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Porträt Harun Kocatas

Veröffentlicht am 4. Mai 2018, 14:45 Uhr
Nach einem Interview-Leitfaden von Miriam Goupille

Lieber Harun, woher kommst du genau?

Ich komme aus der Türkei, aus Van in der Osttürkei. Die Stadt liegt an der Grenze zum Iran. Bis zur Gymnasialzeit habe ich in Van gelebt. Danach bin ich mit meiner Familie nach Istanbul umgezogen. Da habe ich mein Abitur gemacht und auch den Bachelor. Es sind jetzt 11 Jahre, die wir in Istanbul leben. Istanbul bietet sehr viel mehr Arbeitsmöglichkeiten und kulturelle Angebote als Van. Van ist eine Millionenstadt, antik und sehr schön. Van ist die Hauptstadt des altorientalischen Urartu-Reiches gewesen. Auch viele armenische Spuren gibt es wie die Insel Akdamar im Van-See. Es gibt diesen riesigen See (wir nennen ihn Meer) mit einem Ungehheuer wie Loch Ness und die weiße Van-Katze, die ein grünes und ein blaues Auge hat. Istanbul mag schön sein, aber Van ist für mich die attraktivere Stadt. Schade, dass das Existieren dort so schwer fällt.

Wie bist du nach Bielefeld gekommen?

In der Türkei habe ich Lehramt für Türkisch an der Marmara-Universität in Istanbul studiert. 2013 und 14 war ich als Erasmus-Student in Essen. Da habe ich angefangen, Deutsch zu lernen. Als ich in Essen war, habe ich beschlossen, meinen Master in Deutschland zu machen. Ich habe noch ein Jahr als Türkischlehrer in der Türkei gearbeitet und nebenbei mein Deutsch verbessert. Danach habe ich mich an deutschen Universitäten beworben und mache nun einen Master hier in Bielefeld in Linguistik: Kommunikation, Kognition und Sprachtechnologie. Die Stadt kannte ich vor meiner Bewerbung nicht, wusste aber, dass es eine kleine Stadt ist. Aus der Hektik, der Anstrengung, die man in einer Weltstadt täglich lebt, wollte ich weg.

Gibt es etwas aus deiner Gegend/deinem Land, was du hier vermisst? Und/oder etwas, was du hier in Bielefeld schön findest?

Das Meer vermisse ich sehr. Meine Familie und Istanbul mit seinem Wetter, seinem Essen.

Bielefeld ist eine Unistadt, eine kleine Stadt - und trotzdem hat man viele Möglichkeiten in allen Lebensbereichen. Ob Kultur, Freizeit, Uni, Natur ... überall gibt es viele Angebote. Das Verkehrsnetz ist phantastisch ausgebaut, man kommt auf viele Arten und Weisen schnell überall hin. Und an der Uni erlebe ich, wie interessant interdisziplinäre Begegnungen sind.

Hast du immer unterrichtet? Wenn nicht, was hast du vorher gemacht?

Ich unterrichte seit 2015 Türkisch. Davor habe ich Praktika gemacht. Zum Beispiel am Junus Emre-Institut. Das ist das türkische Äquivalent zum Goethe-Institut.

Kannst du uns eine Anekdote über deine (ehemaligen) Studenten erzählen? Es kann etwas Lustiges oder leicht Peinliches sein, das jedem von uns passieren kann.

Das Türkische besitzt zum Beispiel viele arabische Lehnwörter. Als ich Flüchtlinge in der Türkei unterrichtet habe, benutzte ich Lehnwörter aus dem Arabischen im Türkischen, die aber einen Bedeutungswandel erfahren haben. Das hat zu lustigen Missverständnissen geführt. Das Wort medrese, zum Beispiel, hatte ich als Bezeichnung für die Universität benutzt. Im Arabischen heißt das aber heute einfach nur Schule. Für die Uni gibt es ein anderes Wort. Anstatt also zu fragen: "Willst du später an die Uni gehen?", ist das bei den Teilnehmern angekommen als: "Willst du mal zur Schule gehen?"
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