[Erziehungswissenschaft] Aktuell
Vortrag Dr. Sina Arnold: Antisemitismus und Rassismus: Konzeptionelle Überlegungen für eine integrierte Forschung (05. November 2025)
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Dr. Sina Arnold übernimmt im Wintersemester 2025/2026 erstmalig die neu eingerichtete Gastprofessur „Interdisziplinäre Antisemitismus- und Rassismuskritik“ an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld
Antisemitismus und Rassismus werden auf begrifflicher und phänomenaler Ebene zumeist getrennt behandelt. Beide ideologische Praktiken der sozialen und gesellschaftlichen Unterscheidung sind zugleich durch starke inhaltliche Nähe sowie ihre genealogische und empirische Verwandtschaft verbunden. Beide lassen sich als Herrschaftspraktiken verstehen, die auf Vorstellungen von „Rassen“ basieren und mit dem Mittel der Dehumanisierung agieren. Sie reproduzieren dabei nicht nur existierende Strukturen der Ungleichwertigkeit, sondern erzeugen diese auch aktiv. Antisemitismus und Rassismus verbindet, dass sie als Sinnstrukturen zur Verfügung stehen, die gesellschaftliche Ordnungen ebenso legitimieren wie mikrosoziale Prozesse der Aus- und Abgrenzung. Diese fundamentale generative Funktion sowohl des Rassismus als auch des Antisemitismus verweist auf die Bedeutsamkeit der kritischen Auseinandersetzung mit beiden Herrschaftsformen. Die neu eingerichtete Gastprofessur „Interdisziplinäre Antisemitismus- und Rassismuskritik“ an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld soll hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Die heute aktuelle Frage nach dem Verhältnis von Antisemitismus und Rassismus ist dabei nicht allein – was immer dies heißen mag – eine akademisch nüchterne Frage, sondern auch eine durch erkenntnis- und identitätspolitische Interessen vermittelte Frage. Dies erschwert die Analyse häufig und belädt die Auseinandersetzungen affektiv-emotional. Nicht zuletzt nach dem Massaker des 7. Oktober, den daran anschließenden politischen Diskursen und Entwicklungen ist die Schwierigkeit, behutsam und differenziert etwa über das Verhältnis von Antisemitismus und Praktiken des antimuslimischen Rassismus zu sprechen, besonders deutlich geworden. Die Gastprofessur soll nicht nur einen Beitrag zur Aufklärung dieser Affektdynamiken leisten, sondern auch zur Analyse der Bedingungen der Möglichkeit einer wissenschaftlichen und nicht zuletzt politischen Auseinandersetzung beitragen, die der Genese, Multiperspektivität und Widersprüchlichkeit des Verhältnisses von Antisemitismus und Rassismus als diskursiven Topoi, theoretischen Begriffen und empirischen Phänomenen gerecht wird.
Wir freuen uns außerordentlich, im Wintersemester 2025/2026 Dr. Sina Arnold vom Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) und dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) an der Technischen Universität Berlin für die erstmalige Besetzung der Gastprofessur gewonnen zu haben.
Sina Arnold hat Ethnologie, Erziehungswissenschaft und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert und wurde mit einer Arbeit zu „Antisemitismusdiskurse in der US-amerikanischen Linken nach 9/11“ an der Technischen Universität Berlin promoviert. Nach Tätigkeiten unter anderem am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität ist sie seit etlichen Jahren Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung und dem Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Ihr Arbeiten befassen sich unter anderem mit institutionellem Rassismus und Antiziganismus, mit Antisemitismus in migrantischen Communities, Erinnerungspolitik und sozialen Bewegungen. Gegenwärtig leitet sie das mehrjährige Forschungsprojekt „Transnationale Identitätspolitik: Antisemitismus und Rassismus in der extremen Rechten in Deutschland und den USA“.