[Erziehungswissenschaft] Aktuell
Statement der AG10 - Normalisierung rechter Positionen
Normalisierung rechter Positionen - Statement der AG10
Die Gegenwart ist von grundlegenden politischen Auseinandersetzungen geprägt und wird von intensiv widerstreitenden, heftig umkämpften und zum Teil sich bekämpfenden Antworten auf mindestens zwei grundlegende politische Fragen gekennzeichnet: a) der Frage, was es heißt, ein gutes Leben zu führen, b) der Frage, wem es zusteht, dieses Leben zu leben.
In diesem Zusammenhang beobachten wir weltweit, aber auch in Deutschland, auch in Bielefeld, vielleicht auch an Universitäten die Normalisierung rechter Positionen. Unter rechten Positionen seien hier, verkürzt, solche (alltags-)politischen Positionen verstanden, die danach trachten, den unbedingten Vorrang einer partikularen Gruppe unter gewaltvoller Zurückweisung egalitärer Ansprüche anderer durchzusetzen. Diese Normalisierung zeigt sich
- im Zulauf zu politischen Parteien, die in Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden,
- in der zunehmenden Gewöhnung an menschenverachtende Positionen, die etwa in der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl zum Ausdruck kommen,
- in vereinfachenden und schnellen Antworten auf komplexe Problemlagen, die Migrant*innen und sogenannte Asylsuchende pauschal als Ursache gesellschaftlicher Problemlagen ausgeben,
- in der selektiven Skandalisierung und Instrumentalisierung von Gewalt, bei der bestimmte Gewaltakte für politische Zwecke verwendet, während zugleich allgemeine, auch strukturelle Gewaltverhältnisse entpolitisiert oder unsichtbar gemacht werden,
- in der Zurückweisung eines inklusiven Gesellschafts- und Bildungsmodells,
- in der zunehmenden Geringschätzung einer auf universellen Menschenrechten gründenden politischen Ordnung,
- in der zunehmenden körperlichen und symbolischen Gewalt gegen Menschen, deren Geschlechtsidentität sich nicht in einer zweigeschlechtlichen Ordnung abbildet,
- in der Absolutsetzung der Geltung vermeintlich traditioneller, heteronormativer Familien- und Rollenmodelle und der Herabwürdigung anderer Modelle,
- in der zunehmenden pauschalisierenden Disqualifizierung von Positionen, die in feministischen, rassismuskritischen, post- und dekolonialen oder queeren Traditionen stehen und diese Traditionen weiterentwickeln,
- in der zunehmenden Schwächung und Abwertung von Positionen, die darauf verweisen, dass ein einseitig auf wirtschaftliches Wachstum und ökonomischen Gewinn setzendes Denken zwangsläufig die weitere Zerstörung der Lebensgrundlagen der Mehrheit der Menschheit, nicht-menschlicher Spezies und der Artenvielfalt in Kauf nimmt,
- in der Unterwanderung und Instrumentalisierung von Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen, durch gezielte Infragestellung wissenschaftlicher Erkenntnisse (etwa zum menschengemachten Klimawandel oder globalen Ausbeutungsverhältnissen), um rechte Narrative zu stärken.
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Diese Entwicklungen betreffen auch den Bildungsbereich. Bildung und Erziehung stellen ein wichtiges Terrain dar, in dem Antworten auf die Frage, was gesellschaftliches Zusammenleben heißt, und wie es sinnvoll zu gestalten ist, thematisiert werden. Gerade deshalb ist es aus erziehungswissenschaftlicher Sicht geboten, der Normalisierung rechter Positionen, auch im Feld der Bildung und Erziehung, der Pädagogik, entgegenzuwirken und sich entschieden gegen jede Form der Entmenschlichung, Diskriminierung sowie der autoritären Verengung zu positionieren.