Pressemitteilungen
Elisabeth Gülich machte Bielefeld zu einem wichtigen Zentrum der Gesprächsforschung (Nr. 106/2002)
Prof. Dr. Elisabeth Gülich, die an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld Allgemeine Linguistik und Linguistik des Französischen lehrt, wird zum Ende des Sommersemesters 2002 emeritiert. Sie wird am 17. Juli um 16.15 Uhr im Hörsaal 1 der Universität Bielefeld ihre Abschiedsvorlesung zum Thema "Unbeschreibbarkeit: Rhetorischer Topos, Gattungsmerkmal, Formulierungsressource" halten.
Nach dem Studium der Fächer Französisch, Latein und Sport in Freiburg, Wien und Kiel kam Elisabeth Gülich als Assistentin von Harald Weinrich nach Köln, wo sie 1969 mit einer Arbeit zur "Makrosyntax der Gliederungssignale im gesprochenen Französisch" promovierte. 1969 wurde sie Wissenschaftliche Assistentin an die Universität Bielefeld. Sie habilitierte sich 1976 zum Thema "Linguistische Analyse von Erzählstrukturen" und erhielt die Venia legendi für Romanische Philologie. 1979 nahm sie einen Ruf an die Freie Universität Berlin an, wo sie im Fachbereich Germanistik Textlinguistik lehrte. Zum Wintersemester 1981/82 kehrte sie nach Bielefeld zurück und übernahm den Lehrstuhl für Romanistik/ Linguistik.
Elisabeth Gülichs Forschen und Lehren ist durch die außerordentliche Breite und Vielfalt der Fragen und Themen gekennzeichnet, an denen sie arbeitet und deren Erforschung sie mit einer Vielzahl von Publikationen geprägt, wenn nicht überhaupt initiiert hat. Einige dieser Themen ziehen sich als Konstanten durch ihre Forschung. Dazu gehören die Beschreibung des gesprochenen Französisch, das sowohl unter dem Aspekt der aktuellen Entwicklungen und Veränderungen gesehen wird als auch, wie schon in der Dissertation, als konkretes Beispiel, an dem die Besonderheiten mündlicher Kommunikation erforscht werden können. Ein weiteres schon im Studium entdecktes und nie aufgegebenes Thema ist die Erzählforschung, die von der textlinguistischen Untersuchung vor allem literarischer Texte zur Analyse konversationeller Erzählungen führte. Eine dritte thematische Konstante ist die Phraseologie oder, wie es in jüngster Zeit heißt, Vorgeformtheit in der Kommunikation.
Zu diesen zum Teil schon im Studium aufgenommenen Themen sind nach und nach weitere Fragen getreten, wobei immer wieder das Interesse an mündlicher Kommunikation deutlich wurde. Dieses Interesse wurde besonders gestützt durch die eingehende Beschäftigung mit den Methoden der Gesprächsanalyse, insbesondere der ethnomethodologischen Konversationsanalyse, an deren linguistischen Weiterentwicklung und Verbreitung in Deutschland und Frankreich Elisabeth Gülich großen Anteil hat. In diesem Zusammenhang entstanden zahlreiche Arbeiten zur Formulierungstheorie (Reformulierung, Redekommentierung und -bewertung), zu exolingualer Kommunikation (am Beispiel Französisch-Deutsch), zur Arzt-Patienten-Kommunikation, zum konversationellen Schreiben. Diesen Forschungen vor allem ist es zu verdanken, dass Bielefeld zu einem wichtigen Zentrum der Gesprächsforschung in Deutschland geworden ist. In den letzten Jahren wurde ein weiteres, äußerst innovatives Projekt in Angriff genommen, nämlich der Versuch, in Zusammenarbeit mit dem Epilepsie-Zentrum Bethel linguistische, vor allem konversationsanalytische Methoden bei der Diagnose von Anfallserkrankungen einzusetzen. Dieses Projekt steht beispielhaft für Elisabeth Gülichs Interesse an interdisziplinärer Arbeit und für den damit korrespondierenden Wunsch, linguistische Erkenntnisse für andere Disziplinen fruchtbar zu machen. Sie wird dieses Projekt weiter verfolgen.
Neben ihrer intensiven und vielfältigen Forschungs- und Lehrtätigkeit fand Elisabeth Gülich Zeit und Kraft, sich in ungewöhnlichem Maße in der Selbstverwaltung zu engagieren. Dies begann schon vor ihrer Ernennung in Bielefeld, nämlich in der Kölner "Arbeitsstelle Linguistik der Universität Bielefeld", wo sie seit 1968 an der Planung der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft mitwirkte. Seit ihrer Ernennung als Wissenschaftliche Assistentin im Jahr 1969 hat sie in unzähligen Gremien gearbeitet: in der Fakultät (als Dekanin, als Mitglied der Fakultätskonferenz, in Struktur-, Lehr- und Forschungskommission), in der Universität (Lehrkommission der Universität). Außerhalb des universitären Betriebs im engeren Sinn war sie stellvertretende Leiterin des Staatlichen Prüfungsamts für Lehrämter an Schulen, Fachgutachterin für Sprachwissenschaft bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Mitglied der Jury des Landes Nordrhein-Westfalen für die Vergabe von Lise-Meitner-Habilitationsstipendien. Elisabeth Gülich hat sich nie laut, aber beharrlich und oft bis zur Erschöpfung für vernünftige, gerechte und menschliche Lösungen der anstehenden Probleme und Konflikte eingesetzt.