Center for Uncertainty Studies Blog
Gewalt, Unsicherheit, Empathie – Andreas Zick in der Bielefelder Kunsthalle
© Adrian Strothotte, Universität Bielefeld.
von Adrian Strothotte
In der Ausstellung "Stellung beziehen. Käthe Kollwitz, Mona Hatoum" begegnen sich zwei Künstlerinnen – "eine historische und eine zeitgenössische Position –, die mit ihrer Kunst ein Mahnmal gegen Leid und Unterdrückung setzen und für mehr Menschlichkeit eintreten." (Kunsthalle Bielefeld)
Die zwei ausgebuchten Rundgänge durch die Ausstellung, die noch bis zum 16. Juni in der Bielefelder Kunsthalle zu sehen ist, brachten wertvolle Impulse zwischen Kunst und Wissenschaft. Andreas Zick betont auf seinem Weg durch das Museum die Unsicherheit, die Menschen heute umtreibt, aber die besonders auch in den Werken von Kollwitz und Hatoum verarbeitet wird. Es geht um eine Unsicherheit, die aus Ungleichheit, Gewaltverhältnissen und Marginalisierungen stammt. Die Vielschichtigkeit im Umgang mit dem kollektiven Phänomen macht der Konflikt- und Gewaltforscher anhand von Arbeiten wie Hatoums Remains of the Day, das ein verkoltes Sitzensemble mit Tisch zeigt und für eine Ausstellung in Hiroshima im Jahr 2017 entstand, oder auch Kollwitz' Arbeiten aus dem Zyklus "Ein Weberaufstand" deutlich. Die unbehagliche Grundstimmung, die hier evoziert wird, ist bei Hatoum Programm: Im Fokus stehen soziale Ungleichheit, Missachtung und Krieg. Erfahrungen von Gewalt verbinden die beiden Künstlerinnen – im Weltkrieg auf der einen und im Libanesischen Bürgerkrieg auf der anderen Seite.
Andreas Zick zieht Verbindungen zwischen den Zeichnungen sowie Installationen und Ereignissen der jüngeren Vergangenheit: der Kölner Silvesternacht, der Situation in Gaza, der aktuellen, neuen Isolierung von Jüdinnen und Juden in Deutschland. Seine besondere Sichtweise kommt auch in verschiedenen konzeptionellen Zugängen zur Geltung. Martha C. Nussbaums Idee der politischen Emotionen oder Julia Kristevas Konzept eines abjects zwischen Subjekt und Objekt, dessen Zustand sich jenseits von Bedeutung und in Form radikaler Exklusion realisiert, treffen auf die Bildgewalt der ausgestellten Künstlerinnen.
Der Leiter des IKG beschließt seinen Rundgang vor einem Werk Hatoums, welches die Zerstörung im Beirut der 1970er Jahre vor Augen führt (Bourj A, Bourj II, Bourj III (2011)). Der Blick geht zum Abschluss über die Exponate hinaus auf den sonnigen Kunsthallenpark mit den Fahrgeschäften des Leineweber-Marktes – gerade der Kontrast ermöglicht in der Kunsthalle neue Perspektiven.
"Stellung beziehen. Käthe Kollwitz, Mona Hatoum". Noch bis zum 16.06.2024 in der Bielefelder Kunsthalle.
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