Pressemitteilungen
30 Jahre Fakultät für Chemie an der Universität Bielefeld im Zeichen des Generationenwechsels (Nr. 146/2005)
Jubiläum mit vier öffentlichen Antrittsvorlesungen am kommenden Freitag
Am Freitag, den 8. Juli feiert die Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld ihr 30-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass findet ab 14 Uhr im Hörsaal 4 eine Vortragsveranstaltung statt, die den heutigen Stand der Fakultät nach drei Jahrzehnten erfolgreicher Forschung und Lehre widerspiegeln soll. Nach einem Rückblick auf den Ursprung und die Entwicklung der Bielefelder Fakultät unter dem Titel "Ein Extrakt aus drei Phasen und zwei Zähnen" von Prof. Dr. Dietmar Kuck, einem Chemiker der ersten Stunde, werden vier der in den letzten zwei Jahren neu berufenen Kolleginnen und Kollegen ihre derzeitigen Forschungsgebiete vorstellen. Dies entspricht der guten Universitätstradition, dass neue Hochschullehrer in einer öffentlichen Antrittsvorlesung ihre wissenschaftlichen Interessen in einer allgemeinverständlichen Form einem breiteren Publikum nahe bringen.
Prof. Dr. Adelheid Godt, die auf eine Professur für Organische Chemie berufen wurde, wird über "Struktur und Dynamik" großer, nicht-natürlicher organischer Moleküle sprechen. Anschließend erläutert Prof. Dr. Uwe Manthe, Professor für Theoretische Chemie, wie "Chemische Reaktionen: im Detail und ganz genau" heutzutage mit Hilfe ausgefeilter Computerprogramme verstanden und vorausberechnet werden können. Nach der Pause wird Prof. Dr. Thomas Koop, Professor für Physikalische Chemie, mit speziellem Interesse für die Chemie der Atmosphäre, unter dem Thema "Einmal Wasser ohne Eis, bitte!" über die Vielfalt der Erscheinungsformen von Wasser unter verschiedenen physikalischen Bedingungen diskutieren. Und schließlich legt Prof. Dr. Thomas Dierks, Professor für Biochemie an der Fakultät für Chemie, dar, "Was Biochemiker aus Erbkrankheiten lernen können".
Die Forschungsarbeiten von Adelheid Godt (Foto) und ihrer Gruppe führen zum Aufbau ungewöhnlicher Moleküle mit stäbchen- und kettenförmigen Strukturen. Aus den Erfahrungen mit der Chemie kleiner, gespannter Ring-Moleküle erwuchs ihr Interesse an langen, bänderartigen Molekülgerüsten und "Riesenzyklen", die wie Glieder einer Kette ineinander hängen. Solche nanometergroßen Teilchen sind interessant wegen ihrer "Steifigkeit" und inneren Beweglichkeit, die das makroskopische Verhalten dieser Stoffe entscheidend beeinflussen. Die derzeitigen Arbeiten konzentrieren sich auf die Ermittlung der Flexibilität chemischer Bindungen und die geometrische Mustererkennung an Oberflächen.
Adelheid Godt studierte Chemie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Anschließend ging sie an das Max-Planck-Institut für Polymerchemie in Mainz, wo sie 1991 promovierte. Ein Postdoktoranden-Aufenthalt führte sie an die Cornell University, Ithaca (USA) und an das Kodak Forschungslabor in Rochester (USA). 1993 kehrte sie an das MPI für Polymerforschung in Mainz zurück und habilitierte sich dann 2001 an der Freien Universität Berlin. Nach einer Tätigkeit als Gastprofessorin an der International University Bremen (2003) wechselte sie im Sommer 2003 als Professorin für Organische Chemie an die Universität Bielefeld.
