BLOG Zentrum für Ästhetik
Art & Science Festival :: Nachdenken über Identität im Wintersemester 2017/2018
Weiß sie wirklich, wer sie ist?
Identität! Identität???
Ästhetik-Festival zu einem schwierigen Begriff im Wintersemester 2017/18
„Wir sind das Volk!“ Aber wer sind überhaupt ‚wir‘? Und wer bin ich? In schwierigen Zeiten wird viel über Identität geredet. Die „Flüchtlingskrise“ hat es noch einmal drastisch vorgeführt: In einer globalisierten Welt wird man, ob man will oder nicht, ständig mit dem Fremden und dessen Differenzen zum Eigenen konfrontiert. Je konkreter die „Identität“ in der modernen Welt wird, desto mehr wird sie zum Diskussionsgegenstand, desto mehr kann mit ihr aber auch gespielt und manipuliert werden. Der global grassierende Rechtspopulismus führt es gerade vor.
Beim Begriff „Identität“ geht es aber nicht nur um Weltpolitik, sondern ganz allgemein auch um die Auflösung festgefügter Weltbilder, traditioneller Normen und Lebensentwürfe zugunsten von Pluralität und Individualismus. Und nicht zuletzt: Die Möglichkeiten der modernen Naturwissenschaften und der Medizin führen nicht nur zu lange ungeahnten Mensch-Maschine-Interaktionen und zur zunehmenden Verschmelzung von menschlichem Körper und Technik, sondern erzwingen darüber auch komplexe Debatten über den Begriff des Lebens und der Person. Die digitalen Medien ermöglichen inzwischen nicht nur eine globale Kommunikation in Echtzeit, sondern auch die komplette Verschleierung der Kommunikationspartner, bei denen es sich möglicherweise auch nur um Bots handeln könnte.
Schon diese wenigen Beispiele deuten an, dass Identität nichts fest Gefügtes mehr zu sein scheint. Es geht ständig um das Verschieben und Auflösen von Grenzen, um die Vergrößerung von Möglichkeitsspielräumen und um Pluralisierung in allen nur denkbaren Kontexten. Alte Gewissheiten (sogar über sich selbst) immer wieder in Frage gestellt zu sehen, ist anstrengend, löst Ängste aus und nicht selten Aggressionen. „Identität“ wird dann gern als so etwas wie ein Rettungsanker gesehen. Aber findet man damit wirklich zum Grund oder schleift er nur haltlos auf dem Meeresboden? Sollte man den schillernden Begriff „Identität“ vielleicht lieber meiden, weil er so leicht ideologisiert und zum Kampfbegriff werden kann? Man denke nur an ethnische Auseinandersetzungen und den mit ihnen unmittelbar zusammenhängenden Rassismus.
Und geht es heute nicht statt um die „alte“ festgefügte Identität eher um multiple Identitäten und auch (bis zum Fake) das Spiel damit? Der Kunst kommt (auch) dabei eine avantgardistische Rolle zu, hat sie doch bereits zentrale etablierte Kategorien wie Gender oder Ethnie in Frage gestellt – und vielleicht lässt sich „Identität“ ja auch als Vexierbild verstehen. Jede/r (ob Nationen, Gruppen oder Individuen) wird in der modernen Unübersichtlichkeit notgedrungen zu seiner Identität Schmied oder besser – mit Jean Baudrillard – zum „Bastler“.
Wie könnte eine zeitgemäße Definition von „Identität“ aussehen und wieviel und welche Form von Identität brauchen Individuen, Gruppen oder noch größere Einheiten überhaupt? Das Zentrum für Ästhetik möchte sich in seinem nächsten Ästhetik-Festival im Wintersemester 2017/18 mit der angedeuteten Komplexität des Begriffs sowohl von wissenschaftlicher als auch von künstlerischer Seite auseinandersetzen. Dazu lädt es Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in der Stadt Bielefeld und der Region OWL (also auch benachbarte Hochschulen) ein, das Thema aus ihren spezifischen Blickwinkeln zu bearbeiten. So soll eine lockere Netzwerkstruktur entstehen, in der kein Partner seine Identität aufgeben müsste. Daraus könnte sich dann ein großflächiger, kaleidoskopartiger Diskurs ergeben, an dessen Ende wohl kaum die endgültige Klärung der angedeuteten Fragen stehen dürfte, aber durchaus ein spannender Differenzierungsprozess.
Anregungen dazu sind sehr willkommen!