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Bundesweit erste moderne Jura-Abschlussprüfung an der Universität Bielefeld (Nr. 58/2005)
Am 31. März wurde in Bielefeld ein kleines Stück Rechtsgeschichte geschrieben. Zum ersten Mal haben in Deutschland Studierende der Rechtswissenschaft ein neu geschaffenes Universitätsexamen abgelegt, das ihnen eine stärkere Spezialisierung auf bestimmte Berufsfelder ermöglicht. Die drei Kandidaten hatten den Schwerpunktbereich "Private Rechtsgestaltung und Prozessführung" gewählt, der in besonderem Maße auf den Beruf des sog. Allgemeinanwalts vorbereitet. In der Prüfung, die von Prof. Dr. Gerhard Otte als Vorsitzendem und Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke abgenommen wurde, mussten die Kandidaten vielfältige praxisnahe Aufgaben erfüllen. Es ging etwa darum, Fallstricke im Kleingedruckten eines Vertrages über die Anmietung einer Ferienwohnung zu finden oder Unterhaltsansprüche und Erbrecht nach einer Ehescheidung zu bestimmen. Schon zuvor hatten die Kandidaten in einer Hausarbeit und einer Klausur ähnliche Aufgaben gelöst.
Am Ende waren Prüfer und Kandidaten sehr erleichtert, dass die Deutschlandpremiere des neuen Examens gelungen war und alle drei Prüflinge mit Erfolg bestanden hatten. Studiendekan Prof. Dr. Christian Rolfs überreichte den glücklichen Absolventen André Stork, Daniel Strunk und Björn Weber ein neu gestaltetes Zeugnis über den Abschluss der Schwerpunktbereichsausbildung, dankte ihnen für den Mut, sich als erste zu melden, und wünschte viel Glück für den nun noch erforderlichen staatlichen Teil der insgesamt neu geregelten Jura-Abschlussprüfung.
Hintergrund dieser Prüfung ist eine tiefgreifende Reform der Juristenausbildung, die Ende 2003 in Kraft getreten ist. Die Universitäten erhalten darin größere Freiräume zur Gestaltung des Studiums und können insbesondere Anforderungen der beruflichen Praxis stärker berücksichtigen. Die Bielefelder Fakultät für Rechtswissenschaft hat daraufhin den Studienplan geändert und erlaubt es ihren Studierenden nun, sich gezielt auf bestimmte Berufsfelder zu spezialisieren. Besonders beliebt ist bei den Studierenden der Schwerpunktbereich "Internationaler Handelsverkehr (International Trade)"; weitere Spezialisierungsmöglichkeiten sind z.B. Wirtschafsrechtsberatung, Arbeit und sozialer Schutz, Strafverfahren und Strafverteidigung oder Öffentliches Wirtschaftsrecht.
Dass die bundesweit erste derartige Prüfung in Bielefeld stattfand, ist kein Zufall. Die Rechtswissenschafter an der Universität Bielefeld stehen in der Tradition eines Modellversuchs, der hier schon in den 1970er und 1980er Jahren eine stärkere Verzahnung von wissenschaftlicher und praktischer Ausbildung erfolgreich verwirklicht hatte. Aufgrund ihrer Tradition als praxisorientierte Fakultät konnten die Bielefelder Professorinnen und Professoren neue Studium deutlich früher anbieten als die anderen deutschen Fakultäten und verschaffen auf diese Weise ihren Studierenden einen Startvorteil am heiß umkämpften Arbeitsmarkt.