Forschungsschwerpunkt von Uwe Manthe (Foto) und seiner Arbeitsgruppe ist die theoretische Untersuchung chemischer Reaktionsprozesse. Dazu werden aufwendige Computerberechnungen durchgeführt, die die genaue Simulation des Ablaufs der einzelnen Elementarschritte chemischer Reaktionen ermöglichen. Dies führt - auf rein theoretischer Basis - einerseits zu einem vertieften Verständnis von Stoffumwandlungen. Andererseits hoffen die Theoretiker, derartige Computersimulationen in der Zukunft einsetzen zu können, um die Geschwindigkeit von Reaktionsschritten, die in der Atmosphäre oder bei Verbrennungsprozessen ablaufen, genau vorherzusagen. Solche Vorhersagen sind von großer Bedeutung für die Untersuchung wichtiger Reaktionsketten, wie sie z.B. in der Atmosphäre bei der Bildung und beim Abbau von Ozon und der Zersetzung von Treibhausgasen ablaufen.
Uwe Manthe studierte Chemie an der Universität Mainz. Nach der Promotion in Theoretischer Chemie an der Universität Heidelberg im Jahr 1991 folgten ein Forschungsaufenthalt in Jerusalem und die Arbeit als Postdoktorand der University of California in Berkeley. Nach der Rückkehr nach Deutschland ging er an die Fakultät für Physik der Universität Freiburg, wo er sich 1997 in theoretischer Physik habilitierte, und danach an die Fakultät für Chemie der TU München. Seit 2004 ist er als Professor für Theoretische Chemie an der Universität Bielefeld tätig.
Die Forschungsarbeiten von Thomas Koop (Foto) drehen sich neben anderen physikalisch-chemischen Themen um die Frage "Wie entsteht Eis in kleinen Wassertröpfchen?". Ziel ist es dabei, die chemischen und physikalischen Bedingungen zu entschlüsseln, unter denen sich Eiswolken in der Atmosphäre bilden. Dazu werden in seiner Arbeitsgruppe verschiedene Experimente durchgeführt, in denen die Wolkenbildung im Labor nachvollzogen wird. Hintergrund dieser Forschung ist es, ein besseres Verständnis der Rolle solcher Wolken bei der Entstehung des Ozonlochs und bei Klimaänderungen zu gewinnen.
Thomas Koop studierte Chemie an der Universität Duisburg und promovierte 1996 am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Anschließend verbrachte er zwei Jahre als Postdoktorand am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA). 1999 wechselte er an die ETH Zürich und forschte dort am Institut für Atmosphäre und Klima, wo er sich 2004 auch habilitierte. Seit März 2004 ist er Professor für Physikalische Chemie an der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld.
Die Forschungsarbeiten von Thomas Dierks (Foto) und seiner Arbeitsgruppe beschäftigen sich mit der Aufklärung der Struktur-Funktions-Beziehungen verschiedener Biokatalysatoren (Enzyme), die auch medizinisch bedeutsam sind. Dabei stehen die sogenannten Sulfatasen im Mittelpunkt der derzeitigen Forschung. Die Funktionen dieser Enzyme werden biochemisch und zellbiologisch charakterisiert und mit Hilfe von "Maus knock-out Modellen" auch im lebenden Organismus untersucht. Einige Sulfatasen erzeugen sogenannte Sulfatierungsmuster auf der Oberfläche von Zellen, hoch spezifische Strukturen, die wichtige Informationen für die korrekte Entwicklung und Homöostase von Geweben und Organen vermitteln. Man weiß inzwischen, dass hierbei mehrere "Signalproteine" eine wichtige Rolle spielen, deren Wechselwirkung mit der Zelloberfläche von diesen Sulfatasen reguliert wird. Einer solchen Sulfatase wird die Unterdrückung der Tumor-Bildung zugeschrieben. Eine Kooperation zwischen Prof. Dierks und seiner Forschungsgruppe mit der Industrie erlaubt es, mit Hilfe biotechnologisch produzierter Sulfatasen effiziente therapeutische Verfahren zu entwickeln.
Thomas Dierks studierte Biochemie in Tübingen und München und promovierte 1991 bei Reinhard Krämer am Forschungszentrum Jülich. Er ging dann als Gastwissenschaftler an die Universität Bari (Italien) und danach als "Postdoc" an das Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie der Universität Göttingen, wo er sich als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Jahr 2000 für das Fach Biochemie habilitierte und Nachwuchsgruppenleiter im Göttinger Zentrum für Molekulare Biowissenschaften wurde. 2004 folgte er dem Ruf auf eine Professur für Biochemie an der Universität Bielefeld.