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Bielefelder Chemiker Jürgen Hinze feiert 65. Geburtstag (Nr. 95/2002)
Der Bielefelder Chemiker Professor Jürgen Hinze feiert am Freitag, 28. Juni, seinen 65. Geburtstag. Am selben Tag wird Hinze ab 10.00 Uhr im Hörsaal 13 mit einem internationalen Kolloquium "Theorie in der Chemie - Theorie für die Chemie" geehrt und von der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld verabschiedet.
Jürgen Hinze, 1937 in Berlin geboren, studierte Chemie an der Technischen Hochschule Stuttgart. Bei einem Aufenthalt 1959 an der University of Cincinnati führte er unter Anleitung von Hans H. Jaffé grundlegende Arbeiten zu dem in der Chemie zentralen Konzept der Elektronegativität durch, die unter dem Namen Mulliken-Jaffé-Elektronegativitäten Eingang in sämtliche einführende Lehrbücher der Chemie fanden. Es entstand eine Serie von Veröffentlichungen, die tiefe Einsichten und neue Ergebnisse zu dem Themenkomplex Elektronegativität brachten und die letztlich zur Verleihung des PhD im Jahre 1962 führten. Diese Arbeiten entstanden in enger Anlehnung an einen gerade aufblühenden Zweig der Chemie, der heute als Theoretische Chemie bekannt ist. Zu Anfang der 1960er Jahre war die Theoretische Chemie in Deutschland nur an wenigen Orten und mit relativ kleinen Gruppen vertreten. Dagegen gab es in England und gerade in den USA einige Orte, an denen die Grundsteine für diese neue Disziplin der Chemie gelegt wurden. Dazu gehörte an erster Stelle das Laboratory of Molecular Struture and Spectroscopy (LMSS) von Robert S. Mulliken (Nobelpreis für Chemie 1966) in Chicago, aber auch die Gruppe um Kennetth S. Pitzer an der Rice University in Houston. Bei Pitzer arbeitete Jürgen Hinze in den Jahren 1962-1964 als Postdoktorand, bevor er dann, nach einem Aufenthalt bei Theodor Förster in Stuttgart (1964-66), an das LMSS zu Robert S. Mulliken und Clemens C. J. Roothaan ging. Bereits nach einem Jahr wurde Hinze Assistant Professor am Department of Chemistry der University of Chicago und blieb in Chicago bis 1975. In dieser Zeit entstanden zahlreiche grundlegende Arbeiten zur quantenchemischen Berechnung von Viel-Elektronen-Wellenfunktionen.
Im Jahre 1975 nahm Jürgen Hinze dann einen Ruf an die neu gegründete Universität Bielefeld an und wurde einer der vier Gründungsprofessoren der Fakultät für Chemie. In Bielefeld setzte er die begonnenen Entwicklungen zu hochgenauen numerischen Berechnungsverfahren für das quantenmechanische Vielteilchenproblem ebenso wie Arbeiten zur Elektronegativität fort. Auch neue Gebiete wurden sukzessive erschlossen, insbesondere die Methodenentwicklung für vier-komponentige relativistische Theorien der elektronischen Struktur sowie der relativistischen R-Matrix-Streutheorie, aber auch zur sehr genauen quantenmechanischen Beschreibung der Kerndynamik in dreiatomigen Molekülen. Hinze, der u.a. der American Chemical Society, der European Physical Society und der Gesellschaft Deutscher Chemiker angehört, zählt zur kleinen Zahl derer, die Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre wesentlich zur Verbreitung der Theoretischen Chemie in Deutschland beigetragen haben.
Die für eine Universität in Deutschland nahezu einmaligen Möglichkeiten zur Durchführung internationaler Tagungen und für Gastaufenthalte ausländischer Wissenschaftler, wie sie durch das Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) gegeben sind, nutzte Hinze in den Jahren 1978-1980 und 1996/97 für Workshops, Symposien und Aufenthalte von Forschergruppen. Aus der erstgenannten Zeitspanne sind fünf von ihm editierte Bücher hervorgegangen. Nicht nur in Forschung und Lehre war Hinze überaus engagiert, sondern auch in der akademischen Selbstverwaltung. Er war zweimal Dekan der Fakultät für Chemie, für insgesamt etwa zehn Jahre Mitglied des Senats der Universität und von 1975 bis 1996 Vorsitzender der Ortsgruppe Bielefeld der Gesellschaft Deutscher Chemiker.