Fachsprachenzentrum BLOG
Porträt Laura Hirsch
Nach einem Interview-Leitfaden von Miriam Goupille
Liebe Laura, woher kommst du genau?
Ich komme aus Metz. Das ist in Lothringen, direkt an der deutschen Grenze. Dort habe ich ab der sechsten Klasse auch an der Schule Deutsch gelernt. Eine deutsch-französische Zweisprachigkeit ist in Metz allerdings nicht üblich. In der jüngeren Geschichte ist Metz 1870 von den Deutschen okkupiert worden. Nach dem ersten Weltkrieg gehörte es erneut zu Frankreich, bis es im 2. Weltkrieg wieder besetzt wurde und nach dem Krieg erneut an Frankreich zurückkam. In Frankreich sagen wir häufig, Metz sei eine deutsche Stadt. Es ist historisch stark geprägt von deutschen Bauten und deutschsprachiger Geschichte.
Wie bist du nach Bielefeld gekommen?
Ich habe in Frankreich Germanistik und Deutsch als Fremdsprache studiert, um Deutschlehrerin in Frankreich zu werden. Bereits mit 22 hatte ich die Staatsexamensprüfung abgelegt. Das war mir aber noch zu früh, um meine Stelle anzutreten, weil man in Frankreich direkt verbeamtet wird. Eine Verbeamtung mit 22 wollte ich aber nicht. Deshalb habe ich mich um ein Jahr als Fremdsprachenanssistentin in Deutschland beworben und habe eine Schulzuweisung nach Bielefeld bekommen. Und nun bin ich schon das fünfte Jahr hier - und habe den Eindruck, als wären's fünf Monate...
Gibt es etwas aus deiner Gegend/deinem Land, was du hier vermisst? Und/oder etwas, was du hier in Bielefeld schön findest?
Manchmal vermisse ich natürlich meine Familie und meine Gewohnheiten. Das Alltagsleben in Frankreich. Sandkastenfreunde treffen, einen Kaffee auf einer Terrasse trinken und solche Sachen, die ich in Bielefeld nicht so habe, weil die Vorgeschichte nicht da ist. Aber genau das gefällt mir in Deutschland: Ich sehe neue Dinge, erlebe Neues, es gibt keine Routine. Die scheint sich jetzt nach fünf Jahren vielleicht allmählich einzustellen, aber längst nicht wie in Frankreich. Alles ist hier eine Herausforderung: Elternbriefe zu schreiben, das Auto in die Werkstatt zu bringen... Einfach alles. Und das macht es für mich interessant.
In die Stadt Bielefeld habe ich mich verliebt. In Frankreich gibt es so viel Negatives, Demonstrationen, Aggressivität. Hier in Bielefeld finde ich die Menschen so glücklich. Wenn du sie am Siegfridplatz sitzen siehst, wie sie da ein Bier trinken und zufrieden sind - das finde ich so positiv und beruhigend. Das mag ich.
Hast du immer unterrichtet? Wenn nicht, was hast du vorher gemacht?
Seit ich in Deutschland bin, habe ich zunächst als Fremdsprachenassistentin am Ratsgymnasium gearbeitet. Im Anschluss habe ich eine Stelle als Lehrerin im Schuldienst am Kopernikus-Gymnasium in Beckum angetreten, die ich seit vier Jahren besetze, und nebenbei habe ich immer einzelne Aufträge angenommen, wie die Lehrtätigkeit an der Uni oder Sprachkurse für Soldaten beim Verteidigungsministerium Englands. Deutsch oder Französisch, je nach Bedarf. Ich habe auch für die Firma Delius in Bielefeld gearbeitet. Berufsspezifisches Französisch. Delius handelt mit Stoff. Das war auch sehr interessant, und ich konnte mich professionell weiterentwicklen. Mir fehlte die Erfahrung im Bereich der Erwachsenenbildung. Das ist etwas völlig anderes als die Schule. Es war viel Arbeit für mich, bei der ich viel gelernt habe. Außerdem habe ich ein Semester lang an der Uni Paderborn unterrichtet.
Kannst du uns eine Anekdote über deine
(ehemaligen) Studis erzählen? Es kann etwas Lustiges oder leicht
Peinliches sein, das jedem von uns passieren kann.
Mir fällt etwas ein, was nicht aus dem Unterricht kommt, aber von der Uni.
Für meinen Umzug wollte ich einen der Cambio-Bullis mieten. Nun bin ich interessiert daran, ein gutes Deutsch zu sprechen, und ich wollte die Abkürzung Bulli nicht benutzen, sondern das richtige Wort.
Meine Reservierung hatte ich online gemacht und ging dann zum Schalter, um den Schlüssel abzuholen. Ich fragte nach meinem Bollerwagen. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass Bulli das Kürzel für Bollerwagen sei. Die Frau schüttelte den Kopf und sagte: "Es tut mir leid, aber Sie haben keinen Bollerwagen bei uns bestellt." Ich inistierte energisch, und es dauerte eine ganze Weile, bis sich das Missverständnis aufgeklärt hatte. Man kann eine Zweitsprache noch so lange lernen: Wenn sie nicht die Herkunftssprache ist, dann tritt man immer wieder in Fettnäpfchen. Wenn ich die Beschreibung des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen lese zu C2, "muttersprachliches Niveau", dann kann ich nur lachen. Das erreicht man nie.