetzungssicherheit, Stabilität und Funktionsabgrenzung der zuständigen Organe; ihr zugeordnet sind die Verfahren der Gesetzgebung und Normauslegung. Gemeinwohl zielt zweitens Legitimität an durch gute Politikprogramme (etwa Staatsziele), aber im Rahmen der Gerechtigkeit (vor allem gesichert durch grundrechtliche Abwehrrechte); ihr zugeordnet sind die Prozeduren demokratischer Legitimation und verfassungsgerichtlicher Kontrolle. Gemeinwohl geht es drittens um Zweckmäßigkeit durch Validität empirischer Annahmen und Analyse betroffener Interessen; durch Mittel-Zweck- und Kosten-Nutzen-Effizienz sowie durch Berücksichtigung der Sachstrukturen unterschiedlicher Regelungsbereiche. Der Zweckmäßigkeit prozedural zugeordnet ist die wissenschaftliche Politikberatung."
Die Tagung wird ferner den politisch-rechtlich geprägten Untersuchungsgegenstand Grundgesetz, Europäische Union und Völkerrecht dadurch überschreiten, dass auch innerstaatliche und gesellschaftlich geprägte Gemeinwohlorganisationen untersucht und mit den genannten Gemeinwohlelementen ins Verhältnis gesetzt werden.
Weitere Informationen: www.uni-bielefeld.de/ZIF/ag2002.html, Tagungsbüro des ZiF: Telefon 0521/106- 2768.