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Experten dürfen sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen (Nr. 16/2003)
Ein Team von Sozialpsychologen unter der Leitung von Gerd Bohner (Universität Bielefeld) fand heraus, dass ein renommierter Experte ablehnendere Reaktionen auslöst als ein blutiger Laie, wenn er schwache Argumente präsentiert.
Gemeinsam mit seinen Kollegen Markus Ruder (Universität Erfurt) und Hans-Peter Erb (Universität Halle-Wittenberg) legte Bohner Versuchspersonen Texte vor, in denen verschiedene Autoren und Argumente miteinander kombiniert waren, und registrierte die Reaktionen. In allen Texten wurde für den Bau eines Straßentunnels plädiert.
Angeblicher Autor des Textes war - je nach Versuchsbedingung - entweder ein achtzehnjähriger Schüler aus einer Jugendgruppe oder ein preisgekrönter Professor, der im Auftrag der Regierung ein Gutachten abgab. Unabhängig vom Autor wurde die Qualität der vorgebrachten Argumente variiert. Diese waren entweder eindeutig stark oder eindeutig schwach oder mittelmäßig.
Wie sich zeigte, traf die Binsenweisheit, dass Experten größeren Einfluss ausüben als Nichtexperten, nur dann zu, wenn die vorgebrachten Argumente mittelmäßig waren. In diesem Fall interpretierten die Leser dieselben Argumente als überzeugender, wenn der Experte sie vorbrachte, als wenn der Laie sie äußerte. Bei mäßigen Argumenten darf sich der Experte also auf seine Autorität verlassen.
Nicht so bei eindeutig starken oder eindeutig schwachen Argumenten. Hier führte die Diskrepanz zwischen den Erwartungen an den Autor und der tatsächlichen Qualität der vorgebrachten Argumente zu Kontrasteffekten: Der Professor mit schwachen Argumenten wurde abgewertet und hatte keine Chance zu überzeugen, der Laie mit starken Argumenten hingegen wurde aufgewertet und übte beträchtlichen Einfluss aus.
Bohner rät: "Wer überzeugen will, sollte folglich nicht unbedingt versuchen, sich als Experte zu präsentieren. Sind die Argumente nämlich schwach, dann enttäuschen sie die Erwartungen an einen Experten. Sind sie aber für sich schon überzeugend, so war von dem Experten auch nichts anderes zu erwarten. Wer sich vor ungerechtfertigtem Einfluss schützen will, sollte sich immer auch fragen, wie die Argumente gewirkt hätten, wenn sie von jemand anderem vorgetragen worden wären."
Die Forschungsarbeit, deren Ergebnisse bedeutsam sind für das Verständnis von Einflussprozessen in Werbung, Marketing, Politik und Wirtschaft, erschien unter dem Titel "When Expertise Backfires" im "British Journal of Social Psychology", Heft 4 (2002). Die "London Times" berichtete darüber in ihrem "Higher Education Supplement" am 20.12.2002.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Gerd Bohner, Abteilung Psychologie der Universität Bielefeld, Telefon 0521/106 4437